• In unserer Wanderausstellung „Ein Buch weckt Erinnerungen“ finden sich viele persönliche Geschichten, wie die von Elsa (rechts im Bild) und ihrem Mann Fritz, der im Zweiten Weltkrieg sein Leben ließ. : © Historisches Archiv des OSV

„Wenn Du diese Zeilen in den Händen halten wirst, bist Du eine Soldatenfrau …“

Heute vor einem Jahr begann ein Krieg in Europa, der für viele fernab jeder Vorstellungskraft lag. Russlands Invasion in der Ukraine hat Dimensionen erreicht, die für lange Zeit tiefe Narben hinterlassen werden. Auf beiden Seiten sterben jeden Tag Menschen. Wie viele Zivilisten und Soldaten bisher ihr Leben ließen, weiß niemand so genau. Es liegen nur Schätzwerte vor. Doch betroffen sind inzwischen unzählige Familien. Was Krieg für jeden einzelnen tatsächlich bedeutet, wird uns erst bewusst, wenn Erlebtes wach gehalten und geteilt wird. Erst dann wird Abstraktes sehr konkret. Das Konkrete berührt und brennt sich tief in unser emotionales Gedächtnis ein. Im besten Falle mahnend und warnend. Das ist unsere große Hoffnung, wenn wir Zeitzeugenberichte für die Nachgeborenen bewahren. 

Von nie verheilten Wunden, die der Zweite Weltkrieg Menschen zufügte, berichteten uns Sparerinnen und Sparer noch Jahrzehnte später. Im Rahmen unserer Wanderausstellung „Ein Buch weckt Erinnerungen“ zeichneten wir viele dieser Familiengeschichten im Jahr 2013 auf, machten sie der Öffentlichkeit in Text und Bild zugänglich. Darunter auch die Geschichte von Elsa und Fritz. Durch Flucht und Vertreibung verloren beide nicht nur ihre Heimat, sondern auch sich selbst als glückliches Paar. Ihr kleiner Sohn Helmut wuchs ohne Vater auf. Fritz kam aus dem Krieg nicht zurück. Sein Grab ist unbekannt. Im März 1945 ahnte er sein unheilvolles Schicksal bereits. Er schrieb:

Meine liebe Elsa!
Wenn Du diese Zeilen in den Händen halten wirst, bist Du eine Soldatenfrau. Wie wir da unten ankamen und ich mich melden mußte, drückten sie mir gleich die Einberufung in die Hand, und auch noch ganz kurzfristig, nach langem Bitten, ließ man mir noch 3 Tage Zeit. Ich bin so bald wie möglich auf die Bahn und nach Wolfen, wo ich euch bestimmt anzutreffen glaubte. Entsetzlich die Enttäuschung. Meine liebe Elsa glaub aber nicht, daß ich Dir die Schuld gebe. Die Schuld liegt bei mir […] Wie lebt ihr denn dort und behandelt man Euch gut? Alles ist schrecklich wenn man darüber nachdenkt. Wie soll das mit der Ernährung und Feuerung werden? Überall so eine Not, die wir nun doppelt spüren, wo wir bisher davon verschont geblieben sind. Was werden die Klein-Priebuser machen? […] Ich hab Dich lieb gehabt und ich danke Dir für alles. Du hast bestimmt gehalten, was Du im kleinen Kirchlein von Podrosche versprochen hast und lass nun all Deine Liebe und Fürsorge unserem ganzen Glück, unserem lieben Jungen, unserem Helmut angedeihen. Wie oft habe ich mich auf der Straße umgedreht, wenn einer so schnattert, hell und freudig Vati rief, nicht daran denken!
Sollte es das Schicksal wollen, daß wir uns nicht mehr wiedersehen, so denk an mich, wo ich Euer Bestes gewollt habe. Nun drück ich noch mal Deine lieben Hände und küsse Deinen lieben Mund
Dein Fritz 

Ein Brief mit bestürzender Aktualität. Dass solche Zeilen nie mehr verfasst werden müssen, ja, für immer der Vergangenheit angehören und Völker im Sinne der Charta der Menschrechte in Frieden zusammenleben können, dafür lohnt es sich einzustehen und zu kämpfen. 

 

  • "Riediger-Lieblingsmotiv" unserer derzeitigen Praktikantin, Plakat von 1960 : © Historisches Archiv des OSV

  • 1957 stellen die "Blätter der Sparkassenpraxis" das neue Logo von Siegfried Riediger zur Diskussion. Es ist einfach, übersichtlich und einprägsam, kann beliebig verkleinert und vergrößert sowie in jedem Material ausgeführt werden, heißt es seinerzeit. Verwendung soll es unter anderem als Neonbeleuchtung an den Vorderfronten, auf Transparenten, Werbeaufstellern und Vordrucken finden. : © Historisches Archiv des OSV

  • Ein Jahr zuvor berichten die "Blätter der Sparkassenpraxis" von einer schon länger bestehenden Diskussion über die Notwendigkeit und Nützlichkeit eines Sparsymbols. Es sollte ein sinnvolles, ständig wiederkehrendes, aber auch formschönes Zeichen sein, das zur Popularisierung des Spargedankens beitrug. Für die Beschäftigten in den DDR-Sparkassen erfolgte ein Preisausschreiben, denn man war mit den bisherigen Entwürfen von beauftragten Grafikern noch nicht zufrieden (im Bild 1-6). : © Historisches Archiv des OSV

  • Das Preisausschreiben stieß im ganzen Land auf große Resonanz. Viele beteiligten sich an diesem kreativen Ideenwettbewerb, der auf insgesamt 280 Einsendungen kam. Es heißt, dass die prämierten Entwürfe den Vorstellungen vom neuen Symbol zwar sehr nah kommen würden, jedoch nicht alle Anforderungen an ein Signet erfüllten. Erst der Entwurf von Siegfried Riediger, einem Profi, konnte letztendlich überzeugen und auch in jeglicher Form umgesetzt werden. : © Historisches Archiv des OSV

Was bleibt oder Wer war Siegfried Riediger?

Vielleicht kennen Sie das ja auch: Man sieht ein tolles Plakat, hält ein wunderschön illustriertes Buch oder Spiel in den Händen, greift sich einen interessant wirkenden Flyer und nimmt ihn mit. In aller Regel lautet die erste Frage da nicht: Wer hat das denn gestaltet? Eher sind es die Inhalte, die eindrücklichen Bilder, Farben, Formen, Möglichkeiten der Interpretation, die einen interessieren.

Auf diese Weise geraten Gebrauchsgrafiker oft in Vergessenheit. Heutzutage trifft man gar vermehrt auf Agenturnamen. Der Mensch, mit seinen pfiffigen Ideen und einer spannenden Umsetzungsvariante, tritt in den Hintergrund. Ganz anders als bei Künstlern sind die Lebenswege und Schaffensprozesse schwer zu rekonstruieren, wenn es keinen Vor- oder Nachlass gibt bzw. es sich nicht um einen sehr bekannten Kreativen wie Otl Aicher handelt.  

