• Bedarf der von den Sparkassen bis zum 20. Februar 1990 gemeldeten Arbeitsmittel aus den einzelnen Bezirken der DDR. : © Historisches Archiv des OSV

  • Der "Bedarf an Büroausstattung [...] wäre natürlich sehr groß, wenn man alles etwas modernisieren wollte."* Am dringendsten wurden die dargestellten Arbeitsmittel benötigt. : © Historisches Archiv des OSV

  • Insbesondere wurden diese sechs Dinge des täglichen Bürobedarfs von den DDR-Sparkassen genannt. : © Historisches Archiv des OSV

Wünsche über Wünsche

Blogserie, Teil 13

Ein Ergebnis des ersten gemeinsamen Arbeitstreffens am 6./7. Februar 1990 war die vereinbarte Meldung von einem „konkreten Bedarf an Kleinmechanisierung in den Sparkassen der DDR“ nach Bonn.

Wie wichtig gerade dieser Punkt für die Direktoren und Mitarbeiter ist, wird deutlich, wenn man näher auf die Zustände in den DDR-Sparkassen schaut. Die Staatsbank des Landes wird aus allen Teilen der Republik immer wieder mit Beschwerden über die unzumutbare Situation konfrontiert. Exemplarisch sei an dieser Stelle aus einem Brief der Stadt- und Kreissparkasse Brandenburg zitiert. Er erreicht den Präsidenten der Staatsbank Horst Kaminsky am 20. Dezember 1989 und spiegelt das Ausmaß in seiner ganzen Breite wider:

[…] Weiterhin sind die Arbeitsbedingungen äußerst mangelhaft, denn es stehen nur veraltete Büromaschinen zur Verfügung, an Kleinmechanisierung ist nicht zu denken, die Arbeitsräume sind unzureichend, keine Entlüftungen bezüglich stickiger Luft, großer Kundenlärm, eine Arbeiterversorgung fehlt gänzlich (kein Mittagessen), die Räume müssen seit einiger Zeit selbst gesäubert werden (keine Reinigungskraft), an praktischen Drehstühlen an den Arbeitsplätzen mangelt es […]**

Die Mitarbeiter betonen, dass sie in der Vergangenheit wiederholt Hinweise gegeben haben, ohne dass sich „bessere Arbeitsbedingungen“ ergeben hätten. Die Arbeitsbelastung sei durch chronische Unterbesetzung, viele Ausfälle und verlängerte Öffnungszeiten fast unerträglich geworden; 12-Stunden-Dienste sind eher die Regel als die Ausnahme. Dennoch – und auch das wird von den Sparkassenangestellten betont – werden die Kunden „mit großer Konzentration“, „fachgerecht und freundlich“ bedient.

Dass hier endlich eine Lösung gefunden werden muss, ist allen Verantwortlichen mehr als klar. Ein erster Schritt soll nun das unbürokratische Verfügbarmachen an benötigten Arbeitsmitteln sein. So ist die „Wunschliste“ mit insgesamt 19.325 Einzelpositionen aus den 196 DDR-Sparkassen schnell zusammengetragen und wird sofort nach Bonn gesendet.*** Von dort kommt auch prompt eine Antwort, die hoffen lässt und gleichzeitig die Schwierigkeiten aufzeigt:

Die „Anforderungen“ scheinen mir insgesamt maßvoll. Ob unsere Sparkassen alle Wünsche erfüllen können, weiß ich natürlich nicht. Probleme sehe ich vor allem bei den Telefonanlagen, PC’s sowie PKW’s bzw. Geldtransportern. Aber wir werden ja sehen. Ich hoffe sehr, unsere gemeinsame Sache kommt voran. Das Engagement vieler ist groß.****

Das Schreiben enthält eine auf den 28. Februar datierte Anlage, aus der ersichtlich wird, an welche Sparkassen im Osten bereits Arbeitsutensilien verschickt worden sind. Die ersten Lieferungen lesen sich wie ein bunter Blumenstrauß an Dingen, die heutzutage im Sparkassenalltag selbstverständlich sind. Sie reichen von Ordnern, Kugelschreiberhaltern, Stempelfarben und Schreibtischarbeitskörben über Klammergeräte, Papierschneidemaschinen, Aktenvernichter und Geldkassetten bis hin zu bespielten Disketten mit Beratungsmaterial für die Kreditgewährung, Schließfachanlagen und sogar schon einem Pkw – die Hilfsaktion des Westens ist Ende Februar 1990 also schon in vollem Gange …

Fortsetzung am 23.02.2020

——————————————

*Bedarf an Büroausstattung, Schreiben der Kreissparkasse Döbeln an die Staatsbank der DDR, Bezirksdirektion Rostock, Abteilung Sparkassen, 14.02.1990. Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-66/2004 Bd. 1.

