• Nur 20 Reichsmark bekamen Kundinnen und Kunden ab dem 20. Juli 1931 vom Sparbuch ausgezahlt. : © Historisches Archiv des OSV

Krisenzeit vor 90 Jahren

Am 13. Juli 1931 geschah Ungeheuerliches im deutschen Bankenwesen. Die zweitgrößte Bank, die Darmstädter und Nationalbank (Danat-Bank), musste überraschend schließen. Massive Kapitalabzüge ausländischer Geldgeber und der Ausfall eines industriellen Großkunden hatten sie zahlungsunfähig gemacht. Die Reichsbank als „Lender of Last Resort“ konnte nicht mit Liquiditätsmitteln helfen. Sie sorgte sich um die Währungsstabilität, weil ihre Deckungsreserven zurückgingen. Internationale Anleger verloren damals zunehmend das Vertrauen in den Standort Deutschland. Verkündete Reichskanzler Brüning doch – um keine Reparationen mehr zahlen zu müssen – das Land stehe kurz vor dem Bankrott. Da deutsche Banken ihre ausländischen Gläubiger auszahlen mussten, schwanden die Gold- und Devisenreserven der Reichsbank. Damit sank die Notendeckung. Man befürchtete einen Eingriff in die Geldverfassung, etwa eine Abwertung der Währung. Das Misstrauen wuchs. Die „Flucht aus der Reichsmark“ betraf auch inländische Anleger. Nicht vertrauensbildend war, dass die deutsche Zentralbank sich nur noch mit einem Notkredit ausländischer Zentralbanken „über Wasser hielt“.

So gab es für die Danat-Bank bloß eine staatliche Ausfallbürgschaft und eine Garantie für die Einlagen. Das beruhigte ihre Kunden aber nicht. Und es beruhigte erst recht nicht die Kundschaft der deutschen Sparkassen. Die Sparkassen waren im Mengengeschäft tätig und wurden zwangsläufig von der Vertrauenskrise getroffen. Die Kundinnen und Kunden waren durch die Inflationserfahrung 1923 sensibilisiert. Das ab 1924 neu angesparte Geld war oft das einzige Vermögen. Der Schaltersturm traf also ebenfalls Geldinstitute, die nicht ans Ausland verschuldet oder insolvent waren. Es gab aber auch hausgemachte Probleme. So sorgten in Sachsen die Haushaltsschwierigkeiten der Träger für Beunruhigung. Es hatte sogar einen Konkurs gegeben. Dabei besaß das Sparkassenvermögen keinen Vollstreckungsschutz. Die kommunalen Geldinstitute waren Einrichtungen der Gemeinden und verfügten über keine rechtliche Selbstständigkeit. Vorgeworfen wurde klammen Kommunen, dass sie ihre Sparkassen als Finanzierungsinstrumente nutzten, obwohl sie ihre Kredite nicht zurückzahlen konnten. Solche Schlagzeilen zerstörten Vertrauen.

Am 13. Juli 1931 kamen also mehrere Krisen zusammen. Dies wird oft nicht erwähnt, wenn es um die Bankenkrise geht. Verheerende Wirkungen gab es wegen der gleichzeitigen Haushaltskrise des Reichs und der Kommunen sowie der Währungskrise. Die Menschen drängten an die Sparkassenschalter. In dieser Situation empfahl der Präsident des Sächsischen Sparkassenverbandes, Dr. Johann Christian Eberle, den Verbandsmitgliedern, die Kundschaft durch das Entsprechen ihrer Auszahlungswünsche zu beruhigen. Das war die einzige Möglichkeit. Worte halfen nicht. Bei einem sehr großen Andrang konnten die Barmittel aber nicht lange ausreichen. Kommunalkredite waren wegen der schwierigen Finanzlage der Gemeinden oft „festgefroren“. Hypothekenkredite waren langfristige Anlagen. Wertpapiere konnten nur unter großen Verlusten „flüssig gemacht“ werden. Schon am Folgetag benötigte man die Hilfe der Reichsbank. Diese wollte aber auch wegen der Notlage der Sparkassen nicht die Währungskrise verschärfen und eine Inflation heraufbeschwören.