In der Werbegeschichte der DDR-Sparkassen gibt es einen „großen Namen“: Siegfried Riediger. Ihm verdanken wir zahlreiche Plakate, Flyer, Lesezeichen, Stundenpläne, Diapositive etc., die wir im Historischen Archiv des OSV sichern und inzwischen selbstverständlich auch als Digitalisat vorliegen haben.

Heute jährt sich nicht nur sein 20. Todestag. Vor 65 Jahren entwarf Riediger auch das neue Logo für diese Kreditinstitute, das in der Wendezeit 1990 durch das rote Sparkassen-S abgelöst worden ist. Durch intensive Recherchen konnten wir einige Informationen zur Person Siegfried Riediger zusammentragen:

Geboren wurde er am 23. Januar 1918 in Friedersdorf bei Zittau. Mitte der 1920er Jahre erfolgte der Umzug nach Dresden. Dort ging Riediger zur Schule und startete anschließend eine Lehre als Gebrauchsgrafiker im Atelier des Grafikers Otto Rönsch. Was so einfach klingt, war schwer durchzusetzen. Denn sein Vater, ein höherer Beamter, hatte andere Pläne. Der Sohn sollte in seine Fußstapfen treten, im Büro eine Ausbildung beginnen. Doch mit Zahlen, so berichtete uns seine Tochter, hatte der junge Riediger wenig am Hut. Also lernte er zwischen 1933 und 1937 von der Pike auf das Designhandwerk. Dass sich diese Entscheidung einmal als sehr nützlich erweisen würde, ahnte wohl zu dieser Zeit noch niemand.

Wie viele andere junge Männer, wurde auch Riediger zum Kriegsdienst eingezogen. Über diese Jahre rettete ihn sein Talent zum Zeichnen. Er kam in einen Bereich, wo Transportwege abgebildet werden mussten. Am Ende des Zweiten Weltkrieges geriet er in Gefangenschaft. Und wieder half ihm sein Können. Amerikanische Offiziere ließen sich gern von ihm porträtieren. Dafür erhielt er zusätzliches Essen und Trinken sowie Zigaretten. Dies teilte der eher kleine und schmale junge Mann mit einem Freund, der groß und kräftig gebaut war und durch die kargen Rationen stets hungrig blieb. Viele Jahre nach dem Krieg, so erinnerte sich seine Tochter, erhielt die Familie aus tiefer Dankbarkeit immer mal wieder Pakete von diesem. Riediger war im Lager zum „Lebensretter“ geworden. Sein Freund unterstrich: „Ohne Dich wäre ich nicht durchgekommen.“

1946 kehrte Riediger aus der Kriegsgefangenschaft nach Dresden zurück. Bis 1950 leitete er das grafische Atelier der Rekuto‐Film KG Dresden. Die Firma wurde später in die Deutsche Werbe- und Anzeigen-Gesellschaft, DEWAG‐DIA‐Film, überführt. Die Festanstellung gab er zugunsten einer freischaffenden Tätigkeit auf. Fortan übernahm er unter anderem Aufträge für die Sparkassenorganisation. Diese fand sich mit der Auflösung der Regionalverbände 1952 einerseits zentral im Ministerium der Finanzen, HA 5 Kreditwesen als Abteilung Sparkassen und andererseits regional auf Bezirksebene in der Abteilung Finanzen als Hauptreferat Banken und Sparkassen wieder. Bis Mitte der 1970er Jahre stand für die Sparkassenwerbung in der DDR ein Werbeetat zur Verfügung, der durch die „Anordnung zum sparsamen Einsatz materieller und finanzieller Fonds für Werbung und Repräsentation“ vom 23. Januar 1975 auf ein Minimum reduziert wurde. Da die erste Kürzung bereits 1971 erfolgt war, wurde Werbung in der DDR, wie sie die westdeutsche Konsumgesellschaft kennt, damit quasi eingestellt. Für die Kundschaft der Sparkassen gab es in den folgenden Jahren bei Bedarf Informationsmaterial ohne werblichen Charakter. 

Die Aufträge an Riediger liefen über die DEWAG. Durch die zentralistisch organisierte Werbewirtschaft in der DDR hatte sie für das Inland eine Monopolstellung inne. Als Riediger 1951 in seine Selbständigkeit startete, erlebte er ein Land im Aufbruch, mit einem bedeutenden Wirtschaftswachstum in den 1950er Jahren. Das färbte auch auf die Werbewirtschaft ab, bei der stilistisch in Ost und West das unmittelbare Anknüpfen an die Vorkriegswerbung zu beobachten ist. Obwohl die Herstellung moderner Werbemittel zunahm, wie Dias und kurze Filme für die Kinowerbung, standen Plakate und Anzeigen noch immer im Vordergrund. In der DDR dienten Plakate insbesondere der „Sichtagitation“ im Sinne der Parteipolitik. Der Fokus lag nicht wie im anderen Deutschland auf der Nachfragesteuerung, sondern auf der Informations- und Erziehungsfunktion. Die 1960er Jahre lebten werbetechnisch vom „Erstarken des Einzelhandels“. Warenpräsentation und Schaufenstergestaltung mit Konsumgütern wurden wichtig. Der Deutsche Fernsehfunk DFF etablierte das Werbefernsehen mit kurzen TV-Spots.

Riediger ging mit der Zeit und versuchte, Gestaltungsspielräume zu nutzen, Lebenswirklichkeiten auf positive Art und Weise einzufangen. Seine Qualitätsansprüche waren hoch, die Arbeitsweise gewissenhaft. Er nahm Papier und Bleistift, skizzierte seine Ideen, fertigte Entwürfe an. Im Anschluss füllte er die Bleistiftzeichnungen mit Farbe. Riediger war sehr selbstkritisch, verwarf viel, sodass sich der Papierkorb füllte. Wenn es „noch nicht passte, was er im Kopf hatte“, begann die Arbeit von vorn, konnte die Tochter über den Vater berichten. Woran sie sich auch noch sehr gut erinnern konnte, sind seine Fahrten nach West-Berlin vor dem Bau der Mauer 1961. Denn er brauchte Farben, gute Pelikan-Farben. Die DDR-Produkte genügten seinen Ansprüchen nicht. Von „drüben“ schickte er kleine Päckchen nach Hause, so als kämen sie von einem guten Freund.