**An den Präsidenten der Staatsbank der DDR! Von Mitarbeitern unterzeichneter Brief der Stadt- und Kreissparkasse Brandenburg, 18.12.1989. Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004a-c.

***“Wunschliste“ der DDR-Sparkassen vom Februar 1990 zur Deckung des jahrzehntelang unbefriedigten Bedarfs. Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-Günther 1/2004; Grafiken zur Wunschliste enthält die Bildgalerie zu diesem Beitrag.

****Schreiben von Hans E. Giese, Referatsleiter beim DSGV und Mitglied der gemeinsamen Arbeitsgruppe DSGV-zukünftiger Sparkassenverband der DDR, an Hans-Georg Günther, Bonn, 02.03.1990. Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-66/2004 Bd. 1.

  • Das regionale Betreuungskonzept sah Zuordnungen von Regionalverbänden zu Bezirken der DDR vor (s. a. Grafik im Teil 14 unserer Serie). Das Beispiel Hannover - Leipzig zeigt: Abweichungen, etwa durch vorhandene Städtepartnerschaften, waren möglich. : © Hans-Günther Niepage, Archiv Hillbrecht | Historisches Archiv des OSV

  • Bis Ende April 1990 hatten alle 196 DDR-Sparkassen eine oder mehrere westdeutsche Partnersparkassen. Der DSGV startete dazu eine Umfrage und veröffentlichte sein Ergebnis als detaillierte, nach Bezirken geordnete Übersicht in den Fachmitteilungen vom 15./16. Juni 1990. : © Historisches Archiv des OSV

Die Partnerschaften zwischen Ost und West werden angeschoben

Blogserie, Teil 12

Drei Tage nach Beschluss der Verbandsvorsteherkonferenz schreibt die Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR die Leiter der Sparkassenbezirksstellen zur geplanten flächendeckenden Realisierung des regionalen Betreuungskonzeptes an:

Im Interesse der Herausbildung partnerschaftlicher Beziehungen zwischen den Sparkassen der DDR und der BRD wurden mit dem Sparkassen- und Giroverband der BRD erste Absprachen getroffen.

Es wurde vereinbart, daß in der nächsten Zeit Vertreter der Regionalverbände der Sparkassen der BRD direkt mit den Sparkassen der DDR Verbindung aufnehmen werden.

Ziel der Partnerschaften besteht u. a. darin

  • die Organisation und Durchführung von Schulungsmaßnahmen zu unterstützen sowie
  • materielle Hilfe zu gewähren.

Die konkreten Vereinbarungen zwischen den Sparkassen des jeweiligen Bezirkes und den Regionalverbänden der Sparkassen der BRD sind eigenverantwortlich durch die Leiter der Abteilungen Sparkassen der Bezirksdirektionen zu treffen. Diese Maßnahmen wurden durch den Präsidenten der Staatsbank der DDR bestätigt.

Wir bitten Sie, die Direktoren der Sparkassen entsprechend zu informieren.*

Die republikweite Umsetzung nahm in den Wochen danach an Fahrt auf. In ihren regelmäßigen Arbeitsberatungen beschäftigen sich die Sparkassendirektoren mit dem Stand der Entwicklung. So heißt es am 5. April 1990 zum Beispiel aus Leipzig:

Alle im Bezirk Leipzig ansässigen Sparkassen werden entsprechend zentraler Abstimmung partnerschaftliche Beziehungen zu Sparkassen des BRD-Bundeslandes Baden-Württemberg aufnehmen […] In Kürze ist damit zu rechnen, daß die genannten BRD-Partnersparkassen erste Kontakte zu den Kreissparkassen in unserem Bezirk herstellen.**

Im Protokoll heißt es weiter, dass die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig eigene Wege geht. Denn die Städtepartnerschaft zwischen Hannover und Leipzig hätte inzwischen auch zu einer engen Beziehung beider Sparkassen geführt.

Fortsetzung am 20.02.2020

—————————————

*Schreiben der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR, Berlin, 16.02.1990. In: Geiger, Walter ; Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart 1998, S. 160.