Infolge des allgemeinen Bankruns soll im Deutschen Reich vor 90 Jahren ein Fünftel der umlaufenden Geldmenge gehortet worden sein. Das Bare landete zum Beispiel unter Matratzen. Die Regierung Brüning dachte zunächst daran, der Zahlungskrise mit Notgeld zu begegnen. Dieses Mittel der Inflationszeit wurde zum Glück nicht gewählt. Stattdessen erfolgte die Verordnung von zwei allgemeinen Bankfeiertagen am 14. und 15. Juli. Dies verschaffte den Geldinstituten eine Atempause, um Zahlungsmittel zu mobilisieren. Aber es gab auch negative Auswirkungen. So bezeichneten etwa die sächsischen Großsparkassen die Schließung als eigentliche Ursache für einen Run auf die Einlagen. Die Stadtsparkasse Leipzig als einlagenstärkstes sächsisches Institut schrieb in ihrem Geschäftsbericht:

„Die weitere Aufwärtsbewegung im Sparverkehr im ersten Halbjahr 1931 wurde durch die Zahlungskrise im Juli 1931 jäh unterbrochen. Die Bankfeiertage und die sich daran anschließenden weiteren Einschränkungen im Zahlungsverkehr erzeugten bei der Sparkundschaft eine noch nie dagewesene Vertrauenskrise, die sich in der Hauptsache in unüberlegten und überstürzten Angstkündigungen und -abhebungen äußerte. Alle Beruhigungsversuche scheiterten an der nicht wegzuleugnenden Tatsache, daß die große Zahl der Sparer wochenlang gehindert war, in der gewohnten Weise über ihre Sparguthaben zu verfügen.“

Mancher befürchtete in diesen Tagen eine staatliche Beschlagnahmung seines Eigentums, ein anderer eine neue Inflation. Am 15. Juli sank die Notendeckung unter die 1924 festgelegte Mindestgrenze, da die Bankfeiertage weitere ausländische Kreditkündigungen provoziert hatten. Überliefert ist für Sachsen, dass aus Furcht nicht nur Devisen und Edelmetalle gehamstert wurden. Es wurde auch Geld in Waren „angelegt“. Davon profitierte zum Beispiel die sächsische Möbelindustrie. Angesichts der Währungskrise ging die Regierung verstärkt gegen Kapitalflucht vor und die Reichsbank kontrollierte fortan den Gold- und Devisenverkehr. Erst als die Abflüsse ins Ausland eingedämmt wurden, erweiterte die Zentralbank ihr Angebot und gab den Sparkassen im Freistaat einen ersten Kredit. Auch weil Banken gerettet werden mussten, stellte sie nur begrenzt Liquiditätsmittel zur Verfügung. Zunächst durften zur Monatsmitte Empfänger beziehungsweise Sender von Lohn-, Gehalts- und Unterhaltsleistungen ans Sparkassenkonto. Erst ab dem 20. Juli 1931 bekamen Sparende etwas ausgezahlt. Bis zum 8. August durften Sparerinnen und Sparer nur alle Tage Beträge erhalten, zunächst 20, dann 30 und schließlich 50 Reichsmark (RM).

Dass der stärkste Ansturm danach erfolgte, berichtete nicht nur die Leipziger Stadtsparkasse. Wegen der staatlichen Vorgaben duften Kündigungsfristen von Guthaben erst ab dem 8. August 1931 laufen. Der Abfluss von Einlagen wurde so aufgeschoben. Es gab zwar im Juli besonders viele Auszahlungsvorgänge bei den sächsischen Sparkassen. In Leipzig waren es fast 64.000. Die umfangreichsten Auszahlungen erfolgten jedoch verzögert erst im September. Bei der Stadtsparkasse wurden knapp 14 Mio. RM konstatiert. Durch ihre Girozentrale in Dresden bekamen die Sparkassen Reichsbankdarlehn vermittelt, welche sie zur Finanzierung der Abflüsse benötigten. Erschwerend kam übrigens dazu, dass die Kundschaft nach den Erfahrungen mit den Zahlungsbeschränkungen im Sommer ihr Bares lieber zu Hause behielt und nicht zur Sparkasse brachte.