Zwischen 1964 und 1968 war Siegfried Riediger Kandidat im Bezirksverband Dresden, Sektion Gebrauchsgrafik. Im Jahr 1968 wurde die Kandidatur nicht mehr verlängert, er wurde als Mitglied nicht aufgenommen. Warum das so war, wissen wir nicht. Möglicherweise hatte das politische Gründe. Als Riediger im Jahr 2002 verstarb, gab es kein Werkverzeichnis. Im Familienarchiv schlummern noch Entwürfe und Arbeiten für viele andere Einrichtungen. Der gesamte Umfang seines Schaffens ist bis heute noch nicht vollständig dokumentiert. Eine Grabstätte mit seinem Namen gibt es nicht. Die Bestattung auf dem Heidefriedhof Dresden erfolgte anonym.

*Quellen: eigene Recherchen, Akademie der Künste Berlin, Interview mit der Tochter im Jahr 2016 sowie zur Geschichte der Werbung das Buch „Werbung: Lehr-, Studien- und Nachschlagewerk“ in seiner 3. Aufl. 2003 von Professor Ingomar Kloss

 

  • Otl Aichers Entwürfe begeisterten und überzeugten, sodass die Erarbeitung eines Regelwerks im September 1971 zur "vordringlichsten Aufgabe" erklärt wurde. Die Abnahme und Druckfreigabe erfolgte im April 1972 durch Aicher selbst. Herstellung und Verteilung an alle Sparkassen übernahm im Mai der Deutsche Sparkassenverlag. : © Historisches Archiv des OSV

  • Gestaltungsbeispiele für Drucksachen : © Historisches Archiv des OSV

  • Für Aicher eine bedeutende visuelle Konstante - das rote Sparkassen-S : © Historisches Archiv des OSV

  • „Fahnen sind Plakate, denen der Wind Leben einhaucht", so der Deutsche Sparkassenverlag. Kein Wunder also, dass Aicher diese mitdachte bei seinen Entwürfen für die Außenwerbung und dass sie heutzutage immer noch beliebtes Werbemittel sind. : © Historisches Archiv des OSV, photothek.net

  • Das alte Aicher-S schmückte den Eingang einer SB-Filiale in Bad Dürkheim seit 1993. Im März 2021 wurde es demontiert und ist nun sicher verwahrt im Historischen Archiv des OSV. : © Sparkasse-Rhein-Haardt

  • Seit 2004 haben wir in der S-Finanzgruppe ein schmaleres, modern anmutendes Sparkassen-S. Doch wenn man sich aufmerksam umschaut, findet man außen wie innen noch immer an davor sanierten Sparkassengebäuden das alte Aicher-S, wie hier in Finsterwalde im Januar 2022. : © Historisches Archiv des OSV

50 Jahre rotes Sparkassen-S

Ende Mai 1972 war es geschafft: Alle Sparkassen der alten Bundesrepublik hatten nun das Handbuch zum neuen Erscheinungsbild der Sparkassenorganisation auf dem Tisch. Und natürlich ging es nicht nur um ein strahlendes rotes Sparkassen-S. Es ging um viel mehr. Denn zum ersten Mal war ein allumfassendes Regelwerk für einen einheitlichen, modernen Auftritt der S-Finanzgruppe realisiert worden. Jede Kundin, jeder Kunde sollte sofort und vor allem überall erkennen: Aha, da ist sie ja, meine Sparkasse.

Was Otl Aichers kreatives Wirken hervorbrachte, war zukunftsweisend. Mit ihm hatte die Organisation einen Designer an ihrer Seite, der internationale Anerkennung genoss, bereits für die Lufthansa oder die Olympischen Spiele 1972 schöpferisch tätig war. Bis heute bilden seine Ideen die Grundlage für Modifizierungen und Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen. Zur Entwicklung des Logos haben wir an dieser Stelle bereits ausführlich informiert. Auch dort zu finden ist die Antwort zu einer kürzlich eingetroffenen, sehr interessanten Anfrage, warum 1981 das Sparkassen-S in der eigenen Heimatstadt noch blau war. Die Gründe sind tatsächlich vielfältig und wurden am 19. April 2022 im Kommentar zum Blog ausführlich dargestellt.

Werfen wir an dieser Stelle noch einmal einen genaueren Blick auf das, wofür die örtlichen Sparkassen sich vor 50 Jahren entscheiden konnten. Einerseits wurden visuelle Konstanten definiert. Dazu gehörten insbesondere das rote Sparkassen-S, der Schriftzug „Sparkasse“, die Hausfarbe „Sparkassenrot“ HKS 13 sowie die Hausschrift Helvetica und natürlich auch der bekannte Sparkassen-Slogan. Im Detail wurden Musterlayouts für Geschäftsvordrucke, wie Briefpapier, Visitenkarten oder das Sparkassenbuch, für Hausbroschüren, wie Geschäftsberichte, Jubiläumsschriften oder Hauszeitschriften, für die Außenwerbung, für Anzeigen, Bildschirmtext und für die Verbundfirmierung kreiert.

Der Werbedienst führte aus, dass nun ein Erscheinungsbild vorliege, „mit dem die Sparkassen – wie das überall positive Echo zeigt – sich voll identifizieren können; dies um so mehr, als im Neuen die positiven Werte es Alten, Traditionsgebundenen optimal integriert sind.“ Prägnanz und Kontinuität standen als Leitbegriffe im Vordergrund. Gleichzeitig wurde betont, dass mit dem Regelwerk kein Gesetzbuch, sondern vielmehr ein Handbuch vorliege, das „auf lange Sicht konzipiert worden“ sei. Ein „übereiltes Umstülpen bisheriger Formen“ sei nicht bezweckt. Vielmehr sollten die Sparkassen wohlüberlegt vorgehen, da alle Bereiche von den Neuerungen betroffen seien. Auch die Kosten mussten im Blick bleiben. Schlussendlich war allen Beteiligten bewusst, dass „für eine gewisse Zeit ein Nebeneinander von altem und neuem Erscheinungsbild“ präsent sein werde.

In der Einleitung zur Neuauflage des Regelwerks 1989 wird Bilanz gezogen und herausgestellt:

1972 wurde für die Sparkassenorganisation zum Jahr des Aufbruchs. Erstmals setzte eine Veröffentlichung des Deutschen Sparkassenverlages Design-Maßstäbe: der rote Ordner „Sparkasse – Gestaltungsregeln für das einheitliche Erscheinungsbild“. Die Neuorientierung im Sparkassenlager ließ nicht lange auf sich warten. Der Weg von den ersten Anfängen bis zur breiten Anwendung des optimierten Sparkassen-S, der Hausfarbe und -schrift war beeindruckend kurz. Nur zehn Jahre nach seiner Einführung lag das neue Signet in seiner korrekten Zuordnung zur Sparkasse bei 85 %, einem Wert, den sonst nur der Mercedes-Stern annähernd erreicht.