**Protokoll der Arbeitsberatung der Direktoren der Sparkassen des Bezirkes Leipzig, 05.04.1990. In: Geiger, Walter ; Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart 1998, S. 161.

  • Mitarbeiterinnen der Kreissparkasse Quedlinburg in der Wendezeit : © Harzsparkasse; Bestand: Historisches Archiv des OSV

Lohnerhöhungen mit Nachdruck gefordert

Blogserie, Teil 11

Am 13. Februar zwischen 14:00 und 15:00 Uhr sollte er stattfinden, der Warnstreik aller Sparkassenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in der DDR. Bereits am 23. Januar hatten einzelne Sparkassen ihren Betrieb für eine Stunde eingestellt. Die Kreissparkasse Quedlinburg informierte im Nachgang alle anderen Sparkassen von ihrem Streik und über die Beweggründe. Im Mittelpunkt stand die Arbeits- und Lohnsituation.

„Dieser Warnstreik wurde letztlich auch im Interesse unserer Kunden geführt, denn wie sollten wir sonst unsere qualifizierten Mitarbeiter halten, wenn der Verdienst in anderen Bereichen weitaus höher ist. Das Einkommen unserer Kollegen liegt weit unter dem Republikdurchschnitt. Neueinstellungen scheitern immer wieder an diesem Problem. Deshalb leidet unser Institut an einer permanenten Unterbesetzung.“*

Des Weiteren wollte die Kreissparkasse „die Ablösung unserer Vor- und Nachkriegsbestände an Arbeitsmitteln durch moderne Büromöbel und -technik“. Unter anderem wurde eine Konzentration auf die eigentlichen Aufgaben und Dienstleistungen einer Sparkasse gefordert. Dazu gehörte zum Beispiel nicht der Verkauf von FDGB-Marken. Auch die Eigenständigkeit der Institute in der DDR mahnte das Schreiben an. Über den Verlauf des Streiks, für den sich sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreissparkasse ausgesprochen hatten, heißt es:

„In den Tageszeitungen informierten wir die Kunden und baten um Unterstützung durch Vertrauen und Verständnis für diese Maßnahme. An den Schaltern brachten wir Aushänge rechtzeitig an und in den 2 größten Betrieben des Kreises machte zusätzlich der Betriebsfunk auf unseren Streik aufmerksam. Am 23. Januar trat dann von 14.00 – 15.00 Uhr die Belegschaft im gesamten Kreisgebiet vor die Tür und brachte auf Transparenten ihre Forderungen zum Ausdruck. […] Von den Kunden erhielten wir nur Zuspruch und Befürwortung. Dieser 1-stündige Warnstreik wurde von unseren Mitarbeitern vor- oder nachgearbeitet.“  

Bis zum 13. Februar wurden annehmbare Vorschläge von der Staatsbank und der Zentralstelle der zuständigen Gewerkschaft gefordert. Sonst sollte der Warnstreik wiederholt werden. „Wir hoffen, dass sich alle Mitarbeiter der Sparkassen an diese Forderungen anschließen.“ Die von der Kreissparkasse Quedlinburg benannten Probleme kannten auch die anderen DDR-Sparkassen. Viele Institute schlossen sich letztlich dem Aufruf an, andere erklärten sich zumindest mit den Kolleginnen und Kollegen solidarisch und schickten Beschwerdeschreiben nach Berlin.

Was die Forderung nach mehr Geld betraf, so kündigte der Ministerrat der DDR am 1. Februar 1990 grundsätzliche Verbesserungen an. Eine Woche später fanden die Tarifpartner – der Präsident der Staatsbank und der Zentralvorstand der „Gewerkschaft der Mitarbeiter der Staatsorgane und der Kommunalwirtschaft“ – eine Vereinbarung zu den Löhnen und Gehältern in Banken und Sparkassen. Demnach sollten gewerblich Beschäftigte zum 1. März durchschnittlich 150,00 Mark mehr bekommen. Für alle anderen Beschäftigten der Sparkassen waren zum 1. Juni durchschnittlich 200,00 Mark mehr Gehalt angedacht.**

Nicht nur wegen des späten Termins für die Angestellten regte sich Widerstand bei den Sparkassen. Man forderte auch deutlich mehr Geld. Es hagelte Protestschreiben. Weitere Arbeitsniederlegungen drohten. So wurde etwa für den 6. März ein vierstündiger Generalstreik angekündigt.*** Letztlich beugte sich der Staatsbankpräsident dem Druck, nachdem Vertreter, unter anderem aus Quedlinburg, persönlich zu einem Gespräch in Berlin erschienen waren.**** Zum 1. März 1990 wurden die Lohn- und Gehaltserhöhungen erkämpft.

