• Rolandstatute vor dem Neustädtischen Rathaus (Ausschnitt Ansichtskarte Verlag Reiche & Rubin in Magdeburg, vers. 1910; Bestand: Historisches Archiv des OSV)

Der Roland und die Sparkasse in Brandenburg an der Havel

Eine Sehenswürdigkeit von Brandenburg ist er auch heute noch, der Roland aus dem Jahr 1474. Eine Kopie hat es 1905 sogar bis vor das Märkische Museum in Berlin geschafft. Als das Foto für das abgebildete Postkartenmotiv geschossen wurde, stand das Original gerade vor dem Neustädtischen Rathaus der Havelstadt. Vom Platz am Altstädtischen Rathaus war die Figur hierher 1716 mit Genehmigung des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. versetzt worden, weil sie die Soldaten beim Exerzieren störte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem das neue Rathaus zerstört wurde, kam die Statue an ihren heutigen Standort in der Altstadt.

Öfter als der Roland ist die Stadtsparkasse umgezogen. Eröffnet wurde sie am 5. Januar 1830 in der Steinstraße 32 im Haus des Kämmerers. Ihre letzte Adresse vor der Fusion mit der Kreissparkasse am 1. Januar 1982 lautete Neustädtischer Markt 11. Zeitweise befand sich ihr Sitz im Neustädtischen Rathaus. Ein Aushang an der Mauer links neben dem Roland wies wohl darauf hin, dass die Sparkassenkundschaft Zimmer 3 aufzusuchen hatte. Aus dem Rathaus zog das Geldinstitut übrigens am 6. Dezember 1907 aus und in das Geschäftshaus am Molkenmarkt 1 ein, weil es wegen des gesteigerten Kundenverkehrs mehr Platz brauchte.

  • Der Silbergroschen ist 150 Jahre alt und zeigt den König von Preußen, der 1871 Deutscher Kaiser wurde. : © Historisches Archiv des OSV

Der Silbergroschen

Jahrzehntelang hatten die preußischen Sparkassen mit diesem kleinen Geldstück zu tun, dem Silbergroschen. Eingeführt wurde er durch ein Münzgesetz im Jahr 1821. Fortan machten 30 dieser Stücke einen Taler, wie auch auf der Vorderseite zu lesen ist. Die neue Rechnungsweise stellte schon einen Schritt in Richtung Dezimalsystem dar, wenngleich weiterhin 12 Pfennige einen Groschen ergaben. Wie der Name sagt, war die Münze aus Silber, allerdings nur zum Teil. Der Feingehalt dieses Exemplars betrug lediglich 220/1.000, das Feingewicht also magere 0,483 Gramm! Eigentlich irreführend. Weil sie nicht nur aus Kupfer bestanden, wurden sie im Gegensatz zu den Kupfergroschen als Silbergroschen bezeichnet. Bis 1873 wurden die silberhaltigen Groschen geprägt. Noch drei weitere Jahre galten sie im Wert eines 10-Pfennig-Stücks als Zahlungsmittel. Da hatten die Sparkassen längst ihre Bücher umgestellt auf Mark und Pfennig.

  • Die Satzung von 1830 ist in einem 1855 eröffneten Sparbuch abgedruckt. : © Historisches Archiv des OSV

Die erste Kreissparkasse …

… im Geschäftsgebiet des Ostdeutschen Sparkassenverbandes wurde bekanntlich am 1. August 1837 in Herzberg (Elster) für den Schweinitzer Kreis eröffnet. Von dieser Gründung ist im Blog bereits anlässlich des 180. Geburtstags der Sparkasse Elbe-Elster berichtet worden. Noch älter ist jedoch eine Kreissparkasse, die einige Jahre zuvor ebenfalls in der preußischen Provinz Sachsen zu wirken begann. Die Rede ist von der Sparkasse für den Schleusinger Kreis, die ihren Sitz in der gleichnamigen Stadt hatte. Am 8. August 1830 beschlossen die Kreisstände die hier abgebildete Satzung, welche am 10. September des Jahres von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt und bestätigt wurde. Die Geschäftsaufnahme soll am 2. Januar 1831 erfolgt sein. Diese Kreissparkasse gilt somit als erste in Deutschland. Wer sich für das Statut dieses geschichtlich bedeutenden Instituts interessiert, kann sich gern an das Historische Archiv des OSV wenden. Abgedruckt ist es zusammen mit Nachträgen von 1843 und 1847 im ältesten Sparbuch des Archivbestands.

