• Das regionale Betreuungskonzept sah Zuordnungen von Regionalverbänden zu Bezirken der DDR vor (s. a. Grafik im Teil 14 unserer Serie). Das Beispiel Hannover - Leipzig zeigt: Abweichungen, etwa durch vorhandene Städtepartnerschaften, waren möglich. : © Hans-Günther Niepage, Archiv Hillbrecht | Historisches Archiv des OSV

  • Bis Ende April 1990 hatten alle 196 DDR-Sparkassen eine oder mehrere westdeutsche Partnersparkassen. Der DSGV startete dazu eine Umfrage und veröffentlichte sein Ergebnis als detaillierte, nach Bezirken geordnete Übersicht in den Fachmitteilungen vom 15./16. Juni 1990. : © Historisches Archiv des OSV

Die Partnerschaften zwischen Ost und West werden angeschoben

Blogserie, Teil 12

Drei Tage nach Beschluss der Verbandsvorsteherkonferenz schreibt die Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR die Leiter der Sparkassenbezirksstellen zur geplanten flächendeckenden Realisierung des regionalen Betreuungskonzeptes an:

Im Interesse der Herausbildung partnerschaftlicher Beziehungen zwischen den Sparkassen der DDR und der BRD wurden mit dem Sparkassen- und Giroverband der BRD erste Absprachen getroffen.

Es wurde vereinbart, daß in der nächsten Zeit Vertreter der Regionalverbände der Sparkassen der BRD direkt mit den Sparkassen der DDR Verbindung aufnehmen werden.

Ziel der Partnerschaften besteht u. a. darin

  • die Organisation und Durchführung von Schulungsmaßnahmen zu unterstützen sowie
  • materielle Hilfe zu gewähren.

Die konkreten Vereinbarungen zwischen den Sparkassen des jeweiligen Bezirkes und den Regionalverbänden der Sparkassen der BRD sind eigenverantwortlich durch die Leiter der Abteilungen Sparkassen der Bezirksdirektionen zu treffen. Diese Maßnahmen wurden durch den Präsidenten der Staatsbank der DDR bestätigt.

Wir bitten Sie, die Direktoren der Sparkassen entsprechend zu informieren.*

Die republikweite Umsetzung nahm in den Wochen danach an Fahrt auf. In ihren regelmäßigen Arbeitsberatungen beschäftigen sich die Sparkassendirektoren mit dem Stand der Entwicklung. So heißt es am 5. April 1990 zum Beispiel aus Leipzig:

Alle im Bezirk Leipzig ansässigen Sparkassen werden entsprechend zentraler Abstimmung partnerschaftliche Beziehungen zu Sparkassen des BRD-Bundeslandes Baden-Württemberg aufnehmen […] In Kürze ist damit zu rechnen, daß die genannten BRD-Partnersparkassen erste Kontakte zu den Kreissparkassen in unserem Bezirk herstellen.**

Im Protokoll heißt es weiter, dass die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig eigene Wege geht. Denn die Städtepartnerschaft zwischen Hannover und Leipzig hätte inzwischen auch zu einer engen Beziehung beider Sparkassen geführt.

Fortsetzung am 20.02.2020

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*Schreiben der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR, Berlin, 16.02.1990. In: Geiger, Walter ; Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart 1998, S. 160.

**Protokoll der Arbeitsberatung der Direktoren der Sparkassen des Bezirkes Leipzig, 05.04.1990. In: Geiger, Walter ; Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart 1998, S. 161.

  • Mitarbeiterinnen der Kreissparkasse Quedlinburg in der Wendezeit : © Harzsparkasse; Bestand: Historisches Archiv des OSV

Lohnerhöhungen mit Nachdruck gefordert

Blogserie, Teil 11

Am 13. Februar zwischen 14:00 und 15:00 Uhr sollte er stattfinden, der Warnstreik aller Sparkassenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in der DDR. Bereits am 23. Januar hatten einzelne Sparkassen ihren Betrieb für eine Stunde eingestellt. Die Kreissparkasse Quedlinburg informierte im Nachgang alle anderen Sparkassen von ihrem Streik und über die Beweggründe. Im Mittelpunkt stand die Arbeits- und Lohnsituation.

