• Das Sparkassengesetz schuf den Rechtsrahmen für die Sparkassen, um am 1. Juli 1990 in die Marktwirtschaft zu starten.

Das Sparkassengesetz der DDR

Blogserie, Teil 38

Zum 1. Juli 1990 trat der Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Um unter den veränderten Rahmenbedingungen wirken zu können, bekamen die Sparkassen der DDR eine neue Rechtsgrundlage, an deren Entstehung der DDR-Sparkassenverband großen Anteil hatte. Als Vorlage soll vor allem das Sparkassenrecht Nordrhein-Westfalens gedient haben.* Am 29. Juni beschloss die Volkskammer noch rechtzeitig das Gesetz über den Status und die Organisation der Sparkassen, welches am 1. Juli gültig wurde. Es ersetzte das Statut der DDR-Sparkassen vom 23. Oktober 1975.

Im Sparkassengesetz finden sich wichtige Merkmale eines dezentralen kommunalen Sparkassenwesens. So wurde das Regionalprinzip verankert. Nur im Gebiet ihrer Träger sollten sich Sparkassen geschäftlich betätigen.** Auf die kommunale Verbundenheit legte man großen Wert. Die Sparkassen waren nicht mehr Einrichtungen der Räte der Stadt- und Landkreise und lediglich juristische Personen, sondern als Einrichtungen der Landkreise oder kreisfreien Städte oder der von ihnen gebildeten Zweckverbände rechtsfähige, gemeinnützige Anstalten des öffentlichen Rechts. Sie waren nicht mehr volkseigene Kreditinstitute. Die Sicherheit der Einlagen garantierte nicht mehr der sozialistische Staat. Für alle Verbindlichkeiten hafteten fortan die kommunalen Gewährträger. Sie hatten sicherzustellen, dass ihre Sparkassen ihre Aufgaben erfüllen konnten.*** Der öffentliche Auftrag wurde im DDR-Sparkassengesetz formuliert.

„Die Sparkassen haben die Aufgabe, den Sparsinn der Bevölkerung ihres Geschäftsgebiets zu fördern. Sie geben Gelegenheit, Ersparnisse und andere Gelder sicher und verzinslich anzulegen, dienen der örtlichen Kreditversorgung unter besonderer Berücksichtigung des Mittelstandes, der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise ihres Geschäftsgebiets und der öffentlichen Einrichtungen in ihrem Geschäftsgebiet […]“ ****

Während das Sparkassenstatut von 1975 die Tätigkeit aller Sparkassen im Sinne der Aufgabenverteilung im sozialistischen Bankensystem festschrieb, bot 1990 die im Vollzug des Sparkassengesetzes erlassene Anordnung über den Betrieb und die Geschäfte der ostdeutschen Sparkassen umfangreiche Möglichkeiten.***** Das Gesetz forderte, dass sie ihre Aufgaben nach kaufmännischen Grundsätzen erfüllten und jederzeit zahlungsbereit waren. Festgelegt wurde – man denke an die Liquiditätshaltung bei der DGZ – die Zusammenarbeit mit vom Sparkassenverband für zuständig erklärten Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Sparkassenorganisation. Die Sparkassenanordnung konkretisierte dies. Verfügbare Gelder hatten die Sparkassen „bei der vom Sparkassenverband für zuständig erklärten Girozentrale sowie bei der zuständigen Landeszentralbank anzulegen“. ******

Anstatt eines Direktors war nun ein Vorstand aus mehreren Personen für die Geschäftsführung zuständig. Das Vier-Augen-Prinzip musste gewährleistet sein. Zur Aufsicht und Kontrolle des Wirkens der Sparkasse war nicht mehr der Rat des Kreises, sondern der Verwaltungsrat des Instituts befugt. Die demokratisch gewählte Vertretung des Gewährträgers, etwa der Kreistag, bestimmte den Vorsitzenden ihrer Verwaltung, in dem Fall den Landrat, zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats einer Kreissparkasse und wählte die übrigen Mitglieder.******* Der Verwaltungsrat bestimmte fortan die Richtlinien der Geschäftspolitik. Er durfte auch die Gründung, Auflösung oder Fusionierung kommunaler Sparkassen beschließen.******** Ein drittes Organ der Sparkasse stellte der Kreditausschuss unter Vorsitz des Verwaltungsratsvorsitzenden dar. Dem Ausschuss hatte der Vorstand Darlehen ab einer bestimmten Größe zur Zustimmung vorzulegen.

Die erwähnte Sparkassenanordnung vom 26. Juli 1990 regelte die Zuständigkeiten des Kreditausschusses und des Vorstandes detaillierter. Gleichzeitig wurde eine Mustersatzung erlassen. Es folgte am 29. August als weitere Durchführungsbestimmung zum DDR-Sparkassengesetz die Anordnung über die Verfahrensregelung zur Überleitung der Sparkassen an die Gewährträger. Demnach sollten die gewählten Vertretungen der Gewährträger ihren Sparkassen bis spätestens 1. Oktober eine der Mustersatzung entsprechende Satzung geben. Der Verwaltungsrat war bis zum 1. November zu wählen und der Kreditausschuss bis zum 15. November zu besetzen. Die Stellen der Vorstände waren unverzüglich auszuschreiben, in Ost- und in Westdeutschland.********* Da gesetzmäßig auch Sparkassenbeschäftigte in den Verwaltungsrat gewählt wurden, erfolgte am 29. August eine Anordnung zur diesbezüglichen Wahlordnung.

Das mit dem bundesdeutschen Recht kompatible Sparkassengesetz galt gemäß Einigungsvertrag ab 3. Oktober 1990 zunächst als einheitliches Länderrecht weiter. Es wurde in den folgenden Jahren ersetzt. So bekamen die Mitgliedsländer des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes eigene Sparkassengesetze, der Freistaat Sachsen 1993, Sachsen-Anhalt sowie Mecklenburg-Vorpommern 1994 und Brandenburg 1996. Diese Gesetze waren fast inhaltsgleich. Auch neue Sparkassenverordnungen und Mustersatzungen wurden von den Bundesländern erlassen.