Wie konnte man Vertrauen aufbauen und die Menschen wieder zum Sparen bewegen? Hinsichtlich der Sparkassen verordnete Reichspräsident Hindenburg am 6. Oktober 1931 eine Umgestaltung zu Anstalten mit eigener Rechtspersönlichkeit. Auch das Vermögen wurde von dem der Träger klar getrennt. Die Selbstständigkeit, welche im Freistaat Sachsen am 13. Mai 1932 angeordnet wurde, stellte angesichts der Krisenerfahrung eine Notwendigkeit zur Erhaltung und Wiedergewinnung von Kundenvertrauen dar. Die Finanzlage der Gemeinden konnte sich nicht auf die Sparkassen auswirken. Das Reich untersagte weitere Kommunalkredite, weil darin eine Ursache für Illiquidität gesehen wurde. Sachsen beschloss am 21. September 1931 ein umfassendes kommunales Konsolidierungsprogramm. Nicht nur die Sparkassen warben im Herbst 1931 intensiv für die Sicherheit der Reichsmark-Währung. Trotz sinkender Deckung vollzog die Reichsbank nämlich keine Abwertung. Der Staat praktizierte eine Deflationspolitik. Reichskanzler Brüning und Reichsbankpräsident Luther wollten eine Inflation unbedingt vermeiden. Dies mochte die Sparerinnen und Sparer beruhigen, verschärfte jedoch ebenso wie die Bankenkrise die fortschreitende Wirtschaftskrise. Wegen der ungünstigen Wirtschaftslage und der instabilen politischen Verhältnisse am Ende der Weimarer Republik konnte der Rückschlag im Spargeschäft nicht schnell ausgeglichen werden.

  • Motive von Werbepostkarten der LBS Sachsen, 1930er-Jahre : © Historisches Archiv des OSV

Vom Beginn des Bausparens in Chemnitz

Genau vor 90 Jahren nahm die Landesbausparkasse Sachsen ihre Tätigkeit auf. Dass sie in Form eines Zweckverbandes gegründet werden konnte, ist vor allem dem Engagement des sächsischen Verbandspräsidenten Dr. Johann Christian Eberle zu verdanken. Er wirkte nicht nur durch die Verbreitung des Giroverkehrs als Sparkassenreformer. Auch das Bauspargeschäft ergänzte die Tätigkeit der Sparkassen in ihrem Geschäftsgebiet. Durch das vertragliche, gemeinsame Sparen sollten der Neubau, der Kauf, der Umbau sowie die Entschuldung von Wohngebäuden gefördert werden. Das war in der Zeit der Weltwirtschaftskrise, die sich im Industrieland Sachsen besonders schädlich auswirkte, nicht ganz einfach.

Dies berichtete etwa die Stadtsparkasse Chemnitz im Geschäftsbericht für 1930. So wurden lediglich von 7 Bausparern 14 Bausparverträge mit einer Gesamtvertragssumme von 100.000 Reichsmark abgeschlossen. Doch es gab Schützenhilfe. Um die örtliche Wohnungsbautätigkeit zu stärken, schlossen damals Gemeinden Verträge aus Mitteln ihrer Sparkassen ab. Diese Vorratsverträge wurden nach der Zuteilung an private Bausparer übergeleitet. Die Stadt Chemnitz schloss 300 Verträge über insgesamt 1,5 Mio. Reichsmark ab. Bei der ersten Baugeldzuteilung am 14. Dezember 1930 sollten dann zwei Verträge über 20.000 Reichsmark zugeteilt werden und der örtlichen Wohnungswirtschaft zugutekommen.

  • Versicherung Sachsen Sparkassen 1919

    Solche Werbemarken klebten die sächsischen Sparkassen zum Beispiel 1921 auf Sparbücher. : © Historisches Archiv des OSV

Die Gründung einer Versicherungsanstalt der sächsischen Sparkassen

Im Dresden fand vor genau 100 Jahren die Gründungsversammlung einer öffentlichen Lebensversicherungsanstalt der Sparkassen im Freistaat Sachsen statt. Der Verbandsvorsteher Dr. Johann Christian Eberle war es, der im Versicherungsgeschäft eine Möglichkeit erkannt hatte, die Kundenbindung der Sparkassen zu intensivieren. Wenn Menschen nicht das Sparbuch als Mittel zum Vorsorgen bevorzugten, sondern lieber in eine Versicherung investierten, so mussten die Sparkassen mit der Zeit gehen. Die Produktpalette der kommunalen Geldinstitute wurde erweitert.

Mitglieder der neuen Versicherungsanstalt wurden aber nicht die sächsischen Sparkassen selbst, sondern ihre Träger. Vertreter von 140 Gemeinden waren bei der Gründungsversammlung am 26. Mai 1919 anwesend, von Adorf im Vogtland bis Zwönitz im Erzgebirge. Sie genehmigten einstimmig den Namen der Anstalt und berieten den Satzungsentwurf. Dieser wurde nach wenigen Änderungen ebenfalls einstimmig angenommen.  Man wählte einen Verwaltungsrat. Als Gründungsmitglieder galten alle Gemeinden, die bis zum 17. Juni  1919 ihren Beitritt erklärten. Sie beteiligten sich per Umlage am Stammkapital sowie an einem Einrichtungs- und an einem Verwaltungskostenvorschuss.