  • Claus Friedrich Holtmann, 2011 : © Ostdeutscher Sparkassenverband

„mit Leib und Seele Sparkassenmann“ – Erinnerungen von Claus Friedrich Holtmann

Teil 2

Gestern berichteten wir über Erinnerungen von Weggefährten an Claus Friedrich Holtmann. Im Januar 2013 hatte er Zeit für ein Interview. Wir sprachen mit ihm über die vielen Stationen seines Lebens* und natürlich auch über seine Eindrücke zum turbulenten Jahr 1990 als neuer Prüfungsstellenleiter des Ostdeutschen Sparkassenverbandes.

Herr Holtmann, wie haben Sie Rainer Voigt, den ersten Präsidenten unseres Verbandes, eigentlich kennengelernt und wann kam der Gedanke auf, dass Sie den Aufbau der Prüfungsstelle übernehmen könnten?

Das war im März 1990 in Bonn, am Rande einer Besprechung der Prüfungsstellenleiter im Hotel Poppelsdorf. Dort war die Delegation der DDR untergebracht. Abends kam Helmut Geiger, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), auf mich zu und sagte: „Herr Holtmann, Ihnen traue ich den Aufbau einer Prüfungsstelle beim Sparkassenverband der DDR zu. Sprechen Sie einmal mit dem Herrn Voigt und seinen Kollegen. Und erzählen Sie bitte, was Prüfungswesen bedeutet.“ Daraufhin haben wir vielleicht eine halbe Stunde zusammengesessen und geredet. Wie viel dabei rübergekommen ist oder nicht, kann ich nicht sagen. Auf den Rainer Voigt sind damals viele Dinge eingestürzt.

Und wie ging es dann weiter?

Ich habe Rainer Voigt dann erst am 1. September 1990 in Großburgwedel auf dem 50. Geburtstag von Dietrich Hermann Hoppenstedt, damals Präsident des Niedersächsischen Sparkassenverbandes, wiedergetroffen. Ich war zu der Zeit engster Mitarbeiter auf Wirtschaftsprüferseite bei Hoppenstedt. Dort haben wir uns dann noch einmal miteinander unterhalten.

Welche Rolle spielte der Dachverband?

Dem DSGV war zu der Zeit klar, es wird dringend ein Prüfungsstellenleiter hier im Osten gebraucht. Ich kam zu dieser Zeit gerade von einer langen Englandreise zurück. Geiger rief mich an und fragte: „Würden Sie das machen?“ Ohne Nachzudenken antwortete ich: „Natürlich mach ich das!“

Danach ging alles relativ schnell. Ende September gab es Vertragsverhandlungen. Rainer Voigt kam nach Hannover. Sie dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen: Jemand der in Westdeutschland etabliert war, der hatte damals, wenn er einigermaßen gut war, ja auch eine Chance. Ich hatte zudem eine Rückkehrgenehmigung und damit ein begrenztes berufliches Risiko. Das muss man ganz deutlich sagen. – Ich wäre auch schon im Juni gekommen, aber das habe ich mit meinem Verband in Hannover damals nicht vereinbaren können. Denn dort war ich designierter Prüfungsstellenleiter und man wollte mich nicht gehen lassen.

Rainer Voigt erinnerte sich, dass Sie in einer sehr schwierigen, rechtlich unsicheren Lage die Prüfungsstelle übernommen haben.

Ja, es war tatsächlich so, dass die Bankenaufsicht gesagt hat: „Wenn es euch nicht gelingt, hier innerhalb kürzester Zeit einen Wirtschaftsprüfer zu engagieren, der das Prüfungswesen macht, dann kann man dies nicht mehr als Verband, als Pflichtverband, sehen.“ Also insofern hat Rainer Voigt sicherlich recht mit seiner Aussage.