Fortsetzung am 01.07.2020

———————–

* Vgl. Geiger, Walter/ Günther, Hans-Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 124

** Vgl. Gesetz über den Status und die Organisation der Sparkassen (Sparkassengesetz) vom 29. Juni 1990, § 5, in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 40, 12.07.1990, S. 567

*** Die Antstaltslast wurde später modifiziert. Die Gewährträgerhaftung entfiel. Lesen Sie dazu mehr in der Chronik des OSV.

**** Gesetz über den Status und die Organisation der Sparkassen (Sparkassengesetz) vom 29. Juni 1990, § 2 (1), in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 40, 12.07.1990, S. 567

***** So gab es zum Beispiel vielfältigere Möglichkeiten zur Anlage der Sparkassenbestände. Vgl. Anordnung über den Betrieb und die Geschäfte der Sparkassen (Sparkassenanordnung) vom 26. Juli 1990, § 10, in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 56, 30.08.1990, S. 1276

****** Ebd., § 16, S. 1277

******* Sachkundige Bürger waren wählbar. Bis zu zwei Drittel konnten der politischen Vertretung des Gewährträgers angehören. Die Dienstkräfte der Sparkasse wählten ein Drittel der Verwaltungsratsmitglieder als ihre Vertretung.

******** Vgl. Gesetz über den Status und die Organisation der Sparkassen (Sparkassengesetz) vom 29. Juni 1990, § 6 (2), in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 40, 12.07.1990, S. 567

********* Vgl. Anordnung über die Verfahrensregelung zur Überleitung der Sparkassen an die Gewährträger vom 29. August 1990, § 3, in Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 60, 18.09.1990, S. 1475

  • Ade DDR-Mark! Hallo D-Mark! Kuriose Meldungen begleiten das Ankommen der D-Mark in der DDR: Am 28. Juni 1990 wird berichtet, dass das neue Geld in Dresden schon auf der Straße lag. Ein Sack frischgeprägter Münzen plumpste aus einem Geldtransporter. Erstaunte Bürger konnten nun beobachten, wie ein ganzer Konvoi zum Halten kam und bewaffnete Polizisten das Einsammeln absicherten. : © Historisches Archiv des OSV, Ausschnitt aus der Ausstellung Geldgeschichte(n), desingt von F. Fiedler, VISULABOR Berlin

D-Mark-Countdown im Spiegel der Presse

Blogserie, Teil 37

Jeden Tag erhalten unsere Kolleginnen und Kollegen eine Zusammenstellung von wichtigen Presseartikeln rund um die Sparkassenorganisation. Aktuelles aus dem Verbandsgebiet steht dabei im Mittelpunkt. So sind sie stets auf dem neuesten Stand, was Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angeht. Am Puls der Zeit zu bleiben, lautet die Devise. Unerlässlich ist dies gar, will man als Verband mit seinen Beschäftigten die Rolle als Vordenker und Ideengeber ausfüllen.

Was heute gilt, ist vor 30 Jahren nicht anders gewesen. Eine Presseschau informierte auch im Sparkassenverband der DDR regelmäßig über aktuelle, für das Sparkassenwesen bedeutende Entwicklungen.* Der größte Unterschied besteht – abgesehen von einer inzwischen veränderten Medienlandschaft – sicherlich in der Herstellung. Seinerzeit wurde noch früh morgens alles manuell durchgeschaut, Relevantes ausgeschnitten, geklebt, beschriftet, vervielfältigt und per Hauspost verteilt. Dank der Digitalisierung gibt es für diese Arbeiten nun Suchroutinen, spezielle Clipping-Software und elektronische Verteiler.

Eine Woche vor der Währungsunion dreht sich 1990 in der Presse natürlich alles um die D-Mark. Wie auch schon in den Monaten und Wochen zuvor.** Die Bürger der DDR werden jedoch nicht nur mit Informationen, sondern zunehmend mit ermahnenden Ratschlägen und gut gemeinten Tipps überschüttet. Traute man damals niemandem einen besonnenen Umgang mit der harten Währung zu? Dann müssten die Fakten aus tatsächlichem Verhalten, Umfrageergebnissen und Interviews mit DDR-Bürgern nach dem 1. Juli umso überraschender für einige Bedenkenträger gewesen sein.***

Doch schauen wir in die Berichterstattung zum D-Mark-Countdown einfach mal hinein:

Am Montag, dem 25. Juni 1990, berichtet die Presse von einem „großen Ansturm auf DDR-Sparkassen“. Das letzte Wochenende vor der Umstellung wurde noch einmal rege genutzt, um Konten entsprechend anzumelden und sich DM-Auszahlungsquittungen ausstellen zu lassen. Einen Tag später erfahren die Bürger ein Lob von der Deutschen Bundesbank. Denn die durchschnittliche gewünschte Barauszahlung liegt nach dem 1. Juli unter 400 DM und ist damit „niedriger als erwartet“. In einem Interview am selben Tag empfiehlt der Präsident des Unternehmerverbandes der DDR, Rudolf Stadermann, jedem Bürger „nicht in einen Konsumkaufrausch zu fallen, auch wenn der Nachholebedarf riesig ist.“ Lieber solle man sparsam sein, Preise vergleichen und auf Qualität achten.

