• Blick aus der trockenen Sparkassenfiliale auf den pitschnassen Alexanderplatz; Bestand: Historisches Archiv des OSV

Dixie, Durst und Deutsche Mark

Blogserie, Teil 34

So lautete der Titel einer Veranstaltung des Deutschen Fernsehfunks, welche am Sonntag, den 10. Juni 1990, vor der Hauptstelle der Sparkasse der Stadt Berlin stattfand. Einen Tag bevor die DDR-Bürger ihre Umstellungsanträge abgeben konnten, sollte hier nicht nur über die Formalitäten der Währungsumstellung informiert werden. Live-Musik war angesagt und ein traditionelles Berliner Speisen- und Getränkeangebot geplant. Mit Informationsständen waren an dem Tag die Deutsche Bank, die Post und die staatliche Versicherung, die Sparkassen und die LBS vertreten. Die Volksbank hatte den Termin abgesagt. Lag es an den Wetteraussichten?

Mit der vom Deutschen Sparkassenverlag (DSV) bereitgestellten Dekoration dominierte die Sparkassenorganisation den Platz optisch.* Eine KNAX-Hüpfburg stand bereit. Zahlreiche Sonnenschirme und Banner waren aufgestellt, Wasserbälle aufgeblasen. Auch im Hintergrund strahlte das typische Sparkassenrot. Die Hauptstelle der Ostberliner Sparkasse war bereits mit den neuen Imagesymbolen versehen. Zigtausend Flug- und Faltblätter sowie Prospekte lieferte der DSV. Für die Kleinen gab es 10.000 KNAX-Hefte. Als Werbegeschenke bekamen Kinder auch Baseballmützen, Erwachsene Poloshirts oder Jogginganzüge.** In weit größerer Zahl waren Plastik-Tragetaschen, Kugelschreiber und andere Kleinigkeiten verfügbar.

Im Gebäude hatte die Sparkasse einen telefonischen Beratungsdienst für Anfragen zur Währungsunion eingerichtet. Persönlich kamen trotz des Dauerregens immerhin rund 40.000 Menschen zum Alexanderplatz. Sie holten sich Tipps zur Währungsumstellung und ließen sich das neue Angebot der DDR-Sparkassen, das diese auch mit Unterstützung ihrer westdeutschen Partnersparkassen realisieren konnten, vorstellen. Auch direkt vor Ort gab es eine Zusammenarbeit zwischen Ost und West. So waren etwa Frank Axel, damals Verbandsdirektor der Abteilung Passivgeschäft, Zahlungsverkehr, Wertpapiere beim Sparkassenverband der DDR, und Hans E. Giese, Referatsleiter in der Abteilung Grundsatzfragen beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband, für den Infostand zum Thema Sparkassenbuch und Girokonto zuständig.***

Das Wetter war vor 30 Jahren übrigens so schlecht, das selbst die Treptower Festtage abgesagt werden mussten. Die Sparkässler blieben jedoch standhaft.**** Interessanterweise führte gerade der Regen zu großer öffentlicher Aufmerksamkeit. Es folgten auch deswegen vergleichsweise hohe Einschaltquoten, die eine Werbesendung normalerweise nicht erreichte.***** Der DFF berichtete vom Morgen bis zum Abend insgesamt sechsmal live, sodass 105 Minuten Sendezeit zusammenkamen. Unter anderem wurden Interviews mit den Spitzenvertretern des DDR-Sparkassenverbandes und des DSGV ausgestrahlt. Es war ein erfolgreicher Tag. Die Deutsche Sparkassenzeitung resümierte am 15. Juni auf Seite 4:

„Insgesamt konnte sich die deutsche Sparkassenorganisation den DDR-Bürgern hervorragend präsentieren. Dank der engen Zusammenarbeit zwischen dem sehr rührigen DDR-Sparkassenverband, dem Deutschen Sparkassenverlag, der LBS Münster, den Sparkassen in West- und Ostberlin sowie dem DSGV gelang es deutlich zu machen, daß die Sparkassen der DDR in enger Partnerschaft mit Unterstützung ihrer bundesdeutschen Kollegen für ihre Kunden kompetente Partner in allen Geldangelegenheiten sein werden.“

Fortsetzung am 11.06.2020

———————–

* Weil man davon ausging, dass mit diesem Event eine hohe Öffentlichkeitswirksamkeit in der ganzen DDR erzielbar war, wurden rechtzeitig Vorbereitungen zur Selbstdarstellung der Sparkassenorganisation getroffen. Vgl. Schreiben Sparkassenverband der DDR – Verbandsdirektor der Abteilung Werbung, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit Kurt Löffler an den Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V. – Geschäftsführer Hans-Michael Heitmüller, 31.05.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 102 1/1999

** Vgl. Aufstellung der Werbemittel für die Veranstaltung Dixie, Durst und Deutsche Mark, Anlage 1 zum Vermerk des zuständigen Organisators beim DSGV, Herr Baumgartl, 06.06.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 102 1/1999