„Dieser Warnstreik wurde letztlich auch im Interesse unserer Kunden geführt, denn wie sollten wir sonst unsere qualifizierten Mitarbeiter halten, wenn der Verdienst in anderen Bereichen weitaus höher ist. Das Einkommen unserer Kollegen liegt weit unter dem Republikdurchschnitt. Neueinstellungen scheitern immer wieder an diesem Problem. Deshalb leidet unser Institut an einer permanenten Unterbesetzung.“*

Des Weiteren wollte die Kreissparkasse „die Ablösung unserer Vor- und Nachkriegsbestände an Arbeitsmitteln durch moderne Büromöbel und -technik“. Unter anderem wurde eine Konzentration auf die eigentlichen Aufgaben und Dienstleistungen einer Sparkasse gefordert. Dazu gehörte zum Beispiel nicht der Verkauf von FDGB-Marken. Auch die Eigenständigkeit der Institute in der DDR mahnte das Schreiben an. Über den Verlauf des Streiks, für den sich sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreissparkasse ausgesprochen hatten, heißt es:

„In den Tageszeitungen informierten wir die Kunden und baten um Unterstützung durch Vertrauen und Verständnis für diese Maßnahme. An den Schaltern brachten wir Aushänge rechtzeitig an und in den 2 größten Betrieben des Kreises machte zusätzlich der Betriebsfunk auf unseren Streik aufmerksam. Am 23. Januar trat dann von 14.00 – 15.00 Uhr die Belegschaft im gesamten Kreisgebiet vor die Tür und brachte auf Transparenten ihre Forderungen zum Ausdruck. […] Von den Kunden erhielten wir nur Zuspruch und Befürwortung. Dieser 1-stündige Warnstreik wurde von unseren Mitarbeitern vor- oder nachgearbeitet.“  

Bis zum 13. Februar wurden annehmbare Vorschläge von der Staatsbank und der Zentralstelle der zuständigen Gewerkschaft gefordert. Sonst sollte der Warnstreik wiederholt werden. „Wir hoffen, dass sich alle Mitarbeiter der Sparkassen an diese Forderungen anschließen.“ Die von der Kreissparkasse Quedlinburg benannten Probleme kannten auch die anderen DDR-Sparkassen. Viele Institute schlossen sich letztlich dem Aufruf an, andere erklärten sich zumindest mit den Kolleginnen und Kollegen solidarisch und schickten Beschwerdeschreiben nach Berlin.

Was die Forderung nach mehr Geld betraf, so kündigte der Ministerrat der DDR am 1. Februar 1990 grundsätzliche Verbesserungen an. Eine Woche später fanden die Tarifpartner – der Präsident der Staatsbank und der Zentralvorstand der „Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschaft“ – eine Vereinbarung zu den Löhnen und Gehältern in Banken und Sparkassen. Demnach sollten gewerblich Beschäftigte zum 1. März durchschnittlich 150,00 Mark mehr bekommen. Für alle anderen Beschäftigten der Sparkassen waren zum 1. Juni durchschnittlich 200,00 Mark mehr Gehalt angedacht.**

Nicht nur wegen des späten Termins für die Angestellten regte sich Widerstand bei den Sparkassen. Man forderte auch deutlich mehr Geld. Es hagelte Protestschreiben. Weitere Arbeitsniederlegungen drohten. So wurde etwa für den 6. März ein vierstündiger Generalstreik angekündigt.*** Letztlich beugte sich der Staatsbankpräsident dem Druck, nachdem Vertreter, unter anderem aus Quedlinburg, persönlich zu einem Gespräch in Berlin erschienen waren.**** Zum 1. März 1990 wurden die Lohn- und Gehaltserhöhungen erkämpft.

