Blogserie, Teil 3
„Zur Verbesserung der Betreuung der Bevölkerung im Reisezahlungs- verkehr sind die Sparkassen im Auftrag der Staatsbank der Deutschen Demokratischen Republik berechtigt, Zahlungsmittel in Währungen anderer Staaten […] zu verkaufen.“* So stand es in der Satzung der DDR-Sparkassen geschrieben. Allerdings bekam man vor 30 Jahren lediglich einmalig 15 DM im Verhältnis 1 zu 1 gewechselt. Mehr Reisegeld gab es nicht. Aufgrund der knappen Devisenvorräte und wohl auch, um den privaten Reiseverkehr einzudämmen, hatte die Regierung 1987 die Ausstattung so gering festgelegt. Die Reaktion der Bundesregierung war die Erhöhung des Begrüßungsgeldes auf 100 DM gewesen.
Nach der Grenzöffnung am 9. November 1989 reisten sehr viele Ostdeutsche in die Bundesrepublik und nach Westberlin. Allein bis zum 15. November sollen sich über drei Millionen Menschen ihre 15 DM geholt haben.** Innerhalb von zwei Wochen hatten etwa 12,8 Millionen Bürger rund 200 Millionen DM in der DDR eingetauscht, so der Präsident der Staatsbank Horst Kaminsky.*** Seinen Ausführungen nach gestaltete sich die Versorgung mit Devisen als logistischer Kraftakt, weil Unmengen kleinerer Banknoten und 5-DM-Münzen zentral beschafft und in alle Teile der Republik weitergeleitet werden mussten. Die enorme Arbeitsbelastung, insbesondere der weiblichen Beschäftigten der Sparkassen, thematisierte er. Ein Ende des Ansturms war da noch nicht abzusehen.
Ein Abteilungsleiter der Kreissparkasse Zschopau berichtete rückblickend: „Mit der neuen Reiseregelung hat uns im November 1989 der Tausch der 15,– DM regelrecht überrollt (ca. 60.000 Bürger haben bei uns umgetauscht). Gegenwärtig bereitet uns der DM-Tausch aus dem gemeinsamen Devisenfonds manches Kopfzerbrechen. Für die zuletzt genannten Aufgaben wurden viele Wochenenden gearbeitet.“**** Nachdem das Begrüßungsgeld zum Jahresende abgeschafft worden war, durfte der DDR-Bürger auf Grundlage eines gemeinsamen Devisenfonds von Bundesrepublik und DDR Reisegelder im Umfang von 100 Mark 1 zu 1 wechseln. Weitere 100 DM bekam man für 500 Mark. Es war nämlich für diesen Betrag ein „Aufschlag“ von 400 % festgelegt.
Der „Run“ auf die harte Mark, noch vor der Währungsunion 1990, stellte eine große Herausforderung für die ostdeutschen Sparkassen dar, weil sie bereits mit Aufgaben – auch sparkassenfremden – überladen und gleichzeitig noch unterbesetzt waren. Auch galt es, lange Öffnungszeiten zu gewährleisten. Die physische und psychische Leistungsgrenze des fast ausschließlich weiblichen Personals war erreicht. Außerdem wurde die Leistung der Angestellten verhältnismäßig schlecht honoriert. Die meisten Sparkassenfrauen bekamen 1989 lediglich 850 Mark brutto.***** So konnte es nicht weitergehen.
Fortsetzung folgt am 12.12.2019
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* Statut der Sparkassen der Deutschen Demokratischen Republik, 23.10.1975, § 7, in: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil I, 20.11.1975, S. 703 (Historisches Archiv des OSV)
** DDR-Staatsbank-Vizepräsident: An Abwertung der Währung wird nicht gedacht, in: Freie Presse, 16.11.1989, S. 3 (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz)
*** 200 Millionen DM bisher an Bürger der DDR ausgezahlt. ADN-Interview mit Staatsbankpräsident Horst Kaminsky, in: Freie Presse, 25.11.1989, S. 4 (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz)
**** Schreiben von E. N. an den Vorsitzenden des Ministerrats der Deutschen Demokratischen Republik, Hans Modrow, 21.1.1990 (Historisches Archiv des OSV)
***** Wysocki, Josef/ Günther, Hans-Georg: Geschichte der Sparkassen in der DDR 1945 bis 1990, 1998, S. 236