• Das regionale Betreuungskonzept sah Zuordnungen von Regionalverbänden zu Bezirken der DDR vor (s. a. Grafik im Teil 14 unserer Serie). Das Beispiel Hannover - Leipzig zeigt: Abweichungen, etwa durch vorhandene Städtepartnerschaften, waren möglich. : © Hans-Günther Niepage, Archiv Hillbrecht | Historisches Archiv des OSV

  • Bis Ende April 1990 hatten alle 196 DDR-Sparkassen eine oder mehrere westdeutsche Partnersparkassen. Der DSGV startete dazu eine Umfrage und veröffentlichte sein Ergebnis als detaillierte, nach Bezirken geordnete Übersicht in den Fachmitteilungen vom 15./16. Juni 1990. : © Historisches Archiv des OSV

Die Partnerschaften zwischen Ost und West werden angeschoben

Blogserie, Teil 12

Drei Tage nach Beschluss der Verbandsvorsteherkonferenz schreibt die Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR die Leiter der Sparkassenbezirksstellen zur geplanten flächendeckenden Realisierung des regionalen Betreuungskonzeptes an:

Im Interesse der Herausbildung partnerschaftlicher Beziehungen zwischen den Sparkassen der DDR und der BRD wurden mit dem Sparkassen- und Giroverband der BRD erste Absprachen getroffen.

Es wurde vereinbart, daß in der nächsten Zeit Vertreter der Regionalverbände der Sparkassen der BRD direkt mit den Sparkassen der DDR Verbindung aufnehmen werden.

Ziel der Partnerschaften besteht u. a. darin

  • die Organisation und Durchführung von Schulungsmaßnahmen zu unterstützen sowie
  • materielle Hilfe zu gewähren.

Die konkreten Vereinbarungen zwischen den Sparkassen des jeweiligen Bezirkes und den Regionalverbänden der Sparkassen der BRD sind eigenverantwortlich durch die Leiter der Abteilungen Sparkassen der Bezirksdirektionen zu treffen. Diese Maßnahmen wurden durch den Präsidenten der Staatsbank der DDR bestätigt.

Wir bitten Sie, die Direktoren der Sparkassen entsprechend zu informieren.*

Die republikweite Umsetzung nahm in den Wochen danach an Fahrt auf. In ihren regelmäßigen Arbeitsberatungen beschäftigen sich die Sparkassendirektoren mit dem Stand der Entwicklung. So heißt es am 5. April 1990 zum Beispiel aus Leipzig:

Alle im Bezirk Leipzig ansässigen Sparkassen werden entsprechend zentraler Abstimmung partnerschaftliche Beziehungen zu Sparkassen des BRD-Bundeslandes Baden-Württemberg aufnehmen […] In Kürze ist damit zu rechnen, daß die genannten BRD-Partnersparkassen erste Kontakte zu den Kreissparkassen in unserem Bezirk herstellen.**

Im Protokoll heißt es weiter, dass die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig eigene Wege geht. Denn die Städtepartnerschaft zwischen Hannover und Leipzig hätte inzwischen auch zu einer engen Beziehung beider Sparkassen geführt.

Fortsetzung am 20.02.2020

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*Schreiben der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR, Berlin, 16.02.1990. In: Geiger, Walter ; Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart 1998, S. 160.

**Protokoll der Arbeitsberatung der Direktoren der Sparkassen des Bezirkes Leipzig, 05.04.1990. In: Geiger, Walter ; Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart 1998, S. 161.

  • In Bonn tagen am 12. und 13. Februar 1990 die Verbandsvorsteher der bundesdeutschen Regionalverbände. Ihr Beschluss zu umfangreichen partnerschaftlichen Hilfen für DDR-Sparkassen ist ein wesentlicher Meilenstein in eine wettbewerbsfähige Zukunft. : © Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum Bonn

Ein “voll funktionsfähiges Sparkassenwesen“ in der DDR ist das Ziel – flächendeckende Partnerschaften als Erfolg versprechender Weg

Blogserie, Teil 10

In den ersten Wochen des Jahres 1990 beschleunigt sich der Prozess der politischen und wirtschaftlichen Annäherung beider deutscher Staaten. Bereits am 7. Februar stellt die Bundesrepublik der DDR die Wirtschafts- und Währungsunion in Aussicht. Sie wird ein entscheidender Schritt zur Wiedervereinigung sein.

