Die Entwicklung der Sparkassen von einfachen Sparanstalten zu
Universalkreditinstituten zog sich lange hin. Ein Meilenstein auf diesem Weg
war ein preußischer Ministerialerlass, der am 15. April vor einhundert Jahren
veröffentlicht wurde.
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
beschränkte sich das Sparkassengeschäft weitgehend auf die Annahme von
Spareinlagen und die Ausgabe von Hypothekenkrediten. Die zunehmenden
Fortschritte in Wirtschaft, Gesellschaft und Technik ließen jedoch auch die
Ansprüche der Kunden wachsen. Im ersten Jahrzehnt nach der Jahrhundertwende
konnten die Sparkassen den Depositen- und Kontokorrentverkehr und insbesondere
den bargeldlosen Zahlungsverkehr einführen. Ausgehend von Sachsen bauten sie seit
1909 ein reichsweites Überweisungsnetz auf. Weitere Geschäftsfelder kamen im
Ersten Weltkrieg hinzu: Die Sparkassen durften nun auch Wertpapiere an ihre
privaten Kunden verkaufen und diese Wertpapiere für sie in Depots verwahren und
verwalten. Damit war die „bankmäßige“ Entwicklung der Sparkassen eingeleitet.
Nach dem Kriegsende bedrohte eine
immer spürbar werdende Geldentwertung die Hauptgeschäftsfelder der Sparkassen,
das langfristige Einlagen- und Kreditgeschäft. Trotz der neuen
Geschäftsmöglichkeiten ging die Rentabilität der Institute erheblich zurück.
Viele kommunale Träger kamen deshalb auf den Gedanken, zusätzlich zu ihren
Sparkassen Stadt- und Kreisbanken zu gründen. Diese Kommunalbanken unterlagen
nicht den Bestimmungen der Sparkassengesetze und konnten alle Bankgeschäfte betreiben.
Die Aufsichtsbehörden der Länder
betrachteten diese Entwicklung mit Argusaugen, weil die Kommunen damit
unerwünschte Risiken eingingen. Als erste wurde das preußische Innenministerium
aktiv. Am 15. April 1921 publizierte es einen Erlass über „Die Errichtung von Kommunalbanken durch
Gemeinden und Gemeindeverbände“*. Darin ging das Ministerium das Problem von zwei Seiten an: Zum einem drängte
es die Kommunen dazu, ihre neuen Banken rechtlich zu verselbständigen und in haftungsrechtlich
adäquate Gesellschaftsformen wie die Aktiengesellschaft und die GmbH zu
überführen. Zum anderem weitete es die Geschäftskompetenzen der Sparkassen
nochmals aus. So wurden insbesondere noch bestehende Höchstgrenzen für Depositen- und Kontokorrenteinlagen abgeschafft und den
Sparkassen „sonstige bankmäßige Geschäfte“ widerruflich gestattet.
Völlige Freiheit bedeutete das
allerdings nicht, denn der Erlass stellte klar: „Ausgeschlossen müssen naturgemäß alle
Geschäfte bleiben, die mit der ursprünglichen Aufgabe der Sparkassen, den
Sparsinn zu fördern und als öffentliche Kredit-Institute zu dienen, unvereinbar
sind, oder die die Sicherheit der Einlagen gefährden, oder endlich die der
Stellung von Gemeinden und Gemeindeverbänden im öffentlichen Leben und der
durch ihre geschichtliche Entwicklung gegründeten Vertrauensstellung der
öffentlichen Sparkassen nicht entsprechen.“**
Andere deutsche Länder zogen mit
teilweise erheblicher Verzögerung nach. So schufen Bayern und Baden erst im
April bzw. Juni 1923 die rechtlichen Grundlagen für die volle bankmäßige Betätigung
der Sparkassen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Geldentwertung
in Deutschland bereits dramatisch beschleunigt. Befreit aus dem engen Korsett
ihres bisherigen Geschäftsrechts, waren die Sparkassen jedoch in der Lage die existenzbedrohende
Phase der Hyperinflation einigermaßen glimpflich zu überstehen. Nach der im
Herbst 1923 eingeleiteten Währungsreform stabilisierten sie sich erstaunlich
schnell wieder.
Private und genossenschaftliche Wettbewerber bemühten sich zwar in den folgenden Jahren darum, dass die bankmäßige Betätigung der Sparkassen wieder rückgängig gemacht werden. Aber auch dank der Gründung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes 1924 konnte die Sparkassenorganisation diese Attacken erfolgreich abwehren. Das Reichskreditwesengesetz bestätigte 1934 die Stellung der Sparkassen endgültig: Als Kreditinstitute waren sie den Banken grundsätzlich gleichgestellt.
Dr. Thorsten Wehber, Sparkassenhistorischen Dokumentationszentrum des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes
* Ministerial-Blatt für die Preußische innere Verwaltung, Jg. 82 (1921), Seite 128 – 132.
** Ebd, S. 130.
Literatur:
Günter Ashauer: Von der Ersparungscasse zur Sparkassen-Finanzgruppe. Stuttgart 1991.
Hans Pohl/Bernd Rudolph/Günther Schulz: Wirtschafts- und Sozialgeschichte der deutschen Sparkassen im 20. Jahrhundert. Stuttgart 2005.
Dieser Beitrag wurde ebenfalls in der SparkassenZeitung veröffentlicht.