Fortsetzung am 16.02.2020
__________________________

* Schreiben der Kreissparkasse Quedlinburg: An alle Mitarbeiter der Sparkassen!, 25.1.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-191/2010

** Vgl. Schreiben des Leiters der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR, Rainer Voigt, an die Kreissparkasse Pirna, 13.2.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-191/2010

*** Vgl. Resolution der Kreissparkasse Sangerhausen an den Präsidenten der Staatsbank der DDR, 13.2.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004 c

**** So berichtete etwa die Deister- und Weserzeitung in einem Artikel am 19.2.1990 vom Erfolg der Quedlinburger in Berlin; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004 c

  • In Bonn tagen am 12. und 13. Februar 1990 die Verbandsvorsteher der bundesdeutschen Regionalverbände. Ihr Beschluss zu umfangreichen partnerschaftlichen Hilfen für DDR-Sparkassen ist ein wesentlicher Meilenstein in eine wettbewerbsfähige Zukunft. : © Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum Bonn

Ein “voll funktionsfähiges Sparkassenwesen“ in der DDR ist das Ziel – flächendeckende Partnerschaften als Erfolg versprechender Weg

Blogserie, Teil 10

In den ersten Wochen des Jahres 1990 beschleunigt sich der Prozess der politischen und wirtschaftlichen Annäherung beider deutscher Staaten. Bereits am 7. Februar stellt die Bundesrepublik der DDR die Wirtschafts- und Währungsunion in Aussicht. Sie wird ein entscheidender Schritt zur Wiedervereinigung sein.

Angesichts dieser Entwicklung wird die Frage immer dringlicher, wie sich die westdeutsche Sparkassenorganisation gegenüber den DDR-Sparkassen positionieren soll. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) führt bereits seit Anfang Januar Gespräche mit der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR. Als sich die Verbandsvorsteher der regionalen Sparkassenverbände am 12./13. Februar in Bonn zu ihrer turnusmäßigen Sitzung treffen*, kann DSGV-Präsident Helmut Geiger seinen Kollegen daher präzise Vorschläge für das erforderliche Vorgehen präsentieren.**

Sie beruhen auf der Annahme, dass die westdeutschen Großbanken schon bald Vollbanklizenzen in der DDR erhalten und dort Zweigstellen eröffnen werden. Die DDR-Sparkassen können dieser neuen Konkurrenz nur gewachsen sein, wenn sie schnell zu universell tätigen, modernen Kreditinstituten nach bundesdeutschem Vorbild umgebaut werden. Um die Ost- Sparkassen also wettbewerbsfähig aufzustellen, ist eine schnelle Hilfe durch die westdeutsche Sparkassenorganisation notwendig.

Die Verbandsvorsteher teilen diese Überzeugung und sprechen sich für ein umfangreiches Paket von personellen und materiellen Hilfsmaßnahmen aus. Deren Kern ist ein regionales Betreuungskonzept: Westdeutsche Sparkassen sollen flächendeckend Partnerschaften mit DDR-Sparkassen eingehen und sich verpflichten, „für eine technische Mindestausstattung, für personelle Unterstützung durch Entsendung eigener Mitarbeiter und für eine ausreichende Schulung der DDR-Sparkassenmitarbeiter vor Ort zu sorgen.“

Weitere Maßnahmen sind:

·         die Entsendung von ca. 50 Kreditexperten, welche die 15 Bezirksstellen des zukünftigen DDR-Sparkassenverbandes bei der Durchführung des ERP-Programms*** unterstützen sollen

·         die sofortige Schulung der Direktoren der DDR-Sparkassen in speziellen Seminaren

·         und mittelfristige Schulungsprogramme für die mittleren Führungskräfte durch die regionalen Sparkassenakademien in der BRD

Außerdem sollen die DDR-Sparkassen Hilfe beim Aufbau eines Bausparkassensystems und einer Zentralbank erhalten sowie werbliche Unterstützung, „um möglichst rasch ein neues, vertrauensbildendes Image aufzubauen.“

Auf der Basis dieser grundlegenden Entscheidung läuft die nach dem Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ organisierte Solidaraktion an. Um sicherzustellen, dass alle 196 Ostsparkassen Unterstützung erhalten, koordinieren die regionalen Sparkassenverbände der BRD und die Sparkassen-Bezirksstellen der DDR die Zuordnung der Betreuungsinstitute aus dem Westen. Häufig übernehmen gleich mehrere von ihnen gemeinsam die Partnerschaft für eine Sparkasse in der DDR. Am Ende werden sich weit über 400 der annähernd 600 BRD-Sparkassen bei der Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens engagiert haben.