Voigt und ich hatten übrigens sehr schnell ein gutes Vertrauensverhältnis. Und dadurch, dass ich mich schon immer für strategische Fragen interessiert habe, befasste ich mich relativ schnell auch mit der Strategie unseres Verbandes. Wir erkannten gemeinsam, was man verändern muss. Und wir stellten fest, dass die Lage so aussichtslos nicht ist. Gemeinsam haben wir einige Dinge hinbekommen, mussten aber auch eine ganze Menge Niederlagen einstecken. Denn unter der westdeutschen Überschrift „Wir helfen euch“ gab es 1990 nicht nur wohlmeinende Angebote.

Wie müssen wir uns den Aufbau der Prüfungsstelle vorstellen? Womit haben Sie begonnen?

1990 haben wir uns zuerst die EDV vorgenommen. Das heißt, wir entwickelten unsere Schreibsysteme. – Der Aufbau der Prüfungsstelle hat insgesamt über vier Jahre gedauert. Man war ja umgeben von Schlaubergern. Minister sagten zu mir: „Herr Holtmann, Sie müssen im Prüfen schneller werden.“ Ein Akademieleiter meinte wiederum: „Wissen Sie, wir bilden Ihre Leute in drei Wochen aus, dann kriegen die das Verbandsprüferexamen und dann können Sie loslegen.“ Dass das so nicht umsetzbar war, dass Inhalte dahinterstanden, konnten Sie Außenstehenden nur ganz schwer vermitteln.

Letztendlich führte ich hier vier Jahre lang „einen Tanz auf dem Drahtseil“ auf. Aber ich sorgte dann dafür, dass alle meine Mitarbeiter das westdeutsche Verbandsprüferexamen machen. Wenn ich das mal so sagen darf: Es gab keine Zugabe, keine Zugeständnisse. Ein paar sind auch durch das Examen gefallen. Ich erinnere mich jedoch an einen Kollegen, der hat mit Mitte 50 das Verbandsprüferexamen mit Bravour bestanden. – Unsere Prüfer waren danach natürlich sehr selbstbewusst. Sie hatten jetzt einen guten Abschluss und wir zahlten sofort Westgehälter. Dafür war ich Rainer Voigt dankbar, denn im Verband selbst wurden noch Ostgehälter gezahlt. Wir handelten hier nach dem Prinzip: Wenn ich mir die Leute aus dem Westen einkaufen müsste, wären sie noch teurer als meine eigenen Leute mit einer entsprechenden Ausbildung in der Tasche.

Ich selbst bildete mit Beginn meiner Tätigkeit zwei Jahre lang fast Ort für Ort Innenrevisoren und Hauptbuchhalter in unseren Sparkassen aus. Egal, wo ich später hinkam, begrüßten mich immer auch Mitarbeiter, die bei mir vor Jahren den Fachlehrgang gemacht hatten. Sie bekommen auch etwas zurück, Sie stecken nicht nur rein. Das war schon sehr schön. – Zu Herzen gehende Sätze bekam ich zu hören: In Schwerin tagten wir einmal im Haus des Handwerks, als eine Hauptbuchhalterin – lange, lange pensioniert – zu mir sagte: „Wissen Sie, Herr Holtmann, das ist ja alles ganz merkwürdig. Wenn ich so bilanziert hätte, wie Sie mir das jetzt hier für das Geschäft 1990 sagen, da wäre ich 1989 noch für ins Gefängnis gekommen.“ – Für mich war das so eine Erkenntnis: Sie haben es mit einer zentral geleiteten Planwirtschaft zu tun, die ganz anderen Prinzipien folgt, als ein nach den Prinzipien des Kapitalismus gesteuertes System. Eindrucksvoll, ja, Sie waren 1990 mittendrin in einer Veränderung.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr Ankommen im Osten?

Ich bin am 1.11.1990 hier angekommen, nachdem ich dreizehn Stunden auf der Autobahn zwischen Hannover und Berlin zugebracht hatte. Es war sozusagen ein Stau, der in Hannover anfing und in Berlin aufhörte. Ich kam im Hotel, ein Hochhausgebäude auf dem Alexanderplatz, an und residierte dort im 27. Stock.