Damit die Bargeldschecks auch tatsächlich eingelöst werden können, wird im Hintergrund ein  gigantischer logistischer Aufwand betrieben. Die Presse meldet beeindruckende Zahlen: 25 Milliarden D-Mark sind inzwischen aus der Bundesrepublik in der DDR eingetroffen. Allein die Banknoten weisen ein Gewicht von etwa 600 Tonnen auf. Die Münzen wiegen 400 Tonnen. Die Erstaufbewahrung erfolgt im ehemaligen Reichsbank-Tresor in Berlin. Er ist 1990 mit 8.000 Quadratmetern der größte in Europa. 30.000 Bankangestellte und Helfer stünden ab Sonntag 9:00 Uhr für die DM-Auszahlungen bereit. Etwa 10.000 Ausgabestellen würden eingeplant sein.****

Die Regierungen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland schalten kurz vor der Währungsunion großflächige Anzeigen. Gemeinsam informieren und mahnen sie: „Wir bekommen durch den Umtausch Geld in die Hand, mit dem man überall in der Welt bezahlen kann. Wenn in ganz Deutschland dieselbe Währung gilt, tragen wir auch gemeinsam Verantwortung, daß die D-Mark so stabil bleibt wie bisher. Das kommt nicht von selbst, sondern muß durch Leistung gedeckt sein […]“. Passend dazu teilt die „Berliner Allgemeine“ mit, was die D-Mark im Sommerurlaub 1990 wert ist. Ihr Fazit: Der erste Feriensommer mit offenen Grenzen könne gern in Griechenland, in der Türkei oder in Portugal verbracht werden. Aber auch Fernziele, wie die USA oder Kanada, sind attraktiv. Reisende haben mit der D-Mark in diesen Ländern in jedem Fall Kaufkraftvorteile. Einen wichtigen Hinweis gibt es noch für DDR-Bürger: Sie mögen doch in Europa das populärste Reisezahlungsmittel, den „eurocheque“, verwenden – also bequem ohne Bargeld unterwegs sein.

Auch der Ministerrat tagt in der Countdown-Woche zum letzten Mal vor dem „Start in die Union“.  Feinabstimmungen stehen auf dem Programm und Beratungen zu Regelungen des Steuerrechts, Zahlungsverkehrs, Zollgesetzes sowie der Außenwirtschaft. Auf einer anschließenden Pressekonferenz wird den Bürgern für ihr Engagement gedankt. Sie sollen mit „Hoffnung und Zuversicht“ in die nächsten Wochen und Monate blicken. Außerdem werden bisherige Subventionen für Energie, Wohnungen und Verkehr bis Jahresende weiter zugesichert. Den Betrieben werden Zulagen bei Investitionen in Aussicht gestellt, Neugründern eine zweijährige Steuerbefreiung.*****

Einen Tag vor der DM-Auszahlung, am 30. Juni 1990, warnt das Zentrale Kriminalamt die DDR-Bürger bereits vor der Gefahr gefälschter Banknoten und Münzen.  Man solle bei den Banknoten auf Erkennungsmerkmale achten, wie zum Beispiel an das durchscheinende Kopfwasserzeichen im druckfreien Bereich oder den fühlbaren Sicherheitsfaden. Münzen könnten geprüft werden. Echte klingen beim Fallen voll und rein im Gegensatz zu den eher dumpf tönenden Fälschungen.

„Bleiben Sie cool im heißen D-Mark-Sommer“, rät am selben Tag Gerd Warda in der „Berliner Zeitung“ und „Bedenken Sie: Hinter der Fassade des Überflusses geht es um Geld.“ Daher sollten die Bürger erst einmal Festgeld-Anlagen bevorzugen, abwarten, vergleichen und prüfen und bloß nicht „auf den ersten besten Vertreter“ hereinfallen, der vor der Tür stehen werde. Denn auch der wolle „nur eins: Ihr Geld!“

Was der D-Mark-Countdown außerdem mit sich bringt und vielen noch in Erinnerung sein dürfte: gähnend leere Regale. In Berlin wird sogar von einem „dramatischen Tiefpunkt“ der Versorgungslage berichtet. Immerhin kann man vor den Kaufhallen das Nötigste, wie Brot, Milch, Butter oder Kindernahrung, erstehen. Doch die Händler haben keine Wahl. Sie müssen sich auf den neuen Warenbestand und neue Preise ab dem 2. Juli 1990 einstellen. Ganz nebenbei soll auch noch eine Generalinventur gestemmt werden. So stehen stressige 12-Stunden-Tage am DM-Umstellungs-Wochenende nicht nur den Sparkassen bevor, sondern auch dem Handel.******

Fortsetzung am 29.06.2020

———————–

*Aus Kapazitätsgründen stellte der Sparkassenverband der DDR die täglichen Presse-Information noch nicht selbst her, sondern bezog sie über den Verteiler der Pressestelle der Staatsbank der DDR. Später übernahm die Abteilung Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Volkswirtschaft, heute Team Kommunikation, diese Aufgabe im Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband. Seit 2001 gibt es den Pressespiegel des Verbandes als elektronische Variante. Ein BGH-Urteil schuf schließlich die urheberrechtlichen Voraussetzungen, um auch den Mitgliedssparkassen ab Januar 2003 den Pressespiegel nicht mehr in Papierform, sondern serviceorientiert auf elektronischem Wege und damit tagesaktuell zuzusenden. Quellen: Vorstandsinformation Nr. 129/2002, Akte HA-Günther 1/2004.

**So stand zum Beispiel der Sparkassenverband der DDR bereits am 7. Juni 1990 am Service-Telefon des ND für Fragen und Auskünfte rund ums neue Geld zur Verfügung. Leser interessierten sich für zukünftige Überweisungs- und Kontogebühren oder für Sparformen mit gesetzlicher Kündigungsfrist. Viele Fragen betrafen die Modalitäten der Antragstellung zur DM-Umstellung oder auch die Auszahlungsquittungen, die maximal über 2.000 DM ausgestellt werden konnten und für den Zeitraum 1. bis 6. Juli 1990 gültig waren. Gewerbetreibende wollten wissen, ob Wechselgeld ab dem 2. Juli zur Verfügung stehen würde. Ausländische Bürger und ältere Menschen fragten an, wie sie den Umtausch bewerkstelligen sollen. Jedes Thema wurde geduldig und klärend beantwortet, sodass die Presseinformation am nächsten Tag schließlich als praktikable Handreichung genutzt werden konnte. Quellen: Neues Deutschland, Jg. 45, 131. Ausg., 08.06.1990, S. 2.