Doch erst am 22. Dezember des Jahres segnete das sächsische Ministerium des Innern die Satzung der Anstalt ab. Es folgten Verhandlungen zur Mitgliedschaft im Verband der öffentlichen Lebensversicherungsanstalten Deutschlands. Da das Ministerium der Auffassung war, die Vorstandswahl sei erst nach der Satzungsgenehmigung rechtmäßig, wurde zur ersten Verbandsversammlung am 23. März 1920 eingeladen. Die Mitgliederzahl betrug nun schon 205. Die Wahl wurde wiederholt. Fünf Bürgermeister und drei Gemeindevorstände wurden einstimmig in den Vorstand gewählt.

Die Geschäftstätigkeit konnte dann am 1. April 1920 aufgenommen werden. Der erste Verwaltungsbericht betrachtet den Zeitraum bis Ende 1921. Abgeschlossen wurden demnach vor allem Kapitalversicherungen auf den Todesfall mit beziehungsweise ohne ärztliche Untersuchung. Es gab auch Rentenversicherungen. Mitte der 1920er-Jahre erfolgte die Umbenennung der Anstalt, weil nicht nur Lebensversicherungen angeboten wurden. Dazu können Sie in diesem Blogbeitrag weiterlesen.

  • © Historisches Archiv des OSV

Eberle auf dem Deutschen Sparkassentag

Gerade findet in den Hallen der Hamburg Messe der 26. Deutsche Sparkassentag statt. Dazu sind hochkarätige Referentinnen und Referenten geladen, die an zwei Tagen zu verschiedensten Themen sprechen. Über das vielfältige Programm der größten Zusammenkunft der Sparkassen-Finanzgruppe können Sie sich hier informieren.

Blicken wir 110 Jahre zurück, so war der Sparkassentag nicht viel mehr als die Mitgliederversammlung des damaligen Deutschen Sparkassen-Verbandes. Er fand am 4. Dezember 1909 im Charlottenburger Rathaus statt. Bedeutend war die Veranstaltung, weil es um die Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ging. Drei Referenten besprachen geeignete Formen. Einer von ihnen war der sächsische Verbandsvorsteher und Nossener Bürgermeister Dr. Johann Christian Eberle.

Er befürwortete eine Anpassung des Sparkassengedankens an die neue Zeit. Die Weiterentwicklung der Sparkassen sollte sich nach den realen Bedürfnissen des täglichen Lebens richten. Den bargeldlosen Zahlungsverkehr nannte er „einen neuen Trieb aus der alten Wurzel der Sparkassen“*. Auch der Verrechnungsverkehr konnte wirtschaftlich schwächer gestellten Menschen nützlich sein. Die Möglichkeit des Personalkredits für den Mittelstand thematisierte Eberle.

Seine engagierte Werbung für den Giroverkehr hatte Erfolg. Die dringende Notwendigkeit zur Modernisierung wurde von den Teilnehmern erkannt. Der Verbandstag empfahl mit überwältigender Mehrheit die Gründung von Überweisungsverbänden in den Ländern. Als geeignet galt dabei das in Sachsen seit Anfang 1909 praktizierte System. Nach diesem Vorbild sollte zunächst in Pommern 1912 der nächste Giroverband tätig werden.

* Die Rede findet sich in Die Sparkasse – Amtliches Fachblatt des Deutschen Sparkassen-Verbandes Nr. 668/1910 S. 1-3 und Nr. 669/1910 S. 21-23.

  • Dr. Michael Ermrich, Michael Kretzschmer, Helmut Schleweis und der Landrat Arndt Steinbach (v.l.n.r.) beim Tortenanschnitt und der anschließenden Verteilung von kleinen Kirsch-Sand-Kuchen vor dem Rathaus Nossen : © Thomas Koehler/photothek/Ostdeutscher Sparkassenverband

  • Eberles Arbeitszimmer im Rathaus heute: Bis auf den Bürostuhl ist die Einrichtung noch im Original erhalten. : © Historisches Archiv des OSV

  • Am 3. Mai 2019 wurde die Skulptur am Eingangsbereich des Rathauses feierlich enthüllt. : © Thomas Koehler/photothek/Ostdeutscher Sparkassenverband

In Nossen wurde gefeiert!