Als ich in der Prüfungsstelle in der Otto-Braun-Straße eintraf, richtete man gerade mein Büro ein. Meine Sekretärin war damals auch schon dabei. Wir hatten immerhin drei Telefonanschlüsse. Aber nur für eine Woche. Danach führte der Verband eine zentrale Getränkeverteilung durch und der Status der Prüfungsstelle stellte sich so heraus, dass sie ihren Telefonanschluss verlor. – Allerdings nur für 1 ½ Stunden. Dann ist sozusagen der Blitz dort hineingefahren und dann hatten wir ihn wieder. Nun, das war so die Anfangsphase. –  Eine große deutsche Firma riss die Telefonleitungen später ganz heraus. Weil die das wohl für Quatsch hielt. Das heißt, dann hatten wir gar keine Anschlüsse mehr. Also alles, was man sich so vorstellt, wie der kleine Fritz sich die Deutsche Einheit vorstellt. Bis hin zu der Tatsache, dass wir mit unseren Fragen zum Telefonieren nach Westberlin fahren mussten. – Dann fanden wir jemanden, der eine Standleitung kannte, die zum Bahnhof Alexanderplatz ging und sich dort an das Westnetz anschließen ließ. Mit der Vorwahl 9 konnten wir uns dann sofort vom Büro aus einwählen. Das war eine Leitung, die 1961 gekappt worden war. Ich war überrascht, dass es tatsächlich noch jemanden gab, der davon wusste. Der sagte dann allerdings zu uns: „Ich habe die Leitung für euch, aber ihr müsst mich als Hausmeister einstellen.“ Wir antworteten: „So lange die Leitung hier ist, biste Hausmeister …“ – Also, das ist aber wirklich die Anfangsphase gewesen. Da könnte man viele schöne Geschichten erzählen.

Ja, für einen Wessi war ja vieles neu, nicht. Und ich sag mal, ich bin hierhergekommen, wirklich mit der Vorstellung: Das ist jetzt mein neuer Arbeitsplatz. Vom ersten Tag an habe ich mich über nichts beklagen können. Ich bin von vornherein exzellent behandelt worden, hatte immer den besten Schreibtisch, ein ordentliches und schönes Büro, hatte eine gute Sekretärin, einen ausgezeichneten Fahrer.

Wäre Pendeln für Sie in Frage gekommen? Bleibt man als Führungskraft eigentlich glaubwürdig, wenn man den Wohnsitz im Westen behält?

Das können Sie nicht. Ich habe am 1. November 1990 im Verband angefangen und war ab 1. Januar 1991 in Hohenschönhausen. Allerdings in einer privilegierten Wohnung, weil ich als Einzelperson damals fast 100 Quadratmeter hatte. Die Wohnung war übrigens sehr schön; meine Nachbarn hochinteressant. Es war aber tatsächlich so, dass die Möbelpacker, die mich aus Hannover begleiteten, gefragt haben: „Was haben Sie denn bei Ihrem Verband angestellt, dass man Sie hierher verbannt hat?“ Dazu muss man wissen: Ich wohnte im niedersächsischen Gehrden in einer Eigentumswohnung am Hang mit einem schönen großen Fenster. Doch ich will das Jahr in Hohenschönhausen nicht missen. – Um es kurz zu machen: Ich bin der Auffassung, wenn ich mein Geld hier verdiene, dann gehöre ich hierher. Das heißt also auch, von dem Tag an, an dem die Tinte unter dem Dienstvertrag trocken war, war mir klar, dass dies mein Verband ist. Sie können meines Erachtens so eine Arbeit auch nur leisten, wenn sie wirklich mit Haut und Haaren dabei sind. Sonst geht das eigentlich nicht. – Das soll jetzt aber bitte nicht diejenigen herabsetzen, die es vielleicht anders gemacht haben. Denn ich hatte zu dem Zeitpunkt keine Familie, da war ich etwas freier. Aber anders hätte ich es mir nicht vorstellen können. Das muss ich ganz offen sagen, ja. Es war auch rein physisch gar nicht zu schaffen. Sie dürfen nicht übersehen, ich musste jetzt erst einmal die vielen Menschen kennenlernen. Wir hatten damals 196 Sparkassen. Das war ein nicht ganz einfaches System.

Was war Ihnen als Leiter der Prüfungsstelle besonders wichtig?