Diese Erfolgsgeschichte setzte sich mit der Wende 1990 auch in Ostdeutschland in einem rasanten Tempo fort. Im Ergebnis waren die ehemaligen Sparkassen der DDR schneller auf das einheitliche Erscheinungsbild umgestellt, als so manches altehrwürdige westdeutsche Haus.

  • Altes Sparbuch, deformiert durch Flucht und Vertreibung während des Zweiten Weltkrieges; mit deutlichen Spuren der Vergangenheit - einem Fußabdruck, der mahnt, warnt, zum Nachdenken zwingt. : © Historisches Archiv des OSV

  • Im Rahmen der Ausstellung „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“ im Jahr 2018 wurde das Sparbuch erstmals einem internationalen Publikum im Deutschen Historischen Museum in Berlin zugänglich gemacht. : © Historisches Archiv des OSV

  • Es gehörte der kleinen Charlotte. Sie wurde 1931 in Danzig geboren, ging in Danzig-Ohra zur Schule und führte ein ganz normales Leben, bis der Krieg ausbrach ... : © Historisches Archiv des OSV

Wenn das Leben aus den Fugen gerät

Krieg, Flucht, Vertreibung – diese Begriffe würde wohl jeder von uns gern aus seinem Wortschatz streichen. Wie fragil der Frieden sein kann und dass er nicht selbstverständlich ist, das erleben wir seit nunmehr zwei Monaten unmittelbar und bedrohlich nah.

Unsere Welt ist kein sicherer Ort. Mehr als 20 Kriege werden derzeit geführt. Das bedeutet auch Gewalt, Zerstörung, Not und Elend. Leidtragende sind stets unschuldige Zivilisten und unter ihnen vor allem die Kinder. Für sie und ihre Zukunft sind wir als Erwachsene im besonderen Maße verantwortlich. Nichts ist in diesem Zusammenhang zu entschuldigen, zu rechtfertigen oder gar mit irgendetwas zu erklären.

Was können wir, die wir täglich mit unserer Geschichte, mit Informationen und Archivalien umgehen, tun? Unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Ja. Aber: Wir können sorgsam mit Sprache umgehen, uns stets mit der Darstellung von  Rechercheergebnissen der Wahrheit verpflichtet fühlen. Mit Publikationen, Ausstellungen, Schulungen, Filmen und vielem mehr tragen wir in der Öffentlichkeit dazu bei, dass auch die Schrecken von Kriegen in Erinnerung bleiben. Wir als Deutsche stehen noch immer in einer besonderen Verantwortung. Diese versuchen wir durch unsere Arbeit wahrzunehmen. Denn was zwei Weltkriege angerichtet haben, wie Menschen nicht nur gelitten, sondern millionenfach zu Tode gekommen sind, das darf weder in Vergessenheit geraten noch verharmlost werden.

So begreifen wir es als wichtige Aufgabe, auch Kriegserlebnisse zu bewahren. In Gesprächen mit älteren Zeitzeugen aus unseren Sparkassen kommt gerade dieses Thema immer wieder zur Sprache. Wir zeichnen persönliche Erinnerungen auf, sammeln Objekte, die für sich genommen, einzigartig sind und der Dokumentation dienen. Besonders berührende Zeitzeugnisse von Müttern und Kindern auf der Flucht konnten wir zum Beispiel für die Nachwelt sichern, als wir vor einigen Jahren eine Wanderausstellung rund um das Sparbuch – dem ersten Produkt der Sparkassen – konzipierten. Sehe ich heute Kriegsbilder, Kinder auf der Flucht, dann habe ich stets auch das Sparbuch der kleinen Charlotte vor Augen. Für mich das eindrucksvollste, mit vielen Emotionen verbundene Objekt in unserem Archiv.

Es erzählt davon, wie ein kleines Mädchen sich mit der Mutter während des Zweiten Weltkrieges auf den Weg gen Westen macht. Fort aus Danzig. Besonders tragisch: Schon im Kindesalter verliert Charlotte bei einer der vielen Luftschutzübungen durch eine Fehlzündung das rechte Augenlicht. Auch eine Operation kann ihr nicht helfen. So bekommt das Kind eine Entschädigung von 1000 Reichsmark, mündelsicher auf einem Sparkassenbuch von der Versicherung gutgeschrieben. Es soll ihre Zukunft sichern. Beim Packen der Sachen für die Flucht rettet die Mutter natürlich auch das Büchlein, versteckt es als Einlegesohle im Schuh. Beide überleben. Zum Glück. Doch durch Flucht und Vertreibung ist das Geld auf dem Sparbuch wertlos geworden. Es kommt auch später zu keiner Auszahlung oder Umwertung.

„Nie wieder Krieg!“ – ein schöner Gedanke, den wir nicht aufgeben dürfen. Privilegiert in den Frieden hineingeboren werden und in ihm leben? Das sollte im Sinne der bereits 1948 verfassten Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu den Menschenrechten eigentlich selbstverständlich sein. Dass wir inzwischen davon weiter entfernt sind, als für das 21. Jahrhundert erhofft, dass Kinder heutzutage – auch in Europa – wieder in derselben Situation sind, wie die kleine Charlotte damals, macht fassungslos und sehr nachdenklich. Gerade den Kindern sind wir alle eine friedliche, eine gewaltfreie Zukunft schuldig. Die Mächtigen dieser Welt müssen daran erinnert werden und entsprechend agieren: Deeskalieren, im respektvollen Gespräch bleiben, verhandeln und natürlich auch weiter abrüsten – gibt es tatsächlich eine andere Alternative, um gut mit- und nebeneinander leben zu können?

  • Schauen Sie doch heute einfach einmal beim Ostdeutschen Sparkassenverband auf Instagram vorbei und entdecken Sie unser Archiv-#Flashbackfriday-Angebot. : © Historisches Archiv des OSV

Der Weltspartag ist für mich …

eine never-ending story. Allen Unkenrufen zum Trotz ist dieser rhythmisch wiederkehrende, ganz besondere Aktions- und Marken-Tag Ende Oktober nach wie vor präsent. Mit großen Schritten steuert er nun auf sein Hundertjähriges im Jahr 2024 zu. Zweifel an seinem Fortbestehen kommen nicht auf, blickt man auf seine interessante Rezeptionsgeschichte.

Inhaltlich gesehen, war er über die Jahrzehnte mehr als erfolgreich. Denn der Spargedanke ist tief verankert in der Bevölkerung. Insbesondere in Krisenzeiten werden Rücklagen verstärkt gebildet, was die Zahlen zur Entwicklung der Spareinlagen eindrucksvoll belegen. Allein im „Coronajahr“ 2020 stieg die Sparquote in Deutschland laut Statistischem Bundesamt auf 16,3 Prozent. Dass von 100 Euro Einkommen mehr als 16 Euro auf die „hohe Kante“ gelegt wurden, hat Rekordniveau. Betrachtet man Europa insgesamt, so ist festzuhalten, dass die Menschen sparen und mit etwa 27,3 Billionen Euro im Jahr 2020 sogar „so reich wie nie“ waren. Wenn auch die Vermögenslage auf den Einzelnen bezogen unbedingt differenziert zu betrachten ist, bleibt doch ein allgemeingültiges Fazit: „Sorge um die Zukunft“ bedeutet in ihrer Konsequenz „Sparen“ und damit Vorsorgen für schlechte Zeiten.