Angesichts dieser Entwicklung wird die Frage immer dringlicher, wie sich die westdeutsche Sparkassenorganisation gegenüber den DDR-Sparkassen positionieren soll. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) führt bereits seit Anfang Januar Gespräche mit der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR. Als sich die Verbandsvorsteher der regionalen Sparkassenverbände am 12./13. Februar in Bonn zu ihrer turnusmäßigen Sitzung treffen*, kann DSGV-Präsident Helmut Geiger seinen Kollegen daher präzise Vorschläge für das erforderliche Vorgehen präsentieren.**

Sie beruhen auf der Annahme, dass die westdeutschen Großbanken schon bald Vollbanklizenzen in der DDR erhalten und dort Zweigstellen eröffnen werden. Die DDR-Sparkassen können dieser neuen Konkurrenz nur gewachsen sein, wenn sie schnell zu universell tätigen, modernen Kreditinstituten nach bundesdeutschem Vorbild umgebaut werden. Um die Ost- Sparkassen also wettbewerbsfähig aufzustellen, ist eine schnelle Hilfe durch die westdeutsche Sparkassenorganisation notwendig.

Die Verbandsvorsteher teilen diese Überzeugung und sprechen sich für ein umfangreiches Paket von personellen und materiellen Hilfsmaßnahmen aus. Deren Kern ist ein regionales Betreuungskonzept: Westdeutsche Sparkassen sollen flächendeckend Partnerschaften mit DDR-Sparkassen eingehen und sich verpflichten, „für eine technische Mindestausstattung, für personelle Unterstützung durch Entsendung eigener Mitarbeiter und für eine ausreichende Schulung der DDR-Sparkassenmitarbeiter vor Ort zu sorgen.“

Weitere Maßnahmen sind:

·         die Entsendung von ca. 50 Kreditexperten, welche die 15 Bezirksstellen des zukünftigen DDR-Sparkassenverbandes bei der Durchführung des ERP-Programms*** unterstützen sollen

·         die sofortige Schulung der Direktoren der DDR-Sparkassen in speziellen Seminaren

·         und mittelfristige Schulungsprogramme für die mittleren Führungskräfte durch die regionalen Sparkassenakademien in der BRD

Außerdem sollen die DDR-Sparkassen Hilfe beim Aufbau eines Bausparkassensystems und einer Zentralbank erhalten sowie werbliche Unterstützung, „um möglichst rasch ein neues, vertrauensbildendes Image aufzubauen.“

Auf der Basis dieser grundlegenden Entscheidung läuft die nach dem Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ organisierte Solidaraktion an. Um sicherzustellen, dass alle 196 Ostsparkassen Unterstützung erhalten, koordinieren die regionalen Sparkassenverbände der BRD und die Sparkassen-Bezirksstellen der DDR die Zuordnung der Betreuungsinstitute aus dem Westen. Häufig übernehmen gleich mehrere von ihnen gemeinsam die Partnerschaft für eine Sparkasse in der DDR. Am Ende werden sich weit über 400 der annähernd 600 BRD-Sparkassen bei der Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens engagiert haben.

Dr. Thorsten Wehber
Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum des DSGV, Bonn

Fortsetzung am 13.02.2020
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* Die Verbandsvorsteherkonferenz ist ein satzungsmäßiges Gremium des DSGV, das mehrmals im Jahr zusammenkommt. Ihm gehören die Präsidenten aller regionalen Sparkassenverbände an.

** Niederschrift der Verbandsvorsteherkonferenz am 12./13. Februar 1990, Bestand: Sparkassenhistorisches Archiv des DSGV, I. B/9/47.

*** Das als Marshallplan bekannte European Recovery Program (ERP) war für den Wiederaufbau (West-)Europas nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmt. Ein im Rahmen des ERP entstandenes Sondervermögen diente seit 1949 der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen in der BRD. 1990 kamen Mittel aus diesem Sondervermögen auch Betrieben in der DDR zugute.