Man weiß wirklich nicht, was Johann Christian Eberle von einem Festakt zu seinen Ehren gehalten hätte. Einem Festakt, bei dem lobende Reden über sein Leben und Wirken gehalten werden, eine Torte mit seinem Porträt an die Bürger der Stadt Nossen verteilt und eine lebensgroße Skulptur enthüllt wird. Vielleicht hätte er still in sich hineingeschmunzelt, vielleicht hätte er –  als der bescheidene Mensch, als der er galt – an der Veranstaltung etwas ungläubig und zurückhaltend teilgenommen.

Wir wollten ihn jedoch ausgiebig feiern am 3. Mai 2019 in Nossen! Allen voran die große Sparkassenfamilie, die Eberle so viel zu verdanken hat. Die Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Helmut Schleweis sowie des Ostdeutschen Sparkassenverbandes Dr. Michael Ermrich waren angereist und der Vorstandsvorsitzende und zahlreiche Mitarbeiter der örtlichen Sparkasse Meißen waren anwesend. Da Eberle nicht nur ein Sparkassenmann, sondern auch mit Herzblut Bürgermeister war, erwiesen ihm viele Lokalpolitiker die Ehre. Der Ministerpräsident des Landes Sachsen, Michael Kretschmer, ließ es sich nicht nehmen, die Geburtstagstorte eigenhändig anzuschneiden.

Johann Christian Eberle wurde vor 150 Jahren geboren. Seine bis heute wirkende Innovation – den Sparkassen 1909 den Giroverkehr gebracht zu haben – kann nicht genug gewürdigt und gefeiert werden. „Ein Schritt vom reitenden Geldboten zum bargeldlosen Zahlungsverkehr“ sei damit vollzogen worden, so Helmut Schleweis in seinem Grußwort. Eberle sei nicht nur ein großer Sparkassenstratege gewesen, sondern auch ein Mann, der verstanden hat, was die Menschen brauchen, um ihr Leben einfacher zu gestalten.

Besonders gut dürfte Eberle gefallen haben, dass sein jahrelanges Engagement für einen stabilen und gut finanzierten, gewerblichen Mittelstand bis heute nachwirkt. Dr. Michael Ermrich betonte in seiner Rede, dass Deutschland seine wirtschaftliche Macht aus starken mittelständigen Unternehmen beziehe, welche vor allem durch Kredite aus dem Giroverkehr auf soliden Füßen stehen. Der Keim dieser Idee sei in Nossen durch Eberle gepflanzt worden.

Ob Eberle auch ein Genussmensch war, ist leider nicht überliefert. Jedenfalls ließen es sich die Festteilnehmer beim anschließenden Tortenanschnitt und der Kuchenverteilung vor dem Rathaus gut schmecken. Übrigens ist der Bau des Rathauses in Nossen ebenfalls ein Verdienst von Johann Christian Eberle. Als eine der letzten Kommunen Sachsens ohne Rathaus konnte er den Neubau 1914/1915 dank seiner guten Haushaltsführung in Angriff nehmen.

Eberle prägte die sächsische Kleinstadt Nossen und die deutsche Sparkassenlandschaft nachhaltig. Die Nossener werden von nun an bei jedem Gang ins Rathaus an ihn erinnert. Der Abguss einer Bronzeplastik, die bereits seit einigen Jahren am Dr.-Eberle-Platz in Meißen steht, wurde als Höhepunkt der Feierlichkeiten hier enthüllt. Der derzeitige Bürgermeister, Uwe Anke, fühlt sich wahrscheinlich noch stärker mit Eberle verbunden. Sein Amtszimmer und der Sitzungssaal sind noch im Original aus der Zeit Eberles erhalten.

Laut des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes verwalten die Sparkassen heute bundesweit fast 48 Millionen Girokonten. Eine gewaltige Zahl, die sich selbst Eberle in seinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können.

  • © Historisches Archiv des OSV

  • Geboren wird Eberle am 3. Mai 1869 in Laumersheim in der Pfalz. Zeitlebens ist ihm der Kontakt zu Familie und Heimat wichtig. : © Historisches Archiv des OSV

  • Von 1898 bis 1919 wirkt er als Bürgermeister in Nossen. In dieser Funktion steht er auch der kommunalen Sparkasse vor. : © Historisches Archiv des OSV

  • 1907 erhalten die sächsischen Sparkassen eine politische Interessenvertretung. Auf Eberle geht nicht nur die Gründung des Sächsischen Sparkassenverbandes zurück. Ihm sind auch die Entstehung zahlreicher weiterer Verbände und Institutionen im Dienste der Sparkassenorganisation zu verdanken. : © Historisches Archiv des OSV