Ich war beispielsweise immer dafür, dass wir Menschen von hier ausbilden. Ja, meine Prüfer kamen nicht aus dem Westen. Ich stellte Leute aus dem Osten ein. Das war natürlich für mich ganz schwer zu lernen: Welche Ausbildungseinrichtungen der DDR lieferten welche Professionalität. Dass ein Staat wie die DDR darauf achten musste, dass, sagen wir mal, eine gewisse ideologische Bestrahlung der Studenten stattfand, das war für mich selbstverständlich. Genauso wenig, wie ich als topüberzeugter Kommunist in Westdeutschland irgendwo hätte Oberbürgermeister werden können, hätte ich das auch hier im umgekehrten Fall nicht hingekriegt. Aber die Frage lautete, wie geht man damit um, nicht.

Da gab es einen klugen Satz von Hans-Georg Günther, dem Vizepräsidenten: „Du musst Dir das genau anschauen, denn es gibt Verschlimmerer und Verbesserer.“ Also: Was passiert eigentlich, wenn man einem Menschen Macht gibt? Stecken hinter der „ideologischen Schlagsahne“ Fachleute, oder nicht? Da sind Menschen, die eine supergute Facharbeit gemacht haben und gleichzeitig findet ein Systemwechsel statt. Natürlich müssen Sie sich dann auf der Prüferseite mit dem „Cui bono?“ auseinandersetzen. Denn plötzlich fangen Leute an, andere zu diskreditieren.

Ich hatte mal so einen Fall, dass bei einem sehr verdienten, von mir hoch geschätzten Mitarbeiter irgendjemand kam und mir dessen Hochschulschrift zeigte. Im Glauben, er könne mich dadurch gegen den anderen einnehmen. Denn auf den ersten zehn Seiten wurde der Sozialismus hochgejubelt. Also damals war ich glücklicherweise schon so weit, dass ich wusste, was hier so Standard war und was nicht. Ich las dann die Schrift, die von linearen Gleichungssystemen handelte. Ein sehr schwieriger Komplex der wirtschaftlichen Optimierung. Das fand ich hochinteressant. Also habe ich zu demjenigen hinterher gesagt: „Ich finde es klasse, dass sie mir die Schrift gegeben haben. Ich schätzte den Kollegen zwar schon immer sehr, aber dass der so etwas Gutes kann, habe ich nicht gewusst.“

Verstehe, Sie haben sich über so etwas geärgert. Gab es 1990 noch weitere Dinge, die Sie aufgebracht haben?

Das sind die Systeme. Wissen Sie, es ging ja bis dahin, dass die Wohnungen der DDR schlecht gemacht wurden. Jeder meckerte über die Plattenbauten. Ich habe über zehn Jahre in der Platte gewohnt, erst in Hohenschönhausen, danach in Mitte in einer ehemaligen Regierungsplatte. Das waren dumme Leute, die nicht verstanden haben, dass sie volkswirtschaftliches Vermögen der DDR, das die Menschen ja aufgebaut hatten, im Prinzip kleinreden, ja, dass wir es nur noch abreißen könnten. Anstatt sich einmal Gedanken zu machen, wie man aus diesen städtebaulichen Gegebenheiten etwas kreiert, das noch 15 oder 20 Jahre hält. Es hat mich in der Wendezeit sehr geärgert, wie die Dinge dann kleingeredet wurden von Leuten, die es eigentlich auch nicht verstehen konnten.

Dann die Treuhandanstalt. Wenn Sie damit zu tun hatten und sahen, in welchem Umfang krasser Egoismus und Dilettantismus nebeneinander standen. Das waren Jahre, wo man eben lernen konnte, dass die Wirtschaftssysteme überhaupt nicht kompatibel sind. Mich erinnerte dies alles an meine Studentenzeit. Da hatten wir einmal Kommilitonen aus Brasilien eingeladen und die haben uns dann abends erzählt: „Also eure Sicht auf die deutsche Wirtschaft, die könnt ihr aber vergessen. Wenn eine große deutsche Firma bei uns in den Krankenhäusern zum Beispiel Geräte verkauft, sind die erstens veraltet und zweitens überteuert. Denn die zahlen immer hohe Schmiergelder.“