***Umfrageergebnisse einer Marktanalyse in ca. 1.000 DDR-Haushalten zeigten deutlich, dass DDR-Bürger nach dem 1. Juli 1990 umsichtig und überlegt mit der neuen D-Mark-Situation umgingen. Im Vordergrund standen Sparen, Einkommen und Arbeitsplatzsicherung, Verringerung der Umweltverschmutzung und die eigene Altersvorsorge. Erst danach rückten Konsumwünsche in den Fokus, wobei ein neues Auto und das Reisen zu den Favoriten zählten. Eine Untersuchung des Allensbacher Instituts für Demoskopie bestätigt, wie andere Umfragen zuvor, die Ausgabendisziplin der DDR-Bürger. 1.500 Interviews führten hier zu der Erkenntnis, dass die Ostdeutschen große Kaufwünsche einerseits und eine eiserne Disziplin im Umgang mit Geld andererseits miteinander verbinden. 73 Prozent gaben sogar an, „man sollte sich nichts kaufen, was nicht auch sofort bezahlt werden kann.“ Statistisch gesehen, gab es keinen Westdeutschen der 1990 laut Allensbacher dieser Meinung gewesen wäre. Quellen: Neues Deutschland, Jg. 45, 153. Ausg., 04.07.1990, S. 6.; Berliner Zeitung, 46. Jg., 229. Ausg., 01.10.1990, S. 3.

****Die Deutsche Bank lässt über die Presse am 30. Juni 1990 mitteilen, dass sie bereits ab Mitternacht ihre Geschäftsstelle am Alexanderplatz 6 für DM-Auszahlungen öffnet.

*****ND-Korrespondenten machten sich vor der Währungsumstellung auf den Weg, um direkt vor Ort in Erfahrung zu bringen, wie man sich „auf die harte D-Mark(t)-Zeit vorbereitet“ fühlt. Sie fragten bei Unternehmen in Mecklenburg, im Anhaltinischen und in Sachsen nach. Im Ergebnis hielten sie ein Stimmungsbild fest, was 1990 für das ganze Land zutrifft. Es ist ein Schwanken zwischen Sorge und Optimismus, zwischen Aufbruchstimmung und noch ausstehenden Aufträgen, zwischen Strukturveränderungen, dem Ausbau rentabler Produktionssortimente und einer motivierten Belegschaft einerseits und dem Fehlen gesetzlicher Rahmenbedingungen, mangelnder bzw. widersprüchlicher Informationen staatlicher Stellen, verbunden mit großer Unsicherheit andererseits. Quelle: Neues Deutschland, Jg. 45, 150. Ausg., 30.06.1990, S. 6.

******Quellen: Berliner Allgemeine, Berliner Zeitung, Die Welt, Junge Welt, Neues Deutschland, Neue Zeit, div. Ausgaben vom 25.06. bis 30.06.1990.

  • Mit dem Beschluss der Hauptversammlung endete ein mehrmonatiger Entscheidungsprozess in der bundesdeutschen Sparkassenorganisation. Ein Jahr später war er jedoch hinfällig. : © Historisches Archiv des OSV

  • © Historisches Archiv des OSV

(k)eine einheitliche Zentralbank der ostdeutschen Sparkassen

Blogserie, Teil 36

Wozu brauchten die DDR-Sparkassen eine Zentralbank? Nun, den Sparkassen als regional tätigen Universalkreditinstituten war es aufgrund ihrer Größe vor 30 Jahren nicht möglich, der Kundschaft alle Bankprodukte und Serviceleistungen selbst zu konkurrenzfähigen Bedingungen anzubieten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, war eine Delegierung bestimmter Leistungen und Aufgaben innerhalb des Verbundsystems auf ein überregionales Zentralinstitut notwendig.* Der Sparkassenverband der DDR wollte unbedingt eine einheitliche Zentralbank für alle Mitglieder. Bei seiner ersten Sitzung am 17. April 1990 beschloss der Vorläufige Verbandsrat gemäß Verbandssatzung die Gründung eines Spitzeninstituts der DDR-Sparkassen als ihre Gemeinschaftseinrichtung.**

Man bat den Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) um Unterstützung bei dem Vorhaben. Der Präsidialausschuss und die Verbandsvorsteherkonferenz des DSGV sprachen sich dafür aus, dass der Deutschen Girozentrale – Deutschen Kommunalbank (DGZ) diese Rolle zukommen sollte. Die zentralbankmäßige Betreuung von Sparkassen gehörte aber damals nicht zu ihrem Aufgabenspektrum als Institut auf Bundesebene. Der Verwaltungsrat der DGZ beschloss, dass man zunächst die Liquiditätshalterfunktion und stufenweise weitere Aufgaben übernehmen werde. Das Angebot nahm der Verbandsrat am 14. Juni an. Ihm war klar, dass die Betreuung am Anfang nicht umfassend sein konnte. Daher wurde der vorübergehenden Hilfe durch die westdeutschen Partnersparkassen und deren Landesbanken/Girozentralen zugestimmt.*** Dabei sollte es aber ein einheitliches Vorgehen geben.

„Alle Verbandsmitglieder waren sich darin einig, dass die Sparkassenorganisation der DDR den Wettbewerb mit den westdeutschen Bankkonzernen nur dann erfolgreich meistern kann, wenn sie geschlossen und einheitlich auftritt und nicht ihre Kräfte zersplittert. Aus diesem Grund sind Teillösungen, die nur einzelnen Sparkassen Vorteile verschaffen, abzulehnen. Die Verbandsmitglieder äußerten ihr Befremden darüber, daß auch Verbundeinrichtungen der westdeutschen Sparkassenorganisation versuchen, dieses einheitliche Vorgehen zu stören und einzelne Sparkassen bzw. einzelne Gebiete aus den beschlossenen Konzepten herauszulösen. Das betrifft insbesondere die Datenverarbeitung sowie die Spitzeninstitutslösung. Diese Meinungen werden übereinstimmend vertreten. Unter diesem Aspekt wurde dem vorliegenden Beschluß zur Übertragung der Aufgaben des Spitzeninstituts auf die DGZ einstimmig zugestimmt. Es kam die Erwartung zum Ausdruck, daß die westdeutsche Sparkassenorganisation schnellstmöglich Maßnahmen einleitet und keinen weiteren Zeitverlust zuläßt, um die einheitlich angestrebte Lösung durchsetzen zu helfen. Eine Zersplitterung unserer Kräfte wird sich aus Sicht der Verbandsratsmitglieder auch nachteilig auf die Wettbewerbsinitiativen der gesamten Sparkassenorganisation in Ost und West auswirken.“ ****