Aber auch formal gesehen, das heißt mit reinem Bezug zum Wort, oft verbunden mit allerlei Kindheitserinnerungen, hat der Weltspartag viel zu bieten. Ja, er hat nicht nur Einzug in die Fachliteratur gehalten und wurde mit einer Dissertation* bedacht, die – nebenbei erwähnt – auch Zahlen korrigierte, die lange fälschlicherweise im Umlauf waren, sondern ihm wurde und wird in der Gegenwartsliteratur auch ein schönes, die Zeiten überdauerndes Denkmal gebaut. So nimmt uns zum Beispiel Claus Hant als Erfinder des „Bullen von Tölz“ in seinem kurzweiligen Krimi „Weltspartag“ von 2007 mit in die Welt der Banker. Ein Mord ist aufzuklären, denn der Leiter der Kreditabteilung der örtlichen Genossenschaftsbank wurde erschossen. Mutter Resi fürchtet um ihr Erspartes. Es gibt also viel zu tun für den Polizisten.

Eine, wie ich finde, der schönsten Anekdoten rund um den Weltspartag stammt von Wladimir Kaminer. In seinem Buch „Ich bin kein Berliner: Ein Reiseführer für faule Touristen“ von 2010 beschreibt er in „Berliner Musik“ das Unterwegssein „an einem besonderen Tag“ – dem Weltspartag. Mit seinem so typischen, unverwechselbar lakonischen Humor bringt er die konträren Lebenswirklichkeiten in West und Ost auch bei diesem Thema wunderbar auf den Punkt. So erfährt der Leser, wie wichtig dieser Tag „schon immer“ in Westdeutschland und Westberlin war, und wie anders es sich doch in der DDR oder der Sowjetunion damit verhielt:

In Ostdeutschland gab es immer mehr Geld als Waren, deswegen war die gesamte Geschichte der DDR ein einziger langer Weltspartag. Bei uns in der Sowjetunion gab es weder Geld noch Waren, also blieb uns dieser Festtag des Sparens erspart.

Mit derbem Witz wartet auch der Kabarettist und Autor Stephan Franke auf. In „Der Kenner stirbt im Frühling, eine fantastische Bestattersatire“ wird unter anderem von einem überforderten Filialleiter berichtet, der mit den Werbemaßnahmen zum Weltspartag so gar nichts anzufangen weiß, von der Zentrale und ihren Vorgaben einfach nur genervt ist. Er soll sich um nichts weniger kümmern als um die zwei Geldsäcke tragenden Sparzwerge Dispo und Giro. Beide sollen jeweils ein rotes bzw. grünes Zipfelmützchen tragen. Doch die fehlen in der Lieferung des Werbematerials und müssen nun mühsam gebastelt werden. Am Ende erinnern die Zwerge jedoch eher an ständig in sich zusammensackende Mafiosi, die „mit ihren grimmigen Mienen sicher nicht dazu beitrugen, dass unsere Jüngsten zum frohen Befüllen ihrer Spardosen animiert werden können.“

Selbstverständlich gibt es auch zahlreiche Autoren, die von ihren Kindheitserlebnissen am Weltspartag ganz neutral, manchmal sogar etwas melancholisch in ihren Geschichten berichten. Auf diese Weise lässt sich, auch wenn man den Weltspartag als Kind nie selbst erlebt hat, etwas vom Flair dieses besonderen Tages erahnen: Geschmückte Filialen mit gut gelaunten Angestellten und fröhlicher Kundschaft, aufgeregte Kinder, die ihre vollen Sparschweine leeren und vielleicht ihr erstes Sparbuch erhalten, Münzzählmaschinen im Dauereinsatz und Geschenke über Geschenke. 

Wo darf der Weltspartag natürlich auch nicht fehlen? Ganz klar in Ratgebern rund um allerlei Spartipps und in Unterrichtsmaterialien, wo zum Beispiel Lückentexte in Deutsch auszufüllen oder Aufgaben zu Guthaben, Zinsen, Ausgaben und mehr in Mathe zu lösen sind.

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*Lesetipp, wenn man das Thema „Weltspartag“ in all seinen Facetten kennenlernen möchte: Belvederesi-Kochs, Rebecca Raffaela: Zwischen „moralischer Anstalt“ und vertriebsorientiertem Finanzdienstleister. Die Organisationskultur der Sparkassen unter besonderer Berücksichtigung des Weltspartags. Aachen, 2010. Zugl.: Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 2010 | Erster Internationaler Sparkassenkongress 1924 in Mailand – Teilnahmezahlen (S. 68): ca. 7.260 Sparkassen aus 27 Nationen, überwiegend aus Europa, mit insgesamt 352 Delegierten.

  • © Historisches Archiv des OSV

„Ich brachte 1990 genug Erfahrung mit, um die Akademie aufzubauen.“ – ein Gespräch mit Berthold Deutscher

Die Aktenlage ist eindeutig und verweist am heutigen Tage auf einen runden Geburtstag: Denn aus der „Ostdeutschen Sparkassenakademie i. G.“ wird am 9. Oktober 1991 die „Ostdeutsche Sparkassenakademie“. Der Vorstand des Ostdeutschen Sparkassen- und Girobverbandes beschloss auf seiner 2. Sitzung neben der Gründung auch, dass zeitnah eine Satzung sowie Stellenplan und Gebührenordnung vorzulegen seien. Zur Kenntnis nimmt das Gremium außerdem die Bestellung von Dr. Jürgen Wassermann als Akademieleiter.

Soweit also unsere Unterlagen. Doch wie wurde die Aufbauphase von denjenigen wahrgenommen, die maßgeblich daran beteiligt waren? Im Sommer 2014 sprachen wir mit Berthold Deutscher.* Er kam bereits im Mai 1990 zum Verband und war unter anderem dafür zuständig, den Bildungsbetrieb einzurichten. Welche Erfahrungen er dabei machte und welche Herausforderungen zu meistern waren, erzählte er uns in einem Zeitzeugengespräch:

Herr Deutscher, lassen Sie uns gemeinsam auf das Jahr 1990 zurückblicken. Wie muss ich mir den Aufbau einer Sparkassenakademie in dieser schnelllebigen Umbruchzeit vorstellen? Was war zu tun?