Dr. Thorsten Wehber
Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum des DSGV, Bonn

Fortsetzung am 13.02.2020
_______________________

* Die Verbandsvorsteherkonferenz ist ein satzungsmäßiges Gremium des DSGV, das mehrmals im Jahr zusammenkommt. Ihm gehören die Präsidenten aller regionalen Sparkassenverbände an.

** Niederschrift der Verbandsvorsteherkonferenz am 12./13. Februar 1990, Bestand: Sparkassenhistorisches Archiv des DSGV, I. B/9/47.

*** Das als Marshallplan bekannte European Recovery Program (ERP) war für den Wiederaufbau (West-)Europas nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmt. Ein im Rahmen des ERP entstandenes Sondervermögen diente seit 1949 der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen in der BRD. 1990 kamen Mittel aus diesem Sondervermögen auch Betrieben in der DDR zugute.

  • Die Daten für die Grafik sind dem Geschäftsbericht der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig für 1989, Seite 6 entnommen. : © Historisches Archiv des OSV

Personalnot bei der Sparkasse Leipzig

Am 10. Januar 1990 fertigte die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig, nach der Sparkasse der Stadt Berlin das größte Institut in der DDR, ihren Jahresabschluss für 1989 aus. Durch die Unterlagen der Staatsbank der DDR ist nicht nur er, sondern sind auch die Abschlüsse der anderen ostdeutschen Sparkassen in unserem Archiv überliefert. Allein aus Leipzig haben wir jedoch zugleich den zugehörigen Geschäftsbericht im Bestand. In ihm sind die Probleme, welche die Großsparkasse im System der zentralistischen Planwirtschaft hatte, klar benannt.

Wegen der Mangelwirtschaft konnte die Sparkasse zum Beispiel nicht ausreichend Drehstühle für ihre Beschäftigten beschaffen. Und weil die neuen Geldautomaten aus DDR-Produktion öfters ausfielen, war die Kundschaft sauer. Beschwert wurde sich auch über lange Wartezeiten am Schalter. Dabei war der Sparkasse doch gar nicht genügend Personal zugestanden worden. Die Personalsituation hatte sich 1989 sogar weiter verschlechtert. Es gab 128 Ab- und 71 Zugänge. Die Unterbesetzung war aber kein neues Phänomen, wie der Geschäftsbericht darlegt. Für eine hohe Fluktuation sorgten etwa die schlechten Arbeitsbedingungen und die unterdurchschnittliche Entlohnung.

  • Helmut Geiger wendet sich am 5. Januar 1990 erstmals persönlich an die Sparkassenleiter in der DDR. : © Historisches Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes | Bild Helmut Geiger, 1980er Jahre, Quelle: Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum Bonn

  • Gut informiert in eine neue Zeit - Die „Deutsche Sparkassenzeitung“ und die „Sparkasse“ werden ab Januar 1990 auch in den DDR-Sparkassen gelesen. : © Historisches Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes

„Falls Sie zusätzlichen Informationsbedarf haben, lassen Sie es mich bitte wissen.“

Blogserie, Teil 7

Die Öffnung der Grenzen hatte den Ostdeutschen Reisefreiheit und den bundesdeutschen Geldhäusern einen ungewöhnlich hohen Andrang beschert.* Diese Entwicklung wird mit großem Interesse auf beiden Seiten verfolgt, ja, in ihr werden sogar „große Chancen für mehr Miteinander und Kooperation“ gesehen, wie Dr. Helmut Geiger feststellt.**

Geiger wendet sich am 5. Januar 1990 in seiner Funktion als Präsident des Dachverbandes der bundesdeutschen Sparkassenorganisation DSGV erstmals persönlich an die Leiter der Sparkassen der DDR und bietet auf diesem Weg seine Unterstützung an. Drei Tage zuvor hatte es ein erstes gemeinsames, aber noch „geheimes Treffen“ zwischen Vertretern der Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR und Vertretern des DSGV gegeben, das auf beiden Seiten tiefe Spuren hinterlassen hatte und schließlich zum Auftakt für eine intensive Zusammenarbeit werden sollte.***