Am Vortag hatten sich die Leiter der westdeutschen Girozentralen dafür ausgesprochen, keine einheitliche Sparkassenzentralbank in der DDR aufzubauen, sondern deren Funktionen analog dem regionalen Betreuungskonzept des DSGV selbst auszuüben. Die außerordentliche Hauptversammlung der Deutschen Girozentrale stimmte jedoch am 18. Juni 1990 einer Vorlage des Hessischen Sparkassenverbandes zu. Demnach sollte die DGZ zunächst ab 2. Juli die Liquiditätshalterfunktion und mittelfristig sämtliche Zentralbankfunktionen, wie sie eine westdeutsche Landesbank/Girozentrale für die Sparkassen ihres Zuständigkeitsgebiets wahrnahm, übernehmen. Dazu gehörte auch die Geschäftsbankfunktion im arbeitsteiligen Verbund mit den Sparkassen. Die Gesellschafter der DGZ, also auch die Landesbanken/Girozentralen, verpflichteten sich, „keine auf Dauer angelegten, diesen Beschluß berührenden wettbewerblichen Aktivitäten auf dem Gebiet der heutigen DDR zu entwickeln“. *****

Mit der Entscheidung der Versammlung „wurde ein entscheidender Durchbruch in der Entwicklung einheitlicher Verbundstrukturen für die DDR-Sparkassen neben der LBS erzielt“, schrieb Verbandspräsident Rainer Voigt am 20. Juni.****** Gleichzeitig informierte er die Sparkassen über eine Absprache mit der Deutschen Bundesbank. Aus währungspolitischen Gründen sollten sie ihre flüssigen Mittel vorübergehend weiter, aber marktgemäß verzinst, bei der Staatsbank halten. Am Folgetag kündigte er eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit zwischen der DGZ und den ostdeutschen Sparkassen an. (Bild 1) Am 2. August stimmte der Vorläufige Verbandsrat dem finalen Entwurf für den Kooperationsvertrag zu, den die Sparkassen mit ihrer neuen Zentralbank abschließen konnten.******* In einem Rundschreiben empfahl der Vizepräsident des Verbandes, umgehend zu unterzeichnen und wies eindringlich darauf hin, dass nur die Einbindung aller Sparkassen kostengünstige Leistungen sichern könne. „Verbundeinrichtungen können immer nur dann für alle vorteilhaft arbeiten, wenn sie mit dem vollen Volumen aller Sparkassen arbeiten können.“ ********

Nach dem Ende des Gentlemen’s Agreement hinsichtlich der Einlagen der Sparkassen bei der Staatsbank nahm die Deutsche Girozentrale zum 8. Oktober 1990 die volle Liquiditätshalterfunktion wahr.********* 90 % der Tages- und die Termingelder wurden übergeleitet. Unter anderem konnten die Mitgliedssparkassen Wertpapiere erwerben, welche für sie im Depot A verwahrt und verwaltet wurden. (Bild 2) Einen weiteren Service stellte die Refinanzierung von Kommunalkrediten dar. Für die ERP-Kredite war die DGZ bereits zuständig. Am 30. November 1990 beschloss ihr Verwaltungsrat einen Stufenplan, der zur Jahresmitte 1992 die volle Angebotspalette vorsah. So begann sie zum Beispiel als zentrale Verrechnungsstelle im Zahlungsverkehr zu fungieren und vollzog den täglichen Kontenausgleich ostdeutscher Sparkassen. Zwar schlossen fast alle Mitgliedssparkassen Kooperationsverträge ab. Da jedoch einige der mit der Wiedervereinigung für das Sparkassenwesen zuständigen Bundesländer andere Pläne hatten, scheiterte das Projekt der einheitlichen Sparkassenzentralbank bereits 1991. Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt gingen getrennte Wege.*********

Fortsetzung am 25.06.2020

———————–

* Vgl. Sparkassenverband der DDR: Informationspapier – Zentralbank für die ostdeutschen Sparkassen, Februar 1991; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 82/2004

** Vgl. Sparkassenverband der DDR – Vorläufiger Verbandsrat: Beschluß Nr. 9/90 – Spitzeninstitut der Sparkassen der DDR, 17.04.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 2/2017 1

*** Vgl. Sparkassenverband der DDR – Vorläufiger Verbandsrat: Beschluß Nr. 22/1990 – Zentralinstitut für die Sparkassen der DDR, 14.06.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 2/2017 1

**** Sparkassenverband der DDR – Vorläufiger Verbandsrat: Protokoll der Beratung am 14.06.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA Pötzl 6/2004

***** Beschluß der a.o. Hauptversammlung der DGZ am 18.6.1990 (Abschrift); Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 82/2004

****** Sparkassenverband der DDR – Der Präsident, an die Direktoren der Stadt- und Kreissparkassen und Bezirksgeschäftsstellen, betr. Anlage der freien Mittel, 20.06.1990, S. 3; Bestand: Historisches Archiv des OSV, Rundschreibenbestand

******* Vgl. Sparkassenverband der DDR – Vorläufiger Verbandsrat: Beschluß Nr. 29/90 – Vertrag über die Zusammenarbeit zwischen dem Sparkassenverband der DDR und der Deutschen Girozentrale – Deutschen Kommunalbank, 02.08.1990; Bestand: Historiches Archiv des OSV, HA Pötzl 6/2004

******** Sparkassenverband der DDR – Der Vizepräsident, an alle Direktoren der Stadt- und Kreissparkassen und Direktoren der Bezirksgeschäftsstellen, 07.08.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 82/2004

********* Vgl. Sparkassenverband der DDR – Der Vizepräsident, Rundschreiben Nr. 9/1990, betr. Übernahme der Liquiditätshalterfunktion durch die Deutsche Girozentrale – Deutsche Kommunalbank – Berlin/Frankfurt, 18.09.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV – Rundschreibenbestand