Fortsetzung am 16.02.2020
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* Schreiben der Kreissparkasse Quedlinburg: An alle Mitarbeiter der Sparkassen!, 25.1.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-191/2010

** Vgl. Schreiben des Leiters der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR, Rainer Voigt, an die Kreissparkasse Pirna, 13.2.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-191/2010

*** Vgl. Resolution der Kreissparkasse Sangerhausen an den Präsidenten der Staatsbank der DDR, 13.2.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004 c

**** So berichtete etwa die Deister- und Weserzeitung in einem Artikel am 19.2.1990 vom Erfolg der Quedlinburger in Berlin; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004 c

  • An der Spitze einer Delegation der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR verbringt Rainer Voigt vom 6. bis 7. Februar 1990 arbeitsreiche Tage bei Kollegen des DSGV in Bonn. : © Historisches Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes | Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum Bonn

Nägel mit Köpfen machen – arbeitsreiche Tage in Bonn

Blogserie, Teil 9

Endlich ist es offiziell! In einer „sachlichen und herzlichen Atmosphäre“ beginnt am 6. und 7. Februar 1990 die konstruktive Zusammenarbeit der ost- mit der westdeutschen Sparkassenorganisation. Rainer Voigt ist mit seinen Mitarbeitern der Einladung nach Bonn gefolgt, wo die Auftaktsitzung zur Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Vertretern des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes sowie des im Aufbau befindlichen Sparkassenverbandes der DDR stattfindet.*

Die Besprechung steht im Zeichen der „zukünftigen Rolle der Sparkassen der DDR“. Voigt verdeutlicht in Bonn die Perspektive der DDR-Delegation, die von einem Zusammenwachsen beider deutscher Staaten ausgeht. Aus diesem Grund ist aus seiner Sicht, unter allen Umständen ein „Sonderweg für die DDR-Sparkassen“ zu vermeiden.** Unter dieser Prämisse werden mit den Bonner Kollegen richtungsweisende Ergebnisse erarbeitet:

1.       Für die Erstellung der Satzung des Sparkassenverbandes der DDR geben die Bonner wertvolle Hinweise. Insbesondere die Erfahrungen hinsichtlich einer effizienten Struktur und zur „Sicherung einer demokratischen Mitwirkung der Mitgliedssparkassen“ sind für die Ostdeutschen interessant. Für Voigt sind sie so essenziell, dass er in seinem Bericht über die beiden Bonner Arbeitstage zu dem Schluss kommt: „Die Satzung des zukünftigen Sparkassenverbandes der DDR ist unter Berücksichtigung der Hinweise des DSGV nochmals zu überarbeiten.“

2.       Es erfolgt eine Vereinbarung zur Unterstützung bei der „Qualifizierung von Sparkassenmitarbeitern auf dem Gebiet der ERP-Kreditbearbeitung“. Ziel ist es, etwa 25-30 Multiplikatoren aus allen Bezirken, Großsparkassen und der Zentrale durch Mitarbeiter des DSGV schulen zu lassen. Veranstaltungsort „solle ein Objekt in der DDR sein.“ Des Weiteren sollen „Berater aus der BRD in den Bezirken […] konkrete Hilfestellung“ leisten.

3.       Die Neugestaltung der Sparkassenarbeit soll durch mehrere Arbeitsgruppen vorangebracht werden. Fünf Themen stehen dabei im Fokus:

–          Konzeption zum Kreditgeschäft, einschließlich ERP-Programm
–          Entwicklung eines Einlagen- und Wertpapiergeschäfts
–          Betriebswirtschaft als Steuerungsinstrument
–          Betriebsorganisation
–          Werbung und Öffentlichkeitsarbeit

Diese Arbeitsgruppen sollten bis zum 15. Februar mit Mitgliedern besetzt und die Konzeptionen am 31. März bzw. 30. April bereits vorgelegt werden.

4.       Es wird vereinbart, dass bis zum 20. Februar der „konkrete Bedarf an Kleinmechanisierung in den Sparkassen der DDR zu ermitteln und dem DSGV zu übermitteln“ sei. Welche Arbeitsmittel das genau betrifft, wurde gemeinsam festgelegt.

5.       Wie eine Partnerschaft zwischen Ost- und West-Sparkassen aussehen könnte, wird erstmals besprochen. In erster Linie geht es darum, „welche Regionalverbände der Sparkassen der BRD mit welchen Bezirken Partnerschaften zur Unterstützung der Sparkassen der DDR eingehen.“ Dabei stehen materielle Hilfen und Schulungen im Vordergrund.