Naja, es war erst einmal so, dass ich im Mai 1990 als Stellvertreter auf der Leitungsebene beim Sparkassenverband der DDR eingestellt worden bin. Verantwortlich war ich für Personal, Ausbildung und Verwaltung. Das war ein großes Spektrum, für das ich zuständig war. Gute Mitarbeiter organisierten bereits die Bereiche Finanzen und Personal – den Bereich Ausbildung gab es in dem Sinne noch nicht. Der war praktisch neu aufzubauen. Ich hatte Glück, hier eng mit Professor Dr. Günter Ashauer, dem Leiter der Deutschen Sparkassenakademie in Bonn, zusammenarbeiten zu können. Er hatte viel Erfahrung, war mit Gastdozenten aus Bonn, aber auch schon mit Gastdozenten aus den regionalen Sparkassenakademien in der DDR unterwegs, um Lehrgänge zu begleiten.

Unser Grundsatz lautete damals: „Wir müssen die Ausbildung vor Ort organisieren und aufbauen! Aber wir brauchen auch eine eigene Akademie.“ Die strittige Frage war: Bleibt es bei einem Fünf-Länder-Verband oder gibt es ein Auseinandergehen? Es gab damals viele unterschiedliche Interessen. Der Sparkassenverband in Niedersachsen hätte zum Beispiel gern die Ausbildung übernommen. Er hatte vorher schon die Berliner Sparkasse mitbetreut. Dass die fünf neuen Bundesländer sich auf einen gemeinsamen Sparkassenverband einigen, ergab damals Sinn. Denn die einzelnen Länder waren im Vergleich zu den alten Bundesländern von der Struktur her kleiner und es ging ja darum, dass ein neuer Regionalverband auch mit den anderen gleichziehen kann.

Ging es Ihnen hier vor allem um einen Vergleich auf Augenhöhe?

Ja, so ungefähr. Insbesondere, was die Anzahl der Beschäftigten im Verband und in den Sparkassen anbetrifft. Insgesamt hatten die Sparkassen in der DDR etwa 20.000 Mitarbeiter. 1990 waren es unsere Sparkassen, die Personal einstellten und nicht abbauten. Praktisch wuchsen wir 1991/1992 um 10.000 und hatten schließlich mehr als 30.000 Beschäftigte. Die Personalaufstockung war dringend erforderlich. Um im Konkurrenzkampf zu bestehen, mussten schnellstens Leute eingestellt und natürlich auch ausgebildet werden.

Wir waren überzeugt: Vieles muss gleichzeitig und nicht nacheinander getan werden! Die regionalen Sparkassenakademien haben uns dabei unterstützt. Einerseits konnten unsere Beschäftigten an ihren Bildungslehrgängen teilnehmen. Andererseits lernten unsere Leute in der Praxis bei einer Partnersparkasse, zum Beispiel Lehrlinge für ein halbes Ausbildungsjahr oder auch Kreditsachbearbeiter, Planer und vor allem Mitarbeiter, die für die Darlehensgewährung und für Geldanlagen zuständig waren.

Wie setzten Sie bei den gleichzeitig zu erledigenden Aufgaben die Prioritäten?

Nun, als ich das erste Mal mit Professor Ashauer zusammengetroffen bin – das werde ich nie vergessen, denn es war in Tegel, im VIP-Raum, er war nur auf der Durchreise, kam aus Stockholm und hatte wenig Zeit – stellten wir ein Vierzehn-Punkte-Programm auf. Demnach hatte der Aufbau der Akademie, das heißt, das Finden geeigneter Räumlichkeiten für den Unterrichtsbetrieb, ganz klar Vorrang. Wir entschieden uns schließlich für eine Ausbildungsstätte in Berlin-Rahnsdorf. Dort gab es auch ein Hotel mit einer Kapazität von etwa 100 Betten.

Was war das für eine Ausbildungsstätte?

Das war in der DDR das „Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK der SED (ZISW)“. Dort wurden Generaldirektoren aus den Kombinaten usw. ausgebildet. Es war also ein Ort auf einem wirklich hohen Level. Auch ein Hörsaal war vorhanden. Der Lehrbetrieb konnte sofort aufgenommen werden. Die Leute vor Ort waren auch froh, weil es ja Teilnehmer alter Couleur nicht mehr gab. So nahmen wir das Objekt in Besitz und buchten von Anfang an 100 Plätze. Lehrgangsteilnehmer und Gäste nutzten das Hotel und auch Pensionen in der Nähe, die zum Beispiel aus kleinen Gaststätten neu entstanden waren. Auf diese Weise hatten wir 200 Betten zusätzlich zur Verfügung.

Was wurde von Ihnen in Rahnsdorf konkret gestaltet?

Unsere Aufgabe war es, dort den richtigen Lehrgangsbetrieb zu organisieren – bis hin zur Umstellung der Ausbildungsdauer. Das war ebenfalls eine gewaltige Aufgabe. Denn wir hatten ja über 3.000 Lehrlinge und mussten die Umstellung von der zweijährigen auf eine dreijährige Ausbildung auf den Weg bringen. Zur damaligen Zeit gab es in der DDR generell nur eine zweijährige Ausbildung. Aber die BRD hatte eine dreijährige. Also mussten wir entsprechende Programme entwickeln. Das haben wir gemeinsam mit den Ausbildungsverantwortlichen der Sparkassen bewerkstelligt. Gleichzeitig mussten wir, und zwar massiv, Ausbilder qualifizieren. Wir kannten so etwas nicht: bestätigte Ausbilder in der Sparkasse. Wir hatten zwar Ausbilder, die dann die Lehrlinge im Durchlaufplan begleiteten, aber es war keine Prüfung für diese vorgesehen. Also mussten schnellstens Ausbilderlehrgänge durchgeführt werden, um dem bundesdeutschen Recht zu entsprechen. Jede Sparkasse hatte ja mehrere bestätigte Ausbilder zu haben, je nachdem, wie viele Lehrlinge es vor Ort gab.

Wir bekamen dafür übrigens ministerielle Unterstützung, konnten vier Planstellen nur für diese Ausbildung aufbauen. Ich dachte zuerst: „Das kann nicht wahr sein, dass wir Geld erhalten!“ Aber da waren Fördermittel für diese Berufsausbildung vorgesehen. Und obwohl wir als Sparkassen ja ökonomisch gut dastanden, rief mich der Stellvertreter von der Akademie in Bonn an einem Freitag an und sagte: „Herr Deutscher, es muss blitzschnell ein Antrag gestellt werden! Er müsste am besten am Montag beim ehemaligen Ministerium für Berufsschulwesen abgegeben werden!“ Ich erinnere mich, dass die Sekretärin am Sonntag in den Verband bestellt wurde. Die Anträge wurden praktisch gleich in die Maschine diktiert. Das hat gut geklappt. Ja, und so bekamen wir dann tatsächlich Fördermittel für unsere Akademie. Hätte ich nicht für möglich gehalten. Später wurden diese Stellen sogar in richtige Planstellen umgewandelt. Das war dann der Grundstock, den wir systematisch ausgebaut haben.