In einem ersten Schritt möchte Geiger nun die ostdeutschen Sparkassen mit Informationen zum „Bank- und Sparkassenwesen in der Bundesrepublik Deutschland“ versorgt wissen. Daher kündigt er an, die wichtigsten öffentlichen Publikationen unkompliziert zur Verfügung zu stellen. Die Ostsparkassen sollen die „Deutsche Sparkassenzeitung“ und die „Sparkasse“ zukünftig erhalten. Beide Blätter werden 1990 auch aus der DDR berichten. So beschäftigt sich beispielsweise die „Sparkasse“ unter anderem vertiefend mit den Bankgeschäften der DDR, mit dem Bausparen, dem DDR-Kreditwesen, mit der Wirtschaft und der Staatsbank der DDR sowie mit dem Zahlungsverkehr, mit Städtepartnerschaften und schließlich auch mit dem Sparkassenverband der DDR. Gleich in der ersten Ausgabe erläutert Professor Dr. Günter Ashauer „Das Bankwesen in der Deutschen Demokratischen Republik“, seine „Struktur, Funktionen, Perspektiven“. Diese offensive Vorgehensweise zeugt von Respekt, soll aufklären und Verständnis füreinander schaffen.

Weiter heißt es in dem Schreiben Geigers, dass „mit der geplanten Wirtschaftsreform in der DDR […] neue Aufgaben auf ihre Sparkassen zukommen“ werden. Er betont: „Die Sparkassenorganisation in der Bundesrepublik Deutschland ist gerne bereit, im Rahmen einer Neuordnung des Bank- und Sparkassenwesens beim Aufbau eines selbständigen, dezentral organisierten Sparkassenwesens, einschließlich der Schaffung eines Sparkassenverbandes, zu helfen.“ Damit dieses Vorhaben erfolgreich gelingt, unterbreitet er ein Kooperationsangebot, das er sowohl an die ostdeutschen Sparkassen als auch an die stellvertretende Ministerpräsidentin, Professor Dr. Christa Luft, die Finanzministerin, Uta Nickel, und den Präsidenten der Staatsbank der DDR, Horst Kaminsky, richtet. Helmut Geiger schlägt vor, „eine gemeinsame Arbeitsgruppe zu bilden.“, damit „bald über konkrete Maßnahmen gesprochen werden kann.“

Unterstützen könne die westdeutsche Sparkassenorganisation beispielsweise bei der Aus- und Weiterbildung, bei der Entwicklung neuer Finanzierungstechniken oder beim Ausbau der betrieblichen Infrastruktur, so seine Vorstellungen. Für anstehende Gespräche in Berlin bittet Geiger um Informationen und Anregungen. Er schließt sein Schreiben mit der Aufforderung: „Falls Sie zusätzlichen Informationsbedarf haben, lassen Sie es mich bitte wissen.“****

Wie werden die Sparkassenleiter der DDR auf das Angebot Geigers reagieren? Haben sie Bedarf an Informationen und Unterstützung? Interessiert sie der westdeutsche Sparkassendachverband überhaupt?

Fortsetzung am 26.01.2020
_______________________

*Siehe dazu auch Blogserie Teil 1 vom 10.11.2019, Teil 2 vom 13.11.2019.

**Helmut Geiger fungiert von 1972 bis 1993 als Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. In der Wendezeit ist der erfahrene Sparkassenmann 61 Jahre alt. Er verfolgt mit großem Interesse, dass sich die „DDR im Aufbruch auch auf dem Weg zur Demokratie“ befindet. Seine brieflich geäußerten Unterstützungsangebote publiziert er ebenfalls im Heft 1 der „Sparkasse“ von 1990 und sensibilisiert damit seine westdeutschen Sparkassenkollegen für anstehende Herausforderungen auf beiden Seiten.

***Mehr zum ersten „geheimen Treffen“ erfahren Sie im Teil 8 unserer Blogserie, der am 26.01.2020 erscheint.

****Geiger, Helmut: Schreiben an die Direktorinnen und Direktoren der Sparkassen in der DDR, 05.01.1990, Bestand: Historisches Archiv des OSV, Konvolut Horst-Dieter Hoffmann, D/13061/AUG.