*** Vgl. Vermerk des zuständigen Organisators beim DSGV, Herr Baumgartl, 06.06.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 102 1/1999

**** Vgl. Bis auf die DM fiel so ziemlich alles ins Wasser, in: Berliner Zeitung, Nr. 133, 11.06.1990, S. 1

***** Vgl. Schreiben Sparkassenverband der DDR – Verbandsdirektor Kurt Löffler an den Deutschen Sparkassenverlag GmbH, Herrn Lorenz, 09.07.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 102 1/1999

  • Kreishaus des Kreises Teltow und Geschäftshaus der Kreissparkasse Teltow in Berlin-Tiergarten, Viktoriastraße 17-18, 1908; Bestand: Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

  • Kassenhalle mit Lichthof in der Zentrale der Kreissparkasse Teltow in Berlin-Tiergarten, Viktoriastraße 17, 1908; Bestand: Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

  • Geschäftsraum in der Zentrale der Kreissparkasse Teltow in Berlin-Tiergarten, Viktoriastraße 17, 1908; Bestand: Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

  • Sparbuch der Kreissparkasse Teltow mit Zweigstellenverzeichnis, 1925; Bestand: Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

  • Sparbuch der Kreissparkasse Niederbarnim mit Zweigstellenverzeichnis, 1937; Bestand: Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

  • Kundeninformation zum Umzug der Hauptstelle der Kreissparkasse Teltow in die Potsdamer Straße 49, 1939; Bestand: Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

  • Kundeninformation zum Umzug der Hauptstelle der Kreissparkasse Teltow in die Potsdamer Straße 49, 1939; Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

Drei Sparkassen auf Berliner Stadtgebiet

Anfang des 20. Jahrhunderts bestand Berlin im Wesentlichen aus den Stadtteilen Mitte, Tiergarten und Wedding sowie aus einigen Gebieten von Schöneberg und Tempelhof. Umgeben war die Hauptstadt im Norden vom Landkreis Niederbarnim und im Süden vom Landkreis Teltow. Beide Landkreise profitierten bis zum Ersten Weltkrieg von dem schnellen wirtschaftlichen Aufschwung und dem damit verbundenen Bevölkerungsanstiegs Berlins. So wuchsen die an die Hauptstadt angrenzenden beschaulichen Dörfer und Ortschaften zu bevölkerungsreichen Vorstädten heran.

Mit der Bildung Groß-Berlins 1920 wurden in die bisherige Stadtgemeinde Berlin 7 Städte, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke aus den umliegenden Kreisen Niederbarnim, Osthavelland und Teltow eingemeindet. Dabei fusionierten 14 Sparkassen der Vorortgemeinden mit der Sparkasse der Stadt Berlin.

Unangetastet blieb bei dieser Verwaltungsreform der Besitzstand der Sparkassen der Kreise Teltow und Niederbarnim in den nach Berlin eingemeindeten Gebieten. Als eigenständige Sparkassen hielten sie ihren Geschäftsbetrieb auf Berliner Stadtgebiet bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 aufrecht.

Bereits im Kaiserreich hatten beide Kreissparkassen ihren Hauptsitz nach Berlin zu den jeweiligen Kreishäusern, in denen sich die Landratsämter befanden, verlegt. Die Kreissparkasse Teltow war bereits seit 1872 mit der Hauptkasse in Berlin vertreten. Die Ursache dafür waren Missstände im Unternehmen, die dazu führten, dass der Kreiskassenrendant zusätzlich auch zum Rendanten der Kreissparkasse gewählt wurde. Diese Personalunion bedingte die Verlegung ihres Sitzes ins damalige Kreishaus in der Berliner Körnerstraße. Im Jahre 1906 zog die Hauptkasse in ein neuerbautes Geschäftshaus, das sich direkt neben dem Teltower Kreishaus in der Viktoriastraße 17 in Berlin-Tiergarten am Potsdamer Bahnhof befand. Nach der Bildung von Groß-Berlin unterhielt sie neben der Hauptkasse zehn Nebenkassen auf dem Berliner Stadtgebiet, jeweils eine in Friedenau, Köpenick, Mariendorf, Südende, Tempelhof und Zehlendorf sowie jeweils zwei in Lichterfelde und Steglitz. Hinzu kamen zahlreiche Nebenstellen, die von Kaufleuten betreut wurden. 1939 zog die Sparkassenzentrale in die nahegelegene Potsdamer Straße 49 um.

Auch die Kreissparkasse Niederbarnim hatte ihre Hauptstelle in der Hauptstadt, die sich in Berlin-Mitte im Niederbarnimer Kreishaus am Friedrich-Karl-Ufer 5 in der Nähe des Lehrter Bahnhofs befand. Bis zum Kriegsende 1945 waren neben der Hauptstelle insgesamt drei Zweigstellen in Karlshorst, Oberschöneweide und Tegel sowie 13 hauptsächlich von Einzelhändlern betriebene Nebenstellen in Berlin vorhanden.