Als ich dann 1990 in unseren Verband kam, war es fast genauso. Die ersten Schränke wurden beispielsweise überteuert eingekauft. Den Vertreter habe ich dann zu mir gebeten und verdeutlicht: „In Hannover habe ich dieselben Schränke mit 40 Prozent Rabatt bekommen. Ich gehe damit an die Öffentlichkeit, dann verkaufen Sie hier nicht einen einzigen Schrank mehr. Wenn Sie nicht Ihre Angebote in ordentliche Verhältnisse setzen.“ Das bekommen Sie natürlich nur hin, wenn die Erfahrungen vorhanden sind. Rainer Voigt war natürlich sehr erstaunt, als er dann fast den halben Kaufpreis wieder erstattet bekam. Das heißt also: Da wird von Hilfe gesprochen, aber eigentlich geht’s ums Verdienen.

Das waren alles Erlebnisse, die sich dann gegeben haben. Wir veranstalteten Vorstandslehrgänge und andere Dinge, um die Zeit des Umbruchs und der Veränderung zu meistern. Alle Seiten waren dabei betroffen. Wenn Sie als Westdeutscher im Osten bleiben wollten, mussten Sie ganz deutlich wissen und verstehen, wie die Menschen hier ticken. Sie dürfen nicht vergessen, die Menschen hatten ja alle ihre eigene Jugend, ihre eigene Erinnerung. Es wird ja keiner seine eigene Erinnerung einfach so in den Dreck werfen, nicht wahr. Die haben hier studiert, sind zur Schule gegangen, haben ihr Leben gelebt, Kinder gekriegt und so weiter. So musste man im Blick behalten: Man kommt dazu und kann jetzt seinen Beitrag leisten. Eigentlich war es genauso, als wenn Sie als Rheinländer nach Bayern ziehen. Da müssen Sie auch erst einmal gucken und sich Grundelemente des bayerischen Denkens aneignen.

Rainer Voigt bezeichnete Sie als „Mann der ersten Stunde“, der den fachlichen Teil aufbauen half. Sie kamen aus Niedersachsen. Haben Sie die Prüfungsstelle nach diesem Vorbild aufgebaut? Was war das Wichtigste für Sie?

Also das Wichtigste war aus meiner Sicht, dass wir immer wieder Schwerpunkte gesucht haben, in denen die Kollegen sich behaupten konnten. Der Abteilungsleiter Markt ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Er hat angefangen als „Zahlungsverkehrsmensch“. Das war unser größtes Problem, den Zahlungsverkehr hier vernünftig zu organisieren. In den ersten Jahren hatte er wirklich ganz erheblichen Anteil daran, dass das funktionierte. Danach kamen weitere Projekte, die Zukunft hatten. Zu meiner Zeit als Verbandsgeschäftsführer bauten wir zum Beispiel gemeinsam die Internetfiliale auf. Er natürlich immer vorne weg. Das deutschlandweit eingesetzte System des Finanzkonzeptes stammte auch aus unserem Verband, aus demselben Bereich.

Das bedeutet, für mich war es eigentlich immer wichtig, egal ob ich als Prüfungsstellenleiter oder als Verbandsgeschäftsführer hier gearbeitet habe, sicherzustellen, dass die Beschäftigten des Verbandes sich identifizieren können mit ihren Aufgaben. Wo sie auch sagen konnten: „Da habe ich meinen Anteil dran.“

Ich bin zum Beispiel kein guter Teamplayer. Das sage ich ganz deutlich. Aber ich weiß, dass ich Mitarbeiter brauche, die so gut sein müssen, wie’s gerade eben geht. Ich bin der Meinung, dass Sie nicht dauernd Menschen einstellen können, die dümmer sind als Sie selbst. Denn dann werden Sie eines Tages ein richtig dummes Haus haben. Die Führungskräfte sollten im Idealfall über eine Qualifikation verfügen, die sie befähigt, auch als Geschäftsführer arbeiten zu können. Toppositionen sind in einem Verband begrenzt. Aber man muss zusehen, dass in allen Positionen Leute sind, die gut und eigenständig arbeiten. Das hat sich hier im Verband auch bewährt. Denn in Zeiten der Abwesenheit, konnten die Aufgaben auf diese Weise verteilt und gut erledigt werden. Die Stärke unseres Verbandes ist, dass wir unsere Position haben und uns auch nicht zu häufig umorganisierten.

