Wünsche über Wünsche
Blogserie, Teil 13
Ein Ergebnis des ersten gemeinsamen Arbeitstreffens am 6./7. Februar 1990 war die vereinbarte Meldung von einem „konkreten Bedarf an Kleinmechanisierung in den Sparkassen der DDR“ nach Bonn.
Wie wichtig gerade dieser Punkt für die Direktoren und Mitarbeiter ist, wird deutlich, wenn man näher auf die Zustände in den DDR-Sparkassen schaut. Die Staatsbank des Landes wird aus allen Teilen der Republik immer wieder mit Beschwerden über die unzumutbare Situation konfrontiert. Exemplarisch sei an dieser Stelle aus einem Brief der Stadt- und Kreissparkasse Brandenburg zitiert. Er erreicht den Präsidenten der Staatsbank Horst Kaminsky am 20. Dezember 1989 und spiegelt das Ausmaß in seiner ganzen Breite wider:
[…] Weiterhin sind die Arbeitsbedingungen äußerst mangelhaft, denn es stehen nur veraltete Büromaschinen zur Verfügung, an Kleinmechanisierung ist nicht zu denken, die Arbeitsräume sind unzureichend, keine Entlüftungen bezüglich stickiger Luft, großer Kundenlärm, eine Arbeiterversorgung fehlt gänzlich (kein Mittagessen), die Räume müssen seit einiger Zeit selbst gesäubert werden (keine Reinigungskraft), an praktischen Drehstühlen an den Arbeitsplätzen mangelt es […]**
Die Mitarbeiter betonen, dass sie in der Vergangenheit wiederholt Hinweise gegeben haben, ohne dass sich „bessere Arbeitsbedingungen“ ergeben hätten. Die Arbeitsbelastung sei durch chronische Unterbesetzung, viele Ausfälle und verlängerte Öffnungszeiten fast unerträglich geworden; 12-Stunden-Dienste sind eher die Regel als die Ausnahme. Dennoch – und auch das wird von den Sparkassenangestellten betont – werden die Kunden „mit großer Konzentration“, „fachgerecht und freundlich“ bedient.
Dass hier endlich eine Lösung gefunden werden muss, ist allen Verantwortlichen mehr als klar. Ein erster Schritt soll nun das unbürokratische Verfügbarmachen an benötigten Arbeitsmitteln sein. So ist die „Wunschliste“ mit insgesamt 19.325 Einzelpositionen aus den 196 DDR-Sparkassen schnell zusammengetragen und wird sofort nach Bonn gesendet.*** Von dort kommt auch prompt eine Antwort, die hoffen lässt und gleichzeitig die Schwierigkeiten aufzeigt:
Die „Anforderungen“ scheinen mir insgesamt maßvoll. Ob unsere Sparkassen alle Wünsche erfüllen können, weiß ich natürlich nicht. Probleme sehe ich vor allem bei den Telefonanlagen, PC’s sowie PKW’s bzw. Geldtransportern. Aber wir werden ja sehen. Ich hoffe sehr, unsere gemeinsame Sache kommt voran. Das Engagement vieler ist groß.****
Das Schreiben enthält eine auf den 28. Februar datierte Anlage, aus der ersichtlich wird, an welche Sparkassen im Osten bereits Arbeitsutensilien verschickt worden sind. Die ersten Lieferungen lesen sich wie ein bunter Blumenstrauß an Dingen, die heutzutage im Sparkassenalltag selbstverständlich sind. Sie reichen von Ordnern, Kugelschreiberhaltern, Stempelfarben und Schreibtischarbeitskörben über Klammergeräte, Papierschneidemaschinen, Aktenvernichter und Geldkassetten bis hin zu bespielten Disketten mit Beratungsmaterial für die Kreditgewährung, Schließfachanlagen und sogar schon einem Pkw – die Hilfsaktion des Westens ist Ende Februar 1990 also schon in vollem Gange …
Fortsetzung am 23.02.2020
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*Bedarf an Büroausstattung, Schreiben der Kreissparkasse Döbeln an die Staatsbank der DDR, Bezirksdirektion Rostock, Abteilung Sparkassen, 14.02.1990. Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-66/2004 Bd. 1.
**An den Präsidenten der Staatsbank der DDR! Von Mitarbeitern unterzeichneter Brief der Stadt- und Kreissparkasse Brandenburg, 18.12.1989. Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004a-c.
***“Wunschliste“ der DDR-Sparkassen vom Februar 1990 zur Deckung des jahrzehntelang unbefriedigten Bedarfs. Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-Günther 1/2004; Grafiken zur Wunschliste enthält die Bildgalerie zu diesem Beitrag.
****Schreiben von Hans E. Giese, Referatsleiter beim DSGV und Mitglied der gemeinsamen Arbeitsgruppe DSGV-zukünftiger Sparkassenverband der DDR, an Hans-Georg Günther, Bonn, 02.03.1990. Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-66/2004 Bd. 1.