  • Die erste deutsche Girozentrale befindet sich bei der Sächsischen Bank in Dresden. In einem Nebenzimmer der Bank beginnt der Giroverkehr am 2. Januar 1909. An diesem Tag gehen neun Überweisungen aus fünf Girokassen ein. : © Historisches Archiv des OSV

  • Die Einführung des Sparkassen-Giroverkehrs ist Eberles größter Erfolg. : © Historisches Archiv des OSV

  • Nach mehreren Umzügen besitzt die Girozentrale Sachsen 1931 ein modernes Gebäude in Dresden. Hier ein Blick in Eberles Arbeitszimmer. : © Historisches Archiv des OSV

  • 1916 zieht die Familie Eberle nach Dresden und wohnt ab 1925 im Haus am Beutlerpark 4. Ein enger Weggefährte berichtet später, dass Eberle gewöhnlich am Vormittag in der Girozentrale in Dresden und am Nachmittag zu Hause "teils bis spät abends arbeitend, teils sein Gärtchen pflegend" tätig war. : © Historisches Archiv des OSV

  • Auch die Gründung von Verbundunternehmen der sächsischen Sparkassen ist Eberle zu verdanken. Sein Engagement zum Ausbau der Sparkassen als "Allfinanzdienstleister" ist für die damalige Zeit fortschrittlich und zukunftsweisend. : © Historisches Archiv des OSV

  • Eberles Grab wird noch heute in Ehren gehalten. Es ist auf dem Johannisfriedhof in Dresden zu finden. : © Historisches Archiv des OSV

  • Seit 1975 wird in Erinnerung an den bekanntesten deutschen Sparkassenreformer die Dr.-Johann-Christian-Eberle-Medaille in Gold verliehen. Sie ist die höchste Auszeichnung der Sparkassenorganisation und geht an Persönlichkeiten, die sich um das Sparkassenwesen über viele Jahre verdient gemacht haben. : © Historisches Archiv des OSV

Dr. Johann Christian Eberle (1869 – 1937)

Dr. Johann Christian Eberle ist der bedeutendste und bekannteste Erneuerer des Sparkassenwesens zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit 29 Jahren wird er Bürgermeister der Kleinstadt Nossen. Aktiv geht er viele Infrastrukturprojekte an und saniert während seiner Amtszeit den städtischen Haushalt. Als Kommunalpolitiker interessiert und engagiert er sich ab 1905 zunehmend auch für die Belange des gewerblichen Mittelstandes. Durch seine Herkunft sind ihm die Bedürfnisse und Probleme der Selbständigen vertraut. Da er als Bürgermeister auch der kommunalen Sparkasse vorsteht, erkennt er früh in diesen Geldhäusern ein großes ökonomisches Potential, um mittelständische Unternehmer durch Kreditvergaben zu fördern. Andererseits sieht er aber auch die Notwendigkeit einer Modernisierung des Sparkassenwesens.

Als 1908 das Reichsscheckgesetz erlassen und den Sparkassen damit die Aufnahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs gestattet wird, ergreift Eberle die Initiative. Er gründet in Sachsen den ersten deutschen Giroverband und legt damit den Grundstein für die reichsweite Verbreitung des Giroverkehrs bei den Sparkassen. Zu Beginn des Jahres 1909 wird diese Neuerung zuerst in Sachsen in die Praxis umgesetzt.

Die Einführung des Giroverkehrs wird schließlich Eberles größter Erfolg im Dienste der Sparkassenorganisation. Denn diese Reform gibt den zukunftsweisenden Impuls für die nachfolgende Entwicklung der Sparkassen zu Universalkreditinstituten. Da sich heute der Geburtstag von Eberle zum 150. Mal jährt, haben wir die wichtigsten biographischen Daten und Fakten an dieser Stelle zusammengefasst. Sie belegen eindrucksvoll sein unermüdliches Wirken für die deutsche Sparkassenorganisation:

03. 05. 1869
Geburt in Laumersheim als fünftes und letztes Kind einer pfälzischen Wein- und Obstbauernfamilie
> nach dem frühen Tod des Vaters unterstützen Eberle und seine Geschwister die Mutter bei der Bewirtschaftung des Hofes

Schulbildung
Besuch der örtlichen Volksschule
anschließend Besuch der Lateinschule in Grünstadt
danach Besuch des Gymnasiums in Speyer
> die Sozialisation im Deutschen Kaiserreich bedeutet vor allem eine autoritäre, strenge Erziehung zu Gehorsamkeit, Disziplin und Ordnung sowie zu einem ausgeprägten Nationalbewusstsein
> Eberle erteilt Nachhilfeunterricht und beteiligt sich auf diese Weise an den Kosten seiner Ausbildung