Wann begann der tatsächliche Lehrbetrieb in Rahnsdorf?

Das war schon gleich 1990. Zu klären war dann noch die rechtliche Seite. Das war nicht leicht, weil sich herausstellte: Es handelte sich bei dem Standort um eine Parteieinrichtung und war damit Eigentum der SED. Als wir in Verhandlung getreten sind, hat sich wiederum eröffnet, dass die Partei das Objekt der Gewerkschaft „weggenommen hatte“. Diese Einrichtung, dieses Hotel, war also ursprünglich eine Bildungseinrichtung des FDGB gewesen. Somit gab es strittige Eigentumsfragen.

Die vollständige Aufklärung hätte lange dauern können. Und so sind wir auf Potsdam gekommen. Wir wollten eigentlich Rahnsdorf als Bildungsstätte ausbauen für die Sparkassen. Aber dann haben wir uns schließlich gefragt: „Muss es denn unbedingt Berlin sein?“ Die Stadt war vorbelastet, von hier aus wurde schließlich diktatorisch regiert. Viele wollten Berlin als Standort deswegen nicht haben. Und so kam es zur Zusammenarbeit mit der LBS-Ost, die für sich gerade auf der Suche nach einer Zentrale war.

Entdeckt wurde dadurch also der heutige Standort „Am Luftschiffhafen 1“ in Potsdam?

Ja. Die LBS hat ihn in Brandenburg, in Potsdam gefunden. Am Luftschiffhafen steht heute unsere Akademie. Als wir das mitbekommen haben, kam die Idee auf: „Kann das dann nicht ein gemeinsames Projekt werden?“ Die Eröffnung erfolgte dann 1996.

1994 war die Grundsteinlegung.

Richtig. Wir hatten vorher die Zusammenarbeit mit der Bonner Sparkassenakademie einerseits. Andererseits war ich selber einmal in Landshut in der Bayerischen Sparkassenakademie und auch in Eppstein, der Hessischen Sparkassenakademie. Ich habe mir alles angeschaut, insbesondere wegen der Frage der Größenordnung. Wir hatten etwas Bedenken, dass die neu zu bauende Akademie zu groß werden könnte. Für die 1990er Verhältnisse waren die Zahlenansätze richtig. Aber wir waren uns im Klaren darüber, dass auf die Dauer eine so große Kapazität nicht auszulasten sein wird für unsere fünf Länder – Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Aber das hat für uns damals nicht die größte Rolle gespielt. Es war wichtiger, in den Aufbaujahren die Sparkassen stabil zu gestalten mit gut ausgebildeten Leuten, die der Konkurrenz standhalten können. „Das andere müssen wir später klären. Dann müssen wir sehen, dass wir die Räumlichkeiten eventuell vermieten oder dass wir auch eine andere Ausbildungseinrichtung mitnutzen“, so unsere Überzeugung.

Ihnen war also von Anfang an klar, dass die Ostdeutsche Sparkassenakademie zu groß geplant wurde?

Für einige, ja. Aber nicht für alle. Ich kann nur sagen, dass ich darum gekämpft habe, weniger Kapazitäten zu planen. Wir hatten ermittelt, dass wir eine Bettenkapazität für 400 Menschen brauchen. Doch dann kamen noch 100 Betten an Kapazität für die LBS dazu. Da haben wir uns ernsthaft gefragt: „Muss das denn wirklich sein?“

Über 500 Betten wurden schließlich geplant. Darum gab es Streit. Aber die LBS bestand auf 100 Betten für die Schulung ihrer Mitarbeiter. Die 400 Betten für die Akademie waren nicht allzu viel. Ich war in anderen regionalen Sparkassenakademien. Dort wurde mir bestätigt: „Ein Auslastungsgrad für so und so viele Sparkassenmitarbeiter rechnet sich schon. Natürlich nicht auf Dauer!“ Aber damals ging es eben nicht anders. Wir mussten ja tausende Beschäftigte schulen. Praktisch musste selbst derjenige noch einmal neu einen Lehrgang mitmachen, der schon einen Abschluss als Sparkassenkaufmann oder Bankkaufmann zu DDR-Zeiten hatte. Auch die Direktoren, die eine Vorstandsposition übernehmen sollten. Für sie hatten wir spezielle Lehrgänge mit Dozenten überwiegend aus den alten Bundesländern vorgesehen. Das ist ja logisch. Diese schulten entsprechend den Erfordernissen des damaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen. Die Direktoren mussten ihre fachliche Kompetenz hinreichend nachweisen. Daher gab es für sie diese speziellen Lehrgänge. Das war enorm.

Also kann man festhalten, die Lehrgänge der Akademie waren von Beginn an ausgebucht?

Ja, voll ausgelastet war die Akademie.

Als Service haben wir außerdem vor Ort Prüfungen abgenommen. Da gab es natürlich auch Diskussionen. Die  Mitarbeiter der Sparkassen sollten an die Akademie kommen. Doch als Vorgesetzter habe ich entschieden: „Wir fahren!“ Und da waren wir eben in Rostock, Dresden, Leipzig usw., um Prüfungen abzunehmen. So brauchten die Teilnehmer nicht extra zur Akademie kommen, sondern wir sind hingefahren. Das war der geringere Aufwand. Außerdem dachte ich daran, dass wir vor allem weibliche Beschäftigte in den Sparkassen haben, mit Familien. Ihnen dann noch zuzumuten, zwei Tage oder einen zu einer Prüfung zu fahren … Wie auch immer. Es war einfach notwendig, das anders zu organisieren. Da haben wir tatsächlich viele Überstunden gemacht und das Akademieteam hat mächtig rangeklotzt, damit wir das hinbekommen.

Wie wurde eigentlich der erste Akademieleiter gefunden?