6.       Erkenntnisse auf dem Gebiet der Revision werden weitergegeben sowie entsprechende Literatur dazu.

7.       Die Sparkasse Bad Honnef gibt der DDR-Delegation Einblicke in ihre Organisation, Aufgaben und Wirkungsweise.

Noch ganz unter dem Eindruck zweier arbeitsintensiver Tage in Bonn, stellt der Leiter der Abteilung Sparkassen fest: „Es zeigt sich, daß mit der rasanten politischen Entwicklung sowie den wirtschaftlichen Problemen umgehend die Erarbeitung einer Gesamtkonzeption zur Neugestaltung der Sparkassenarbeit einschließlich der dazu notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen erforderlich wird.“

Werden die westdeutschen Kollegen die erhoffte Unterstützung leisten? Wie werden die DSGV-Gremien entscheiden?

Fortsetzung am 12.02.2020

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*Voigt, Rainer: Bericht über die Konstituierung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zwischen dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und dem zukünftigen Sparkassenverband der DDR am 6. und 7. Februar 1990 in Bonn, Berlin 08.02.1990. Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004a-c.

**Geiger, Walter ; Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart 1998, S. 155.

  • ehemaliges Gebäude der Staatsbank im Januar 2020 : © Historisches Archiv des OSV

Konspirativ fing es an …

Blogserie, Teil 8

Konspirativ war es, das erste persönliche Zusammentreffen von Vertretern des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR. So wusste deren Präsident Dr. Horst Kaminsky nichts von der Zusammenkunft, die am 2. Januar 1990 bei der Sparkasse in West-Berlin stattfand. Denn dienstliche Kontakte waren eigentlich untersagt. Abteilungsleiter Rainer Voigt und sein Stellvertreter Hans-Georg Günther hatten deswegen dringende Arzttermine vorgeschoben und sich „abgesetzt“.* Empfangen wurden sie vom stellvertretenden Geschäftsführer des DSGV, Dr. Walter Geiger, und dem Leiter der Deutschen Sparkassenakademie, Prof. Dr. Günter Ashauer.

Man tauschte sich über das Sparkassenwesen in Ost und West aus. Ein wichtiges Gesprächsthema stellte die Bildung eines Sparkassenverbandes in der DDR dar, mit der Voigt beauftragt war. Die Vertreter des DSGV wollten bei der Etablierung helfen und gaben Hinweise, verwiesen etwa auf die rechtlichen Grundlagen von Regionalverbänden. Im Osten gab es jedoch (noch) keine Länder, sondern Bezirke. Und auch der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik war noch nicht beschlossen. Die Schwierigkeit bestand darin, einen überregionalen Verband mit einer regionalen Satzung zu schaffen.** Die Sparkassen wollten keinesfalls von zentraler Stelle bevormundet werden, wie sie es schon von der Staatsbank kannten. Beim Entwicklungsprozess der Verbandssatzung vor 30 Jahren konnten alle ostdeutschen Sparkassendirektoren und -direktorinnen mitwirken.

Vor diesem Hintergrund fand schließlich am 26. Januar 1990 ein Treffen statt, zu dem Kaminsky selbst geladen hatte. Er wurde vom Vizepräsidenten Bruno Meier und von Rainer Voigt begleitet. Zu Besuch nach Ost-Berlin kamen der DSGV-Präsident Dr. h. c. Helmut Geiger, der Verbandsgeschäftsführer Dr. Hannes Rehn sowie sein Stellvertreter, Dr. Walter Geiger. Vereinbart wurde die Zusammenarbeit zwischen der Sparkassenabteilung und dem Dachverband. Der DSGV-Präsident kündigte nach der Zusammenkunft öffentlich an, dass die für März geplante Gründung des DDR-Sparkassenverbandes von der bundesdeutschen Sparkassenorganisation voll unterstützt werde.*** Endlich würden die Sparkassen aus ihrer Abhängigkeit von der Staatsbank entlassen. Ihre Geschäftstätigkeit sollte der neue Verband koordinieren und Hilfestellung bei der Umgestaltung des Sparkassenwesens geben, so Geiger.