********** Vgl. Geiger, Walter/ Günther, Hans-Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 264 ff.

  • Mit Informationsblättern vom Deutschen Sparkassenverlag konnten sich die Kundinnen und Kunden über die neuen Vordrucke informieren. : © Historisches Archiv des OSV

Alles neu im Zahlungsverkehr – Teil 2

Blogserie, Teil 35.2

Ein wichtiger Schritt in Richtung eines einheitlichen Zahlungsverkehrs-systems beider deutscher Staaten war die Vergabe neuer Bankleitzahlen für die Kreditinstitute der DDR. Diese konnten ab April 1990 bei der Deutschen Bundesbank beantragt werden und galten ab dem Tag der Währungsunion.* Die insgesamt 8-stellige Nummer enthielt in den ersten drei Ziffern den Bankbezirk, in welchem das Geldinstitut seinen Sitz hatte, z. B. 140 für Rostock oder 850 für Dresden. An vierter Position stand die Institutsgruppe, z. B. 5 für Sparkassen. Die letzten vier Stellen waren mit den ersten Ziffern der alten DDR-Kontonummernsystematik identisch.

Des Weiteren wurden Anfang Juni 1990 in der Vereinbarung über die Abwicklung des Zahlungsverkehrs nach der Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zahlreiche Festlegungen getroffen, um die innerdeutschen Zahlungsströme trotz der gegensätzlichen Systeme für die Übergangszeit bis zum 31.12.1991 überhaupt ermöglichen zu können. Grundlage der Vereinbarung war eine schrittweise Anpassung der DDR-Institute an den West-Standard mit möglichst wenig Übergangsrecht, um doppelte Umstellung zu vermeiden.**

Die wichtigsten Regelungen sahen in Kürze so aus: Alle westdeutschen Kreditinstitute sowie die Sparkassen der DDR, welche im Laufe der Übergangszeit auf die neue EDV übergeleitet worden waren, verpflichteten sich, ihre beleghaft aufkommenden Zahlungen für die ESER-Kreditinstitute in Datensätze umzuwandeln.*** Beleglose Zahlungen ließen sich dagegen mittels bestimmter Umsetzungsprogramme weiterverrechnen. Da in den ESER-Datensätzen jedoch nicht alle Informationen abgebildet werden konnten, wie z. B. Auftraggeber, Empfängername und Verwendungszweck, mussten den Empfängerbanken zusätzlich Drucklisten zur Verfügung gestellt werden.

Die Abwicklung von Zahlungsströmen von Ost nach West bzw. vom ESER-System an Kreditinstitute westdeutschen Standards konnte hingegen nur mittels Belegen und Datensätzen westdeutscher Norm erfolgen. Das führte zu einem starken Ansteigen des beleghaften Zahlungsverkehrs, da weder die ESER-Dateien noch die ESER-Belege für eine Weiterverarbeitung nach West-Standard geeignet waren.

Man kann sich vielleicht vorstellen, dass hier der Teufel im Detail steckte. Bei der Umsetzung der Vereinbarungen in die Praxis standen die Sparkassen vor erheblichen Schwierigkeiten, nicht zuletzt deshalb, weil auf sie bislang etwa 65-70 % aller Buchungsposten im Banksystem der DDR entfielen.****

Die schiere Menge an Zahlungsvorgängen nach der Währungsunion, auch hervorgerufen durch den Auftragsaufschub aufgrund des zwischen dem 1. und 8. Juli 1990 ruhenden Zahlungsverkehrs, brachte die Sparkassen an ihre Grenzen. Dazu kamen die Umgewöhnung aller Beteiligten an neue Zahlungsverkehrsabläufe, fehlerhaftes Ausfüllen der neuen Vordrucke durch die Kunden und erhebliche Postlaufzeiten.

Der Unmut der Kundschaft, besonders bei Verzögerungen von Lohn-, Gehalts- und Rentenzahlungen, war sogar Gegenstand der Presseberichterstattung. Firmeninhaber riefen die Belegschaft auf, ihre Gehaltskonten von der Sparkasse abzuziehen. Das Versandhaus Quelle schrieb an den Präsidenten des Sparkassenverbandes der DDR wegen Ausbleibens beträchtlicher Zahlungen von bestellter Ware durch DDR-Bürger. Die Liste ließe sich leicht fortführen … ***** Selbst den damaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel erreichten Beschwerden.

Allein zwischen Juli und September 1990 waren 264 000 fehlerhafte Zahlungen aufgelaufen. Das entsprach einer Fehlerquote von 4,8 %. ****** Diese zu senken und die massenhaft ungeklärten Posten zu korrigieren, war das Anliegen zahlreicher Expertengespräche. Neben Personal-aufstockungen wurden weitere Maßnahmen ergriffen, wie z. B. das Einrichten eines eigenen Kurierdienstes für den schnellen Belegtransport oder die Integration der ostdeutschen Sparkassen in das Clearing-System, und damit in den Verbund der Datenfernübertragung der gesamten Sparkassenorganisation.

Nach und nach zeigten die Maßnahmen Wirkung. Im dritten Quartal 1991 gelang es, die langen Laufzeiten der Zahlungsvorgänge auf das bei deutschen Kreditinstituten übliche Maß zu verringern.*******

Fortsetzung am 21.06.2020

———————–

* Die Zusammensetzung der zukünftigen Bankleitzahlen wurde zwischen der Staatsbank der DDR und der Deutschen Bundesbank vereinbart. Sie garantierte eine Konvertierung von alt in neu bzw. von neu in alt. Vgl. Schreiben des Sparkassenverbandes der DDR an die Direktoren der Bezirksgeschäftsstellen des Sparkassenverbandes der DDR vom 23.04.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV – Rundschreibenbestand

** Vgl. Schreiben des Sparkassenverbandes der DDR an die Direktoren der Bezirksgeschäftsstellen und die Direktoren der Sparkassen vom 15.06.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV – Rundschreibenbestand

*** Zur Erinnerung: Der Zahlungsverkehr in der DDR war seit 1972 zu 100 % beleglos. Ausgenommen von der Verpflichtung waren Eilüberweisungen der Bundesbank, Platzüberweisungen und Schecks.