Die Akademieleitung wurde als Stelle ausgeschrieben. Kurios war dabei, dass ich in der Auswahlkommission mit dabei war – sozusagen als amtierender Chef der Akademie. Wir haben also einen Nachfolger für mich gesucht. Die Vorstellungsgespräche fanden in Berlin statt. Für mich war ganz klar: Wir brauchen jemanden, der Erfahrungen hatte im Aufbau des Sparkassenwesens und vor allen Dingen auch die ganze fachliche Thematik beherrschte. Hinzu kam mein Alter, sodass ich erklärte: „Es würde sich rechnen, wenn jemand um die 40 genommen werden würde.“ Ich war letztendlich froh darüber, dass ich von meinen drei Säulen, die ich ja alle im Verband zu erledigen hatte, etwas befreit wurde. Die stellvertretende Leitung blieb weiterhin bei mir, als dann die Wahl auf Dr. Jürgen Wassermann fiel. Er erhielt einen Vertrag für fünf Jahre bis 1996. Als dieser nicht verlängert worden ist, bin ich dann noch einmal zum amtierenden Leiter berufen worden und hatte die große Aufgabe zu erfüllen, die Akademie von Rahnsdorf nach Potsdam umzuziehen. Sie müssen sich vorstellen, zu diesem Zeitpunkt war ich schon 63 Jahre alt, hatte üblicherweise eine 60-stündige Arbeitswoche. Ich wollte das Amt nicht. Doch die Verbandsleitung bat mich darum, weil ich eben hinsichtlich des Umzugs bestens im Bilde war. Wenig später erfolgte die nächste Ausschreibung und es wurde Professor Dr. Roland van Gisteren berufen. Das ging sehr schnell.

Wenn Sie auf das Thema „Bildungseinrichtung“ allgemein schauen, was müsste da beachtet werden?

Nach meinem Verständnis hat die Bildung stets Vorrang und nicht etwa die verwaltungsadministrative Seite einer Akademie. Die Hauptfrage einer Akademie betrifft die Bildungskapazitäten, die man hat. Dass man den Beschäftigten in den Sparkassen theoretischen Vorlauf schafft, damit sie qualitativ gut arbeiten können. Und natürlich, damit sie besser sind als die Konkurrenz. Darauf muss man sich konzentrieren und nicht so sehr auf die Verwaltungsfragen. Das ist uns damals gelungen, meine ich. Wir haben tatsächlich Bildungsinhalte in den Mittelpunkt gerückt. Ja, und die Verwaltung des Verbandes hat gut mit uns zusammengearbeitet. Aber: Wir waren doch relativ selbständig.

Mit Bedauern habe ich nach meinem Ausscheiden 1998 mitbekommen, dass es Bestrebungen gab, die Struktur zu verändern und praktisch die Akademie der Verwaltungseinheit zu unterstellen oder anzubinden. Das fand ich nicht gut. Wobei ich sagen muss, in meinem Alter ist man ein bisschen konservativ. Die aktuellen Dinge habe ich nicht so verfolgt, auch keinen Vergleich zu anderen Akademien gezogen. Fragen wie: „Was entwickelt sich generell auf dem Bildungsmarkt? Wie sind da die Strukturen? Wie ist generell die Auffassung in der Sparkassenorganisation? Muss jeder Verband eine eigene Akademie haben? Haben wir nicht genug Hochschulen, die sich mit Finanzen beschäftigen? Könnten dort nicht die Leute für ein höheres Level ausgebildet werden? Muss das denn in einer eigenen Hochschule sein?“ Also all‘ das sind zum Beispiel wichtige Fragen. Damals haben wir uns stark gemacht: Wir wollten uns speziell für die Sparkassen ausrichten.

Herr Deutscher, möchten Sie zum Schluss noch etwas ergänzen?

Ja, gern. Mir lag am Herzen, Ihnen mitzuteilen, dass unsere Hauptaufgabe darin bestand, die vorhandenen Beschäftigten, die wir in unseren Mitgliedssparkassen hatten – überwiegend sehr tüchtige Frauen – gut weiterzubilden. Es war eine immense Herausforderung für die Frauen, die meist zwischen 40 und 45 Jahre alt waren und Familie hatten, zu verlangen, sich noch einmal zu qualifizieren für ihre Arbeit und auf Lehrgänge zu gehen. Das war eine harte Realität, in der ich darauf bestand: „Wir müssen das mit Einfühlungsvermögen machen! Denn manche werden vielleicht nicht mehr in der Lage sein, die Theorie und das Neue, das auf sie zukommt, so schnell zu begreifen! Aber in den Lehrgängen müssen wir gleichzeitig auf Qualität achten, sodass es keinen Sparkassenabschluss zweiter Ordnung gibt. Wenn wir einen Sparkassenkaufmann haben wollen, dann muss die Qualität stimmen. Wir dürfen keine Abstriche machen.“ Darauf haben wir dann auch die Dozenten eingeschworen. Sie sollten im Niveau nicht heruntergehen. Denn mit „Augen zudrücken“, könnten in der praktischen Arbeit Fehler passieren. Dazu muss ich ergänzen, dass ich Hochachtung vor den vielen Frauen hatte angesichts ihrer Doppelbelastung.

Über mein fast 50-jähriges Arbeitsleben kann ich sagen, dass ich zu Beginn meiner Berufsausbildung irgendwie Glück gehabt habe und ich einen Weg gegangen bin, wo Finanzen und Lehrtätigkeit miteinander gekoppelt waren. Dass ich dann, zum Abschluss meines Berufslebens praktisch wieder zu Finanzen und Lehrtätigkeit gekommen bin, war für mich ein krönender Abschluss. Ich brachte 1990 ja genug Erfahrung von der Finanzschule Gotha mit. Zusätzlich verfügte ich über Leitungserfahrung und Menschenkenntnis. Ich wusste: „Ich kann das einbringen, um eine Akademie aufzubauen!“**
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*Berthold Deutscher war in den 1990er Jahren nicht nur maßgeblich am Aufbau der Ostdeutschen Sparkassenakademie, heute Nord-Ostdeutsche Sparkassenakademie, beteiligt, sondern verantwortete als kommissarischer Leiter im Alter von 63 Jahren 1996 auch den Umzug von Rahnsdorf nach Potsdam. Als Deutscher 1998 in Rente ging, blickte er auf ein aufregendes, fast 50-jähriges Arbeitsleben zurück. Bis 2003 stand Berthold Deutscher der Akademie noch als Dozent zur Verfügung. Geboren 1933, begann bereits mit 15 Jahren sein Einstieg ins Berufsleben. 1951 beendete Deutscher erfolgreich seine Lehre bei der Kreissparkasse Leipzig. In den Jahren darauf nahm er ein Studium an der Fachhochschule für Wirtschaft in Gotha, anschließend an der Hochschule für Ökonomie in Berlin auf. Als Diplom-Wirtschaftler war er bis Mai 1990 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) in Berlin tätig. Am 16. Mai 1990 übernahm Deutscher als Verbands-Abteilungsdirektor neben vielen anderen Aufgaben auch den Aufbau einer Akademie für die Mitgliedssparkassen. Bis zu seinem Tod am 13. November 2019 blieb er in Kontakt mit seinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, wurde zu Treffen eingeladen, blieb geschätzt und beliebt als „Mann der ersten Stunde“, als lebenserfahrener Gesprächspartner, aber vor allem auch als stets respektvoller Vorgesetzter.

**Auszug aus dem Zeitzeugeninterview mit Berthold Deutscher vom 06.08.2014.

***Bild Textmitte, Auszug aus Akte 101-7/1999.