Trotzdem gibt es Veränderungen. Das ist ein natürlicher Vorgang. Da kann man sich jetzt nicht hinstellen und sagen: „Alles wird zementiert.“ Man muss eben verstehen: Sie können nie kopieren. Wenn Sie das tun, werden Sie maximal so gut sein, wie das, was Sie kopieren. Es muss in der Führung auch eine eigenständige Ausrichtung geben. Das Ergebnis mag dann besser oder schlechter sein. Das spielt aber keine Rolle. Das ist dann die Handschrift desjenigen, der vorne steht.

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*Claus Friedrich Holtmann (1949-2013), Lebenslauf, siehe Teil 1 vom 01.11.2020, FN 1

**Quelle: Bestand: Historisches Archiv des OSV, Zeitzeugeninterview mit Claus Friedrich Holtmann am 10. Januar 2013.

  • Claus Friedrich Holtmann auf dem 7. Ostdeutschen Sparkassentag, Potsdam 2011 : © photothek.net/Ostdeutscher Sparkassenverband

  • Feierliche Preisverleihung zur Aktion "Ältestes Sparkassenbuch gesucht", im April 2013; mit einem Präsidenten, der es verstand, "mit besonders liebenswürdigen und mit viel Humor gewürzten Geschichtskenntnissen" aufzuwarten und zu begeistern. : © photothek.net/Ostdeutscher Sparkassenverband

„mit Leib und Seele Sparkassenmann“ – Erinnerungen an Claus Friedrich Holtmann

Teil 1

Heute vor 30 Jahren kam ein Mann zum Sparkassenverband im Osten Deutschlands, der für den Präsidenten Rainer Voigt zu den „Männern und Frauen der ersten Stunde gehörte, die den fachlichen Teil vorangebracht haben.“ Als examinierter Wirtschaftsprüfer sollte er die Prüfungsstelle nach westdeutschem Vorbild aufbauen. Eine herausfordernde Aufgabe. Im Rückblick bezeichnete Voigt es als „Riesenglück“, dass „bei einer absolut unklaren Rechtslage“ im Jahr 1990 eine gestandene Persönlichkeit wie diese dafür gewonnen werden konnte: Claus Friedrich Holtmann.*

Befragt man Kolleginnen und Kollegen, so ist ihnen Holtmann als brillanter Redner und Rhetoriker, ja, als Vordenker und Macher in guter Erinnerung. Erlebnisse mit Holtmann blieben im Gedächtnis. Geschichten gibt es reichlich. Langjährige Prüferinnen und Prüfer erinnern sich sogar noch an ihr „etwas anderes“ Einstellungsgespräch mit dem Leiter der Prüfungsstelle. Er sprach viel, man hörte gern zu. Am Ende setzte er großes Vertrauen in seine Mitarbeiter, auch in die neuen. Fachkompetenz wusste er zu schätzen. Gleichzeitig war er am Menschen interessiert, fragte nach dem Befinden. „Das muss ich noch sagen“, unterstrich ein Weggefährte aus der Anfangszeit, „Holtmann war mit Leib und Seele Sparkassenmann […] und als Prüfungsstellenleiter war er ein großer Verfechter der Hilfe zur Selbsthilfe“ – insbesondere in Bezug auf die ostdeutschen Sparkassen.

Dazu passt ein Erlebnis eines 1993 frisch gebackenen Sparkassenvorstands. Im Mittelpunkt standen Nacharbeiten zur Währungsunion. Aufgrund von Fehlern in der Programmierung gab es noch zu dieser Zeit sogenannte „Aufräumarbeiten“. Holtmann rief gleich am ersten Tag der Amtszeit an und wies darauf hin, dass noch Differenzen in zwei Jahresabschlüssen seien. Der neue Vorstand hätte nun die Verantwortung und für die Richtigstellung Sorge zu tragen. Er wisse auch nicht, wie das sonst bei der Bankenaufsicht begründet werden sollte. – Das war ‘ne Ansage, kaum, dass der alte Direktor nicht mehr zuständig war. – Für mehrere Sparkassenmitarbeiterinnen türmte sich nun ein Berg von Arbeit auf. Erneut durchforsteten sie alle Listen und prüften die bereits „halb verblassten Tippstreifen“, um anschließend Bereinigungen vornehmen zu können. Alles manuell. – Erschwerend kam hinzu, dass die Aufgabe in einem Monat erledigt sein sollte. „Das war Wahnsinn“, erinnerte sich der Sparkassenvorstand. Ständig stand die Frage im Raum: Schaffen wir das? – Doch tatsächlich bekam Holtmann pünktlich die Erfolgsmeldung geliefert: „Ich möchte Ihnen Bericht erstatten: Null Differenz, wir sind durch.“ Die Antwort darauf war typisch für Holtmann: „Etwas anderes habe ich von Ihnen auch nicht erwartet.“ – Lachender Kommentar des Vorstands zu dieser Episode: „So war er. Das war der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit.“