**** Geiger, Walter/ Günther, Hans-Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 223

***** Vgl. Schreiben des Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Oranienburg an den Präsidenten des OSGV vom 2. Januar 1991 zum Stahlwerk Hennigsdorf sowie Schreiben des Großversandhaus Quelle an den Präsidenten des Sparkassenverbandes der DDR Rainer Voigt vom 6. August 1990 wegen nicht eingegangener Zahlungen, Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAP-E 698, HAP-E 699

****** Vgl. Geiger, Walter/ Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 225

******* Jahresbericht 1990/1991. Hrsg. v. Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband, Berlin, 1992, S. 22

  • Der Vergleich zwischen deutschen Bundesstaaten zeigt: In Sachsen waren viele Sparkassen größerer und mittlerer Städte finanzstark genug, um Darlehen an Kunden aus Industrie und Handel zu geben. So standen beispielsweise 1906 Hypothekendarlehen im Umfang von etwa 1,24 Millionen Mark auf insgesamt 101.672 Posten aus.* : © Akte 1879-1934, Historisches Archiv des OSV

Industriefinanzierungen mit Hypothekendarlehen

Wie die Sparkassen früher die Wirtschaft förderten

Sparkassen wurden gegründet, um Menschen aus eher ärmeren Verhältnissen eine sichere und verzinsliche Geldanlagemöglichkeit zu bieten und dadurch viele von ihnen überhaupt erst zum Sparen zu animieren. Diese Feststellung ist unumstritten. Doch was machten die deutschen Sparkassen im Zeitalter der Industrialisierung mit dem eingenommenen Geld?

Die Antwort fällt je nach betrachteter Region und Epoche etwas unterschiedlich aus. Teilweise wurden Staatsanleihen und Pfandbriefe gekauft. Häufig gab man das Geld auch zur Finanzierung kommunaler Aufgaben und Projekte an öffentliche Kassen ab oder seltener auch zur Refinanzierung von Pfandleihhäusern. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war jedoch in praktisch allen deutschen Bundesstaaten die Vergabe von Hypothekendarlehen die dominierende Form der Kapitalanlage. Dies geht aus damals veröffentlichten Statistiken hervor.

Hypothekendarlehen werden üblicherweise als Mittel zur Wohnraumfinanzierung interpretiert. Denn wer heute seinen Traum vom Eigenheim verwirklicht, nutzt meist Darlehen mit hypothekarischer Besicherung beziehungsweise die moderne Variante einer Grundschuld auf die Immobilie. Es bestehen zwar vereinzelte Hinweise in der Literatur über den kommerziellen Einsatz von Hypothekendarlehen vor dem Ersten Weltkrieg, insbesondere von den Sparkassen in Düsseldorf und Saarbrücken. Doch diese Erkenntnis setzte sich in der Wissenschaft nicht durch. Dabei sah der Gesetzgeber nie Einschränkungen in der Verwendung vor.  Der Begriff Hypothekendarlehen beschreibt grundsätzlich nur die Form der Sicherheit, jedoch nicht die Nutzung.

Hieraus ergeben sich spannende Fragen: Wofür wurden die Darlehen damals wirklich verwendet und wer gehörte zu den Kreditkunden? Sie sind nicht nur aus dem Blickwinkel der Sparkassengeschichte interessant, sondern auch aus der Perspektive der allgemeinen Wirtschaftsgeschichte. In dem betrachteten Zeitraum entwickelte sich Deutschland nämlich zu einem modernen Industriestaat. Wer ein Unternehmen gründen wollte, brauchte meistens Kapital. Doch eine Finanzierung über Geschäftsbanken oder die Börse kam nur für die größeren Firmen infrage und vermutlich kaum für den gewerblichen Mittelstand. Schlossen Sparkassen diese Lücke?

Licht in dieses Dunkel zu bringen war das Ziel einer breit angelegten Untersuchung, die kürzlich in Buchform erschienen ist. Die Auswertung von mehr als 10.000 Darlehensfällen von elf Sparkassen aus dem ehemaligen Königreich Württemberg im Zeitraum 1846 bis 1913 brachte dabei Überraschendes zutage. Hypothekendarlehen dienten zwar durchaus zur Eigenheimfinanzierung. Doch dies betraf nur einen kleinen Teil des Kreditgeschäftes. Viel wichtiger war die Nutzung für landwirtschaftliche und gewerbliche Investitionen. Sogar kleine und mittelgroße Industriebetriebe von Eisengießereien über Werkzeugmaschinenhersteller und Möbelfabriken bis hin zu Brauereien nutzten Hypothekendarlehen.

Am häufigsten kamen größere gewerbliche Finanzierungen ab Mitte der 1890er Jahre vor, nachdem die Sparkassen über Jahrzehnte zu nicht unbedeutenden Geldhäusern herangewachsen waren. Die Möglichkeit zu umfassenden Darlehensvergaben hing nämlich in erster Linie von den Mittelrückflüssen aus dem bestehenden Kreditgeschäft ab, also den Zinszahlungen und Tilgungen. Auch der Zuwachs der Spareinlagen spielte eine Rolle. Für die Finanzierung von richtig großen Unternehmen war die Finanzkraft der untersuchten Sparkassen aber nicht ausreichend. Und manches kleine Institut vergab vor dem Ersten Weltkrieg überhaupt keine Darlehen an Firmen.

Doch allgemein dürften die Sparkassen für die mittelständische Wirtschaft, das Handwerk, den Einzelhandel und die Landwirtschaft schon damals wichtige Finanzierungspartner gewesen sein. Sie nutzten sogar Notenbankkredite zur Kapitalbeschaffung, um in Krisenzeiten einer Kreditklemme vorzubeugen.

Natürlich können die Erkenntnisse über das Kreditgeschäft im kleinen Württemberg nicht für ganz Deutschland verallgemeinert werden. Doch die Untersuchungen zeigen, wie durch eine strukturierte Herangehensweise die Kreditpolitik der Sparkassen sichtbar gemacht werden kann, und wie sich durch geeignete Vergleiche auch dort Erkenntnisse über das Darlehensgeschäft erzielen lassen, wo das Quellenmaterial in den Archiven an sich wenig aussagekräftig ist.