Auf Befehl des sowjetischen Stadtkommandanten ordnete der Berliner Magistrat nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der sogenannten Ruhens-Anweisung vom 5. Juni 1945 die Schließung aller Banken in Berlin an. Auch die Kreissparkassen Teltow und Niederbarnim blieben geschlossen. Nur die Sparkasse der Stadt Berlin als einziges Berliner Kreditinstitut war von der Ruhens-Anweisung nicht betroffen.

In der sowjetischen Besatzungszone wurden als Nachfolgeinstitute neue Kreissparkassen gegründet. Die neue Kreissparkasse Niederbarnim hatte ihren Sitz in Bernau und die neue Kreissparkasse Teltow in Mahlow.

Nach einer Anweisung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom März 1946 sollten die Forderungen aus den ausgeliehenen Hypotheken, Darlehen und Kontokorrentkrediten der geschlossenen Sparkassen von den neuen Kreissparkassen weiter eingezogen werden. Im Januar 1947 entschied die SMAD, dass die neuen Kreissparkassen für den Forderungseinzug hinsichtlich der ruhenden Kreissparkassen Niederbarnim und Teltow, deren Hauptsitz und Verwaltung auf Berliner Stadtgebiet lagen, nicht mehr zuständig waren.

Im April 1947 wurde die Inkasso-Kommission für die von den in Berlin geschlossenen Banken gewährten Darlehen und Hypotheken errichtet, an die nunmehr auf Anordnung der Alliierten Kommandantur Zins- und Tilgungszahlungen auf Hypotheken und Darlehen zu leisten waren. Im Juni 1949 wurde durch Beschluss der Alliierten Kommandantur die Inkasso-Kommission aufgelöst und der Ausschuss für die ruhenden Berliner Kreditinstitute gegründet. Dieser Ausschuss ermächtigte im August 1949 die ruhenden Berliner Kreditinstitute, ihre Außenstände einschließlich der Hypotheken selbst einzuziehen. Im Januar 1950 übertrug dieser Ausschuss die Verwaltung der geschlossenen Kreissparkassen Teltow und Niederbarnim unter Wahrung der Eigenständigkeit dieser Institute der Sparkasse der Stadt Berlin West.

Aufgrund des kriegsbedingten Verlustes vieler Geschäfts- und Kontounterlagen brachte diese Aufgabe für die West-Berliner Sparkasse erhebliche Herausforderungen mit sich. Die Berliner Zentrale der ruhenden Kreissparkasse Niederbarnim hatte massive Kriegsschäden erlitten und war nicht mehr nutzbar. Nur der Tresor im Gebäude blieb erhalten, der im Oktober 1945 geöffnet wurde. Die darin vorgefundenen Hypothekenbriefe sowie Buchungs- und Kontenunterlagen wurden nach Bernau gebracht und von der neugegründeten Kreissparkasse Niederbarnim übernommen. Um Forderungen von Schuldnern in West-Berlin einziehen zu können, fuhren immer wieder ehemalige Mitarbeiter der ruhenden Kreissparkasse Niederbarnim, die jetzt bei der West-Berliner Sparkasse tätig waren, nach Bernau, um dort benötigte Kontoinformationen zu erhalten.

Die Zentrale der ruhenden Kreissparkasse Teltow war nach Kriegsende geplündert und in Brand gesetzt worden. Die noch vorhandenen Kontounterlagen, darunter die vollständig vorhandenen Unterlagen zu den Hypothekenkonten, kamen nach Mahlow. Das für die ruhende Kreissparkasse tätige Personal wurde im Juni 1947 nach Berlin versetzt und nahm bereits einen großen Teil der benötigen Kontounterlagen mit. Weitere Geschäftsunterlagen wurden 1948 nach Berlin zurückgebracht.

Damit ging in der Nachkriegszeit eine besondere Episode der Berliner Sparkassengeschichte zu Ende: die jahrzehntelange Tätigkeit von drei eigenständigen Sparkassen auf dem Berliner Stadtgebiet.

Klaus-Dieter Marten
Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

Quellen:

  • Bericht zur Altbankenrechnung der Sparkasse des Kreises Niederbarnim (Altsparkasse in Berlin) auf den 1. Januar 1953 (Buchungsstand 31.12.1963), erstellt vom Vorstand der Sparkasse der Stadt Berlin West
  • Bericht zur Altbankenrechnung der Sparkasse des Kreises Teltow (Altsparkasse in Berlin) auf den 1. Januar 1953 (Buchungsstand 31.12.1961), erstellt vom Vorstand der Sparkasse der Stadt Berlin West
  • Boelcke, Willi A.: Die Sparkasseninstitute in der preußischen Provinz Brandenburg bis 1945, in: Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe e. V. Bonn (Hg.): Regionalgeschichte der Sparkassen-Finanzgruppe, Band 1. Stuttgart 2006
  • Petersilie, Erich: Die Sparkasse des Kreises Teltow von 1858 bis 1908, Berlin 1908
  • Satzung für die Sparkasse des Kreises Teltow vom 18. Dezember 1909
  • Satzung für die Sparkasse des Kreises Teltow vom 20. September 1932