1889 – 1893
Studium der Rechts- und Staatswissenschaften im Hauptfach sowie der Philosophie und Volkswirtschaft im Nebenfach in Heidelberg, München und Leipzig

Winter 1892|93
Militärdienst in Dresden

1893
zweites Examen
Rechtsreferendar in der Verwaltung der Stadt Leipzig
Erlangung der sächsischen Staatsangehörigkeit

1894
Zulassung zum Verwaltungsdienst beim Königlichen Amtsgericht Zittau

1896
Promotion an der Juristischen Fakultät der Universität Leipzig
> Thema: „Die Verpflichtung der Parteien zur Vorzeigung von Augenscheinsachen nach dem Rechte der Reichscivilgesetzordnung“

1896 – 1898
Ratsassessor in der Stadtverwaltung Leipzig

1898 – 1919
Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister der sächsischen Kleinstadt Nossen
> während seiner Amtszeit wurden Straßen, städtische Arbeiterwohnungen, ein Krankenhaus, eine Schule und das Rathaus neu gebaut sowie die städtischen Finanzen konsolidiert

1907 – 1937
Mitgründer und ab 1908 Präsident des Sächsischen Sparkassenverbandes (SSV)
> der SSV fungiert als politische Interessenvertretung der sächsischen Sparkassen

1908 – 1937
Mitgründer und Vorsitzender des Giroverbandes Sächsischer Gemeinden (GVSG)
> der GVSG ist ein Zusammenschluss der Kommunen des Landes zur Ermöglichung und Abrechnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs

1909 – 1918
Vorstandsmitglied der Mittelstandsvereinigung im Königreich Sachsen (MVKS)
> der MVKS ist eine 1905 in Dresden gegründete Interessenvertretung von Handwerkern und mittelständischen Unternehmern

1909 (1913) – 1916
Beteiligung an der Gründung und am Aufbau des Submissionsamtes in Leipzig, einer Unterabteilung der MVKS
Geschäftsführender Vorstand
> Ziel ist die aktive Unterstützung des ortsansässigen, gewerblichen Mittelstandes, z. B. durch juristische Beratungen

1909 – 1937
Direktor der Sächsischen Girozentrale

1912 – 1917 (inaktiv bis 1931)
Wahl zum Vorsitzenden des Reichsdeutschen Mittelstandsverbandes (RDMV)
> Vorbereitung und Durchführung der Reichsdeutschen Mittelstandstage
> der RDMV fordert u. a. die Sicherung der wirtschaftlichen Verhältnisse des gewerblichen Mittelstandes und die Erhöhung der Anzahl der Selbständigen
> aktive Arbeit des Verbandes endet nach dem Ersten Weltkrieg

1916
Heirat der 58-jährigen Witwe Helene Gruschwitz (1858-1941)
> sie bringt in die Ehe Tochter Margarethe (1883-1958) mit
> Entscheidung für Dresden als Wohnort, ab 1925 wohnt die Familie Eberle im Haus am Beutlerpark 4, das sich im Besitz des Giroverbandes befindet

1916 – 1923
Mitgründer und Vorstandsvorsitzender der Kreditanstalt Sächsischer Gemeinden (KSG)
> Zusammenschluss sächsischer Gemeinden zur gegenseitigen Bewilligung von Krediten, die in den Kommunen zur Deckung eines durch starken Bevölkerungswachstum hervorgerufenen, hohen Investitionsbedarfs benötigt werden
> Ziel ist die Unterstützung der kommunalen Aufgabenerfüllung durch Kreditgewährung

1916 – 1924
Mitgründer und Stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentral-Giroverbandes (DZG)
> Interessenvertretung der Giroverbände
> dessen Bankanstalt wird die DGZ

1918
Mitgründer der Deutschen Girozentrale (DGZ)
> zentrale Abrechnungsstelle der zwölf bestehenden Regionalverbände
> die DGZ gewährleistet jedermann deutschlandweite Überweisungen von der Heimatsparkasse an einen Empfänger andernorts

1919 – 1937
Gründer und Vorstandsvorsitzender der Öffentlichen Versicherungsanstalt der Sächsischen Sparkassen (ÖVA)
> Eberle setzt sich für die Gründung öffentlicher Versicherer ein, da die Einnahmen überwiegend in der eigenen Region investiert werden