Für nähere Einsichten über andere Regionen sind weitere Forschungen erforderlich, zum Beispiel auch im Rahmen von Festschriften, Chroniken oder Fallstudien. Dem Kreditgeschäft der Sparkassen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, lohnt sich in jedem Fall.

Thorsten Proettel

Autor des Buches: Die Stellung der Sparkassen im Markt für gewerbliche Finanzierungen. Untersuchungen über das Kreditgeschäft der Sparkassen während der Industrialisierung. Jan Thorbecke Verlag, 2020. 435 S.

*Angaben aus dem o. g. Werk, Kapitel 13: Die Sparkassen in den größeren deutschen Bundesstaaten, Königreich Sachsen, S. 354.

  • neue Vordrucke im Zahlungsverkehr

    Ab Juli 1990 mussten sich die Sparkassenkunden und auch die Sparkassenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter an zahlreiche neue Vordrucke im Zahlungsverkehr gewöhnen. : © Historisches Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes

  • In der Anlage (Auszug) der Vereinbarung über die Abwicklung des Zahlungsverkehrs nach der Währungsunion werden insegsamt 20 einzelne Regelungen aufgeführt. : © Historisches Archiv des OSV

Alles neu im Zahlungsverkehr – Teil 1

Blogserie, Teil 35.1

Die Unterschiede zwischen den Zahlungsverkehrssystemen beider deutscher Staaten hätten vermutlich nicht größer sein können. Sowohl in technisch-organisatorischer als auch in rechtlicher Hinsicht trafen hier zwei Welten aufeinander.

In der DDR wurde der Zahlungsverkehr aller Banken mit einem einzigen EDV-System namens ESER* abgewickelt. Dafür gab es in jeder Bezirkshauptstadt gemeinsame EDV-Stationen mit einheitlichen Buchungs- und Verrechnungsprogrammen. Die Verrechnung zwischen den Instituten erfolgte einzig und allein durch die Staatsbank, bei der jedes Kreditinstitut ein Konto zu führen hatte. Eine weitere Besonderheit war das Kontonummernsystem, das ebenfalls für alle Banken galt. Die sieben- bis maximal zwölfstellige Zahlenreihe vereinte Kontonummer, Bankleitzahl und Art des geführten Kontos in sich.

Täglich waren in der DDR insgesamt etwa 4 Millionen Verrechnungsposten zu bewältigen, welche seit Anfang der 1970er Jahre zu 100% beleglos vollzogen wurden.** Jeder vom Kunden papierhaft eingereichte Scheck oder Überweisungsträger wurde vor Ort bei der Sparkasse sofort in einen Datensatz umgewandelt, per Fernschreiber an die zuständige EDV-Station weitergeleitet und dort verarbeitet.

Im Binnensystem der DDR funktionierte der zentral gesteuerte und effiziente bargeldlose Zahlungsverkehr ausgezeichnet. Demgegenüber stand die geradezu schillernde Vielfalt des Zahlungssystems der Bundesrepublik.*** Es gab allein sieben verschiedene Gironetze mit ihren jeweiligen Clearingstellen, also Verrechnungsstellen gegenseitiger Forderungen. Selbst in der in sich geschlossenen Sparkassenorganisation konnte von einer einheitlichen Datenverarbeitung keine Rede sein. Sämtliche Technik und Verfahren der Zahlungsverkehrsabwicklung mussten durch ausgehandelte Abkommen, Vereinbarungen, Richtlinien o. ä. geregelt werden.****

Ein weiterer großer Unterschied war die automatische Belegbearbeitung bei den westdeutschen Instituten. Im Gegensatz zur vollständigen Beleglosigkeit im ESER-System der DDR wurden hier automationsfähige Zahlungsverkehrsbelege für Lastschriften, Überweisungen und Schecks maschinell erfasst; ermöglicht durch einen einheitlichen Codierzeilenaufbau und eine einheitliche Maschinenschrift. Die Belege leitete man dann bis zum Empfängerinstitut durch.

Allen Fachleuten war schon frühzeitig klar, daß sich mit der Einführung der D-Mark am 1. Juli 1990 neue Zahlungsströme entwickeln würden und daß das bisherige Zahlungsverkehrssystem sich den bundesdeutschen Gegebenheiten anzupassen hatte.*****

Denn das Zahlungsverkehrssystem der DDR ließ sich nicht mit den Anforderungen der Marktwirtschaft vereinbaren. Durch seine Beschränkungen behinderte es den Wettbewerb und den Aufbau eines vielfältigen, individuellen Dienstleistungsangebotes der einzelnen Kreditinstitute.

Im Vorfeld der Währungsunion wurden die Fragen des Zahlungsverkehrs in den Ausschüssen des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) und in den Gremien der Spitzenverbände des Kreditgewerbes – West und Ost – diskutiert. Am 12. Juni 1990 unterzeichnete dann der Präsident des Sparkassenverbandes der DDR, Rainer Voigt, die Vereinbarung über die Abwicklung des Zahlungsverkehrs nach der Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Diese Vereinbarung wurde ab dem 1. Juli 1990 wirksam und regelte für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 1991 die rechtlichen und organisatorischen Belange der innerdeutschen Zahlungsverkehrsvorgänge. Neben einer Präambel, Grundsätzen und Einzelregelungen ist im Anhang eine Auflistung von 20 verschiedenen den Zahlungsverkehr betreffenden Vereinbarungen, Abkommen, Richtlinien und Absprachen enthalten.******

Fortsetzung am 16.06.2020

———————–

* ESER = einheitliches System elektronischer Rechentechnik

** Vgl. Geiger, Walter/ Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 218

*** Hergersberg, Johannes: Bargeldloser Zahlungsverkehr mit der DDR. In: Sparkasse, Nr. 7/90, S. 300

**** Vgl. ebd.

***** Geiger, Walter/ Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 220

****** Vgl. Schreiben des Sparkassenverbandes der DDR an die Direktoren der Bezirksgeschäftsstellen und die Direktoren der Sparkassen vom 15.06.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV – Rundschreibenbestand