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Die erste Verbandssatzung

Blogserie, Teil 25

Am 25. April 1990 wird im Gesetzblatt der DDR die „Satzung des Sparkassenverbandes der DDR“ veröffentlicht. Sie war ein Monat zuvor auf der Gründungsversammlung nach kurzer Diskussion einstimmig angenommen worden. Eine intensive Erarbeitungsphase ging diesem einvernehmlichen Ergebnis voraus.

Ein genauerer Blick auf das Werk lohnt sich, denn es bildet in einer besonderen Übergangszeit die verbindliche Basis* für ein produktives Wirken der ostdeutschen Sparkassenorganisation. Gleichzeitig steht die Satzung für zukünftiges, selbstbestimmtes Handeln. Interessant, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, ist ohne Zweifel die Mischung aus bisher bekannten Strukturen und neuen Elementen in Anlehnung an die westdeutsche Sparkassenorganisation. Nicht zuletzt stellt diese Satzung einen Meilenstein dar, der im Rückblick zeigt, wie intensiv die Zeiten des Auf- und Umbruchs nach dem 9. November 1989 waren:

Wenn man sich der Abläufe zur Vorbereitung und Gründung des Sparkassenverbandes der DDR im Nachhinein erinnert, erscheint es fast unglaublich, daß man von den ersten Vorstellungen an, in weniger als drei Monaten einen Verband mit seiner Satzung etablieren konnte.**

Die Satzung selbst ist in sieben thematische Abschnitte mit insgesamt 13 Paragrafen gegliedert. Sie beginnt mit der rechtlichen Stellung und dem Verbandssitz in Abschnitt I, zeigt Aufgaben, Befugnisse und Organisation in II und III auf, befasst sich schließlich mit der Leitung und Vertretung in IV sowie mit Einrichtungen in V und endet mit den Kapiteln Revision und Finanzen in VI bzw. VII.

Einige wesentliche Regelungen sollen näher betrachtet werden:

So definiert § 1 Absatz 1 den Verband als „juristische Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin, der Hauptstadt der DDR“. Absatz 2 konkretisiert ihn als „Zusammenschluß der Sparkassen der DDR, die entsprechend dem Statut der Sparkassen Einrichtungen der Räte der Stadtkreise bzw. Landkreise sowie des Magistrats von Berlin sind“.

Die Aufgaben und Befugnisse des Verbandes fasst Abschnitt II, § 2 zusammen. Sie waren im Vorfeld durchaus umstritten, denn einige Sparkassenleiter wollten weniger „Zentralismus“. Grundlegend ist – und das gilt bis heute – dass der Verband als „Interessenvertreter der Sparkassen“ auftritt sowie die Sparkassenarbeit „durch Beratung, Information, Unterstützung sowie Organisierung von Betriebsvergleichen und Erfahrungsaustausch“ fördert. Darüber hinaus ist er berechtigt, „verbindliche Regelungen zu treffen, soweit diese für die Lösung der Aufgaben einheitlich notwendig sind“, und Gemeinschaftsunternehmen einzurichten, „die der Förderung der Sparkassen dienen“. Auch Verträge und Vereinbarungen kann der Sparkassenverband für alle verbindlich abschießen.

Zwei Aufgaben werden in § 2 genannt, die in Zusammenhang mit Abschnitt V „Einrichtungen des Verbandes“, § 9 stehen. Denn die Förderung der Aus- und Weiterbildung sowie die Verantwortung für die Prüfung der Mitgliedssparkassen legen den Grundstein für den Aufbau einer Prüfungsstelle und der Ostdeutschen Sparkassenakademie im Rahmen der Verbandsarbeit.