1920 – 1930
Abgeordneter im Sächsischen Landtag für die Deutschnationale Volkspartei (DNVP)
> Eberle kandidiert für den Landtag nach der Niederlegung des Bürgermeisteramtes in Nossen
> Schwerpunkte seiner Arbeit bilden Fragen zur Gemeindeverwaltung in Sachsen, zum Steuerrecht und zur Geld- und Kreditwirtschaft
> er nutzt den Landtag als Forum für sein Hauptanliegen, die Prosperität der Kommunen und der mit ihnen verbundenen Sparkassen zu unterstützen

1923 – 1937
Aufsichtsratsvorsitzender der 1916 gegründeten KSG

1924 – 1937
Mitgründer und Vizepräsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV)
> der DSGV vereint den Deutschen Sparkassenverband mit dem 1916 gegründeten Deutschen Zentral-Giroverband und dem Deutschen Verband der Kommunalen Banken
> Ziel: Kräftebündelung, um dem zunehmenden Druck von Reichsbank, Privatbanken und Kreditgenossenschaften standhalten zu können
> Höhepunkt des verbandspolitischen Wirkens Eberles, der weiter am Ausbau der Sparkassen zu modernen Universalkreditinstituten arbeitet

1928 – 1937
Mitgründer und Vorstandsvorsitzender der Landesbausparkasse Sachsen (LBS)
> Eberle unterstützt die Bausparbewegung der 1920er Jahre, die mehr Menschen zu Wohneigentum verhelfen will
> in der Erweiterung der Geschäftsfelder, wie z. B. dem Bausparkassen- und Versicherungsgeschäft, sieht Eberle den Vorteil einer allumfassenden Beratung und damit langjährigen Bindung der Sparkassenkunden

1928
Mitgründer der Giroverbands-Jubiläumsstiftung
> zu Ehren Eberles ins Leben gerufen, in Erinnerung an die Gründung des GVSG 1908 und die erfolgreiche Einführung des Giroverkehrs sowie in Erinnerung an den zukunftsorientierten Ausbau des sächsischen Sparkassenwesens
> 1933 Umbenennung in „Dr. Johann Christian Eberle-Stiftung“
> seit 1968 trägt die Stiftung den Namen „Eberle-Butschkau-Stiftung

07. 12. 1937
Eberle stirbt nach kurzer, schwerer Krankheit und wird auf dem Friedhof Dresden-Tolkewitz beigesetzt.

Folgende Charaktereigenschaften werden Eberle zugeschrieben:

  • Fleiß und großes Engagement für seine Arbeit
  • begeisternde Überzeugungskraft, vor allem im Prozess der Neuausrichtung des Sparkassenwesens
    > Eberles großer Verdienst ist die durchsetzungsstarke Umsetzung bereits bekannter Konzepte. Dadurch wird er zu einer anerkannten Respektperson in der Sparkassenorganisation.
  • hohe Sozialkompetenz, was sich vor allem im verständnisvollen Umgang mit seinen Mitarbeitern zeigt
  • Bescheidenheit im Auftreten
  • seit der Kindheit tiefe Religiosität und gelebter Protestantismus, sein Leitspruch ist „Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung.“ (Römer 13, 10)
    > Im Sinne von praktizierter Nächstenliebe, die in aktiver Gemeinnützigkeit der Sparkassen ihren Ausdruck findet, ist Eberle überzeugt: „Unsere Aufgabe ist das Dienen und nicht das Verdienen.“
  • Vertretung eines konservativ-monarchistischen Weltbildes, was sich u. a. im Festhalten an der bestehenden gesellschaftspolitischen Ordnung manifestiert; zu seinen Leitfiguren gehört Bismarck
  • Heimatliebe sowie eine enge Bindung zu seiner Familie
  • Naturverbundenheit in Kombination mit einem Hang zur Einsamkeit
  • Eberle ist sehr kinderlieb und hat viele Patenkinder

Quellen und Literaturtipp:

Hillen, Barbara: Der Sparkassenreformer und sächsische Mittelstandspolitiker Johann Christian Eberle (1869-1937). Diss., Beucha 2004.

Hillen, Barbara: Neue Zeiten, neue Ziele! Johann Christian Eberle und die Modernisierung der Sparkassen. Stuttgart 2007.

Wehber, Thorsten: Die Lebensleistung von Dr. Johann Christian Eberle (1869-1937). Bonn 2016.

weiterführender Link:

Sächsische Biographie

Sparkassenzeitung