Fortsetzung am 07.02.2020
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* So berichtet z. B. Hans-Georg Günther im Entwurf einer Abschiedsrede für den DSGV-Präsidenten Dr. h. c. Helmut Geiger 1993; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-81/2004, Bd. 1

** Vgl. ZZI Rainer Voigt, 15.05.2012; Bestand: Historisches Archiv des OSV

*** DDR-Sparkassenverband vor Gründung, in: Deutsche Sparkassenzeitung, Nr. 8, 30.01.1990, S. 1; Bestand: Historisches Archiv des OSV

  • Die Daten für die Grafik sind dem Geschäftsbericht der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig für 1989, Seite 6 entnommen. : © Historisches Archiv des OSV

Personalnot bei der Sparkasse Leipzig

Am 10. Januar 1990 fertigte die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig, nach der Sparkasse der Stadt Berlin das größte Institut in der DDR, ihren Jahresabschluss für 1989 aus. Durch die Unterlagen der Staatsbank der DDR ist nicht nur er, sondern sind auch die Abschlüsse der anderen ostdeutschen Sparkassen in unserem Archiv überliefert. Allein aus Leipzig haben wir jedoch zugleich den zugehörigen Geschäftsbericht im Bestand. In ihm sind die Probleme, welche die Großsparkasse im System der zentralistischen Planwirtschaft hatte, klar benannt.

Wegen der Mangelwirtschaft konnte die Sparkasse zum Beispiel nicht ausreichend Drehstühle für ihre Beschäftigten beschaffen. Und weil die neuen Geldautomaten aus DDR-Produktion öfters ausfielen, war die Kundschaft sauer. Beschwert wurde sich auch über lange Wartezeiten am Schalter. Dabei war der Sparkasse doch gar nicht genügend Personal zugestanden worden. Die Personalsituation hatte sich 1989 sogar weiter verschlechtert. Es gab 128 Ab- und 71 Zugänge. Die Unterbesetzung war aber kein neues Phänomen, wie der Geschäftsbericht darlegt. Für eine hohe Fluktuation sorgten etwa die schlechten Arbeitsbedingungen und die unterdurchschnittliche Entlohnung.

  • Helmut Geiger wendet sich am 5. Januar 1990 erstmals persönlich an die Sparkassenleiter in der DDR. : © Historisches Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes | Bild Helmut Geiger, 1980er Jahre, Quelle: Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum Bonn

  • Gut informiert in eine neue Zeit - Die „Deutsche Sparkassenzeitung“ und die „Sparkasse“ werden ab Januar 1990 auch in den DDR-Sparkassen gelesen. : © Historisches Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes

„Falls Sie zusätzlichen Informationsbedarf haben, lassen Sie es mich bitte wissen.“

Blogserie, Teil 7

Die Öffnung der Grenzen hatte den Ostdeutschen Reisefreiheit und den bundesdeutschen Geldhäusern einen ungewöhnlich hohen Andrang beschert.* Diese Entwicklung wird mit großem Interesse auf beiden Seiten verfolgt, ja, in ihr werden sogar „große Chancen für mehr Miteinander und Kooperation“ gesehen, wie Dr. Helmut Geiger feststellt.**

Geiger wendet sich am 5. Januar 1990 in seiner Funktion als Präsident des Dachverbandes der bundesdeutschen Sparkassenorganisation DSGV erstmals persönlich an die Leiter der Sparkassen der DDR und bietet auf diesem Weg seine Unterstützung an. Drei Tage zuvor hatte es ein erstes gemeinsames, aber noch „geheimes Treffen“ zwischen Vertretern der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR und Vertretern des DSGV gegeben, das auf beiden Seiten tiefe Spuren hinterlassen hatte und schließlich zum Auftakt für eine intensive Zusammenarbeit werden sollte.***