Eine wichtige Befugnis für alle Sparkassenbeschäftigten ist in § 2 Absatz 9 aufgeführt. Sie besagt, dass der Verband als Tarifpartner für seine Mitgliedssparkassen gegenüber der zuständigen Gewerkschaft fungiert. Dies bedeutet nichts weniger als ein weiterer Schritt in Richtung Loslösung von der Staatsbank und den planwirtschaftlichen Lohnvorgaben. Die Satzung ermöglicht den Verantwortlichen die schnelle und selbständige Aufnahme von Verhandlungen über dringend erforderliche Erhöhungen der Ist-Gehälter.***

Abschnitt III legt die Organisation auf Republik- und Bezirksebene fest. Der Verbandstag, welcher der Mitgliederversammlung westdeutscher Sparkassenverbände entspricht, gilt als höchstes Organ auf Republikebene. In § 4 werden seine weitreichenden Zuständigkeiten näher erläutert. Er „berät und beschließt über die Grundfragen der Sparkassenarbeit“ sowie über alle Angelegenheiten, die der Verbandsrat vorlegt. Darüber hinaus wählt er den Präsidenten und seine beiden Stellvertreter, kann über deren Abwahl und sogar über „die Auflösung des Verbandes mit einer Mehrheit von drei Viertel der Stimmen der anwesenden Stimmberechtigten“ Beschlüsse fassen.

Auf Bezirksebene arbeiten Mitgliederversammlung und Beirat, die sich insbesondere mit regionalspezifischen Fragen auseinandersetzen. Je Bezirk gibt es eine Bezirksgeschäftsstelle mit einem Direktor. „Der Präsident ist gegenüber den Direktoren der Bezirksgeschäftsstellen weisungsberechtigt“, so die Festlegung in Abschnitt IV, § 8, Absatz 2. Diese Struktur orientiert sich im Wesentlichen am bisherigen Aufbau des Sparkassenwesens in der DDR. Das heißt, die ehemalige Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR wird zur Hauptgeschäftsstelle und die Bezirksstellen der Staatsbank der DDR werden zu Bezirksgeschäftsstellen. Beide Einheiten zusammen ergeben laut Abschnitt V, § 10 die Geschäftsstelle des Verbandes, die vom Präsidenten geleitet wird.

Noch gibt es keine Länderstruktur, ist das alte Statut der Sparkassen der DDR gültig, stehen die ersten freien Kommunalwahlen aus und so fort, sodass ein Kompromiss zwischen „Alt“ und „Neu“ in der ersten Satzung die einzige Möglichkeit ist, um in dieser Übergangszeit arbeitsfähig zu sein. Doch die Dynamik, mit der sich die damaligen Verhältnisse von Monat zu Monat ändern, führt schließlich dazu, dass diese Fassung nicht lange Bestand hat. Als Zeitzeuge stellt Hans-Georg Günther Jahre später fest:

[…] die politischen Entwicklungen zur Einheit Deutschlands verliefen weitaus schneller, als allgemein erwartet werden konnte.****

Insbesondere die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen durch den Einigungsvertrag wirken sich ab Herbst 1990 erheblich auf den  Sparkassenverband und seine Satzung aus. Es beginnt der Kampf um die Existenz …

Fortsetzung am 26.04.2020

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*“Über die Satzung äußern sich die Gesellschafter, also die Eigentümer, verbindlich zu ihren Vorstellungen, wie sie sich die Verfassung ihrer Gesellschaft vorstellen und in deren Rahmen sie selbst innerhalb der Gesellschaft handeln wollen bzw. wie sie wünschen, dass andere Organe […] handeln sollen. Aufgaben, Struktur, Arbeitsweise etc. ihrer Gesellschaft werden also durch sie geprägt.“; Mändle, Eduard: Satzung, in Gabler-Wirtschaftslexikon online, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/satzung-46124.

**Hans-Georg Günther in seinem Entwurf zum Buch über die Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995; gleichzeitig schreibt er, dass der Prozess „ohne die ständige intensive Hilfe des DSGV vor Ort“ weitaus schwieriger gewesen wäre; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-Günther 1/2004.

***Erste Tarifabschlüsse mit spürbaren Lohnerhöhungen erfolgen bereits im Juni 1990; Geiger, Walter ; Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart 1998, S. 194.

****Ebd., S. 66.

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