Ein anderer Weggefährte kommt im Rückblick auf die Aufbaujahre zu der Einschätzung: „Ohne den wären wir als Verband untergegangen. Holtmann hat den Sparkassen auch die Reserven angeraten. Er hat Dinge auf den Weg gebracht, die die Sparkassen heute gut dastehen lassen […] Holtmann hat im richtigen Augenblick das Richtige gemacht und war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der Verband wäre ohne ihn nicht der Verband geblieben.“**

Wenn ich an Claus Friedrich Holtmann zurückdenke, dann fällt mir zuerst die Preisverleihung zur Aktion „Ältestes Sparkassenbuch gesucht“ ein. Sie fand im April 2013 in der 19. Etage unseres Verbandsgebäudes in Berlin-Mitte statt. Wir hatten Sparer zu Gast, die seit Jahrzehnten aktiv waren. Das kam nicht alle Tage vor. Holtmann war begeistert und widmete sich jedem einzelnen Preisträger und seiner Geschichte. Selten zuvor hatte ich ihn so gelöst und zugewandt erlebt. Im Nachgang der Feierlichkeiten erreichten uns folgende Zeilen:

Die von Ihrem Präsidenten, Herrn Claus Friedrich Holtmann, vorgenommene Preisverleihung, mit besonders liebenswürdigen und mit viel Humor gewürzten Geschichtskenntnissen (bezogen auf das deutsche Sparkassenwesen), haben meine eigene Einstellung zum Notwendigen der DEUTSCHEN SPARKASSEN erweitert und bestärkt.***

Und Holtmann selbst? Wie hat er seinen Wechsel von West nach Ost 1990 wahrgenommen? Darüber lesen Sie morgen mehr. In unserem 2. Teil lassen wir ihn persönlich zu Wort kommen.

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*Claus Friedrich Holtmann (1949-2013) hinterließ große Spuren im Ostdeutschen Sparkassenverband. Nach dem Abitur 1969 erlernte er in seiner Heimatsparkasse in Krefeld den Beruf des Sparkassenkaufmanns. Anschließend studierte er Betriebswirtschaft an der Universität Münster und wurde nach dem Abschluss Prüfungsassistent beim Sparkassenverband Niedersachsen in Hannover. 1978 legte Holtmann sein Verbandsprüferexamen an der Deutschen Sparkassenakademie in Bonn ab. Drei Jahre später machte er sein Steuerberater-, im Jahr darauf das Wirtschaftsprüferexamen. Seit 1984 arbeitete Holtmann als Stellvertretender Prüfungsstellenleiter beim Sparkassenverband Niedersachsen in Hannover. Am 1. November 1990 übernahm er die Leitung der Prüfungsstelle des Ostdeutschen Sparkassenverbandes in Berlin. Von 1999 bis 2006 wirkte Holtmann als Verbandsgeschäftsführer des Ostdeutschen Sparkassenverbandes. 2007 trat er die Nachfolge des ersten Geschäftsführenden Präsidenten, Rainer Voigt, im einzigen Vier-Länder-Sparkassenverband Deutschlands an.

**Quelle zu den Erinnerungen: Bestand: Historisches Archiv des OSV, div. Zeitzeugengespräche mit Verbands- und Sparkassenmitarbeitern.

***Bestand: Historisches Archiv des OSV, Wanderausstellung und Preisverleihung zur Aktion: „Ältestes Sparkassenbuch gesucht!“, Schreiben eines Preisträgers.