In einem ersten Schritt möchte Geiger nun die ostdeutschen Sparkassen mit Informationen zum „Bank- und Sparkassenwesen in der Bundesrepublik Deutschland“ versorgt wissen. Daher kündigt er an, die wichtigsten öffentlichen Publikationen unkompliziert zur Verfügung zu stellen. Die Ostsparkassen sollen die „Deutsche Sparkassenzeitung“ und die „Sparkasse“ zukünftig erhalten. Beide Blätter werden 1990 auch aus der DDR berichten. So beschäftigt sich beispielsweise die „Sparkasse“ unter anderem vertiefend mit den Bankgeschäften der DDR, mit dem Bausparen, dem DDR-Kreditwesen, mit der Wirtschaft und der Staatsbank der DDR sowie mit dem Zahlungsverkehr, mit Städtepartnerschaften und schließlich auch mit dem Sparkassenverband der DDR. Gleich in der ersten Ausgabe erläutert Professor Dr. Günter Ashauer „Das Bankwesen in der Deutschen Demokratischen Republik“, seine „Struktur, Funktionen, Perspektiven“. Diese offensive Vorgehensweise zeugt von Respekt, soll aufklären und Verständnis füreinander schaffen.

Weiter heißt es in dem Schreiben Geigers, dass „mit der geplanten Wirtschaftsreform in der DDR […] neue Aufgaben auf ihre Sparkassen zukommen“ werden. Er betont: „Die Sparkassenorganisation in der Bundesrepublik Deutschland ist gerne bereit, im Rahmen einer Neuordnung des Bank- und Sparkassenwesens beim Aufbau eines selbständigen, dezentral organisierten Sparkassenwesens, einschließlich der Schaffung eines Sparkassenverbandes, zu helfen.“ Damit dieses Vorhaben erfolgreich gelingt, unterbreitet er ein Kooperationsangebot, das er sowohl an die ostdeutschen Sparkassen als auch an die stellvertretende Ministerpräsidentin, Professor Dr. Christa Luft, die Finanzministerin, Uta Nickel, und den Präsidenten der Staatsbank der DDR, Horst Kaminsky, richtet. Helmut Geiger schlägt vor, „eine gemeinsame Arbeitsgruppe zu bilden.“, damit „bald über konkrete Maßnahmen gesprochen werden kann.“

Unterstützen könne die westdeutsche Sparkassenorganisation beispielsweise bei der Aus- und Weiterbildung, bei der Entwicklung neuer Finanzierungstechniken oder beim Ausbau der betrieblichen Infrastruktur, so seine Vorstellungen. Für anstehende Gespräche in Berlin bittet Geiger um Informationen und Anregungen. Er schließt sein Schreiben mit der Aufforderung: „Falls Sie zusätzlichen Informationsbedarf haben, lassen Sie es mich bitte wissen.“****

Wie werden die Sparkassenleiter der DDR auf das Angebot Geigers reagieren? Haben sie Bedarf an Informationen und Unterstützung? Interessiert sie der westdeutsche Sparkassendachverband überhaupt?

Fortsetzung am 26.01.2020
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*Siehe dazu auch Blogserie Teil 1 vom 10.11.2019, Teil 2 vom 13.11.2019.

**Helmut Geiger fungiert von 1972 bis 1993 als Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. In der Wendezeit ist der erfahrene Sparkassenmann 61 Jahre alt. Er verfolgt mit großem Interesse, dass sich die „DDR im Aufbruch auch auf dem Weg zur Demokratie“ befindet. Seine brieflich geäußerten Unterstützungsangebote publiziert er ebenfalls im Heft 1 der „Sparkasse“ von 1990 und sensibilisiert damit seine westdeutschen Sparkassenkollegen für anstehende Herausforderungen auf beiden Seiten.

***Mehr zum ersten „geheimen Treffen“ erfahren Sie im Teil 8 unserer Blogserie, der am 26.01.2020 erscheint.

****Geiger, Helmut: Schreiben an die Direktorinnen und Direktoren der Sparkassen in der DDR, 05.01.1990, Bestand: Historisches Archiv des OSV, Konvolut Horst-Dieter Hoffmann, D/13061/AUG.