Das Jahr 1920 ist für Berlin und seine Sparkasse ein denkwürdiges Jahr. Mit dem „Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“ vom 27. April 1920, das am 1. Oktober 1920 in Kraft trat, wurde Groß-Berlin geschaffen. In Folge dieses Gesetzes fusionierten 14 Sparkassen der Vorortgemeinden mit der Sparkasse der Stadt Berlin.
Aufgrund
der starken Bevölkerungszunahme Berlins seit der Reichsgründung
1871 befassten sich die zuständigen Stellen bereits vor dem Ersten
Weltkrieg mit der weiteren städtebaulichen Entwicklung Berlins. Mit
dem Zweckverbandsgesetz
für Groß-Berlin
vom
19. Juli 1911 und seinem Inkrafttreten am 1. April 1912 entstand ein
lockerer Kommunalverband, dem neben Berlin mehrere Städte und zwei
Landkreise im Umland der Hauptstadt angehörten. Damit sollte eine
einheitliche städtebauliche Entwicklung und Verkehrsplanung
gewährleistet werden. Da jedoch die Nachbargemeinden auf ihrer
Eigenständigkeit beharrten und weiterhin zwischen ihnen
Konkurrenzdenken vorherrschte sowie konservative Kreise ein
erstarktes Berlin verhindern wollten, konnte sich die Idee, ein
Groß-Berlin als Einheitsgemeinde zu schaffen, noch nicht
durchsetzen. Erst
nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs gab es die notwendige
Zustimmung für eine umfassende Lösung und am 27. April 1920
votierten die Abgeordneten in der preußischen Landesversammlung für
die Bildung von Groß-Berlin.
Im Rahmen dieser Verwaltungsreform wurden im Oktober 1920 in die bisherige Stadtgemeinde Berlin mit seinen 1,9 Millionen Einwohnern die Städte Charlottenburg, Köpenick, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg, Spandau und Wilmersdorf sowie 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke aus den umliegenden Kreisen Niederbarnim, Osthavelland und Teltow eingemeindet. Hinsichtlich der Einwohnerzahl war Berlin nach der Bildung von Groß-Berlin mit 3,8 Millionen Einwohnern nach London (7,3 Millionen Einwohner) und New York (5,6 Millionen Einwohner) die drittgrößte Stadt der Welt.
Im
Jahre 1920 konnte die Berliner Sparkasse als älteste preußische
Sparkasse bereits auf über einhundert und die Spandauer Sparkasse
auf fast siebzig Geschäftsjahre zurückblicken. Einige Berliner
Umlandsparkassen hatten in den letzten Jahren eine sehr erfolgreiche
Geschäftsentwicklung genommen und waren recht einlagenstark.
Allerdings verschlechterte sich nach dem Ersten Weltkrieg die
allgemeine Situation aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage und der
zunehmenden Inflation erheblich.
Am
7. Juni 1920 trafen sich auf Einladung des Berliner
Sparkassendirektors Schmitt erstmals die Sparkassenleiter der
Vorortsparkassen Charlottenburg, Spandau, Wilmersdorf, Schöneberg,
Steglitz, Lichterfelde, Neukölln, Treptow, Köpenick, Lichtenberg,
Weißensee, Pankow, Reinickendorf und Tegel zu einer Besprechung.
Danach fanden die Treffen regelmäßig statt. Zudem wurden zur
Bearbeitung spezieller Themen Unterausschüsse gebildet. Die
Zusammenarbeit der einzelnen Sparkassen verlief, obwohl einigen
Instituten die Aufgabe der Selbständigkeit nicht leichtfiel, recht
harmonisch und konstruktiv. Zunächst mussten die je nach Sparkasse
unterschiedlichen Arbeitsabläufe vereinheitlicht und eine zentrale
Verwaltung aufgebaut werden. Zudem sollten durch Einsparungen die
Wirtschaftlichkeit erhöht sowie die Aus- und Fortbildung der
Sparkassenmitarbeiter verbessert werden. Hinzu kam die Erstellung
einer den neuen Verhältnissen angepassten Satzung.
Am
1. Oktober 1920 wurde das Ausscheiden der eingemeindeten
Vorortsparkassen aus dem Brandenburgisches Sparkassenverband in die
Wege geleitet, da sie in den für Berlin bestehenden
Sparkassenverband Berlin aufzugehen hatten. Zudem verloren sie ihre
Mitgliedschaft beim Brandenburgischen Giroverband. Am 25. November
1920 beschloss die Stadtverordnetenversammlung von Berlin auf Vorlage
des Magistrats die zentrale Verwaltung der Sparkasse. 1921 folgten
zwei weitere Versammlungen der Sparkassenleiter sowie die Einrichtung
eines Organisationsausschusses, der sich aus den Sparkassenleitern
und höheren Beamten der Zentrale zusammensetzte.
Mit
dem Inkrafttreten der neuen Satzung am 12. Dezember 1921 verloren die
bisherigen Satzungen der zu fusionierenden Sparkassen ihre Geltung.
Gleichzeitig erfolgte ihre Vereinigung zur Sparkasse der Stadt
Berlin, die sich in zwei Abteilungen gliederte. Die Abteilung A, die
Sparkassenzentrale der Stadt Berlin, bestand aus dem Geschäftsbereich
allgemeiner Sparverkehr und unterhielt in Berlin als Geschäftsstellen
die Bezirks- und Zweigsparkassen. Die Abteilung B, die Girozentrale
der Stadt Berlin, führte die Geschäfte der Berliner Girozentrale
und war auch neben sonstigen bankmäßigen Aufgaben für den
kommunalen Giroverkehr zuständig. Im Stadtgebiet war sie mit eigenen
Geschäftsstellen, den Girokassen, vertreten. Geführt wurde die
Sparkasse der Stadt Berlin vom Vorstand. Hinzu kam als
Kontrollgremium der Aufsichtsrat, der zudem auch die Grundsätze der
Geschäftsführung bestimmte.
Die
in den einzelnen Bezirken gelegenen Sparkassen wurden fortan als
Bezirkssparkassen bezeichnet, von denen es insgesamt 14 Stück gab.
Die Bezirkssparkasse Berlin war für sämtliche Bezirke des alten
Berlins vor 1920 zuständig. Zu ihr gehörten auch die in diesen
Stadtteilen bereits vorhandenen Kassen A bis L der Berliner
Sparkasse. Mit Ausnahme von Tempelhof hatte jeder Bezirk eine
Bezirkssparkasse. Die bisher selbständige Sparkasse Lichterfelde
wurde zur einer Zweigkasse der Bezirkssparkasse Steglitz, die
Sparkasse Tegel in die Bezirkssparkasse Reinickendorf eingegliedert
und im Juni 1921 die Bezirkssparkasse Zehlendorf neu eröffnet. Alle
diese Bezirkssparkassen gaben eigene Sparbücher aus und führten
auch die Konten. Daneben standen den Kunden im Berliner Stadtgebiet
72 Zweigkassen, die mit weniger Personal ausgestattet waren, zur
Verfügung. Sie stellten ebenfalls eigene Sparbücher aus, wobei aber
die Kontenführung überwiegend bei der zugehörigen Bezirkssparkasse
lag. Zur Erleichterung des Sparverkehrs existierten im Stadtgebiet
zudem 212 von Kaufleuten in ihren Ladengeschäften betriebene
Nebenstellen sowie 20 Nebenstellen bei städtischen bzw. staatlichen
Behörden für die dort tätigen Beamte. Die Nebenstellen konnten
ebenfalls Sparbücher ausgeben, sie führten aber generell keine
Konten.
Durch die Eingliederung der Vorortsparkassen entstand in Berlin mit rund 1,9 Millionen Kunden (1 903 902 ausgegebene Sparbücher) und fast zwei Milliarden Mark Spareinlagen „die größte Sparkasse der Welt“, wie Sparkassendirektor Schmitt in der Zeitschrift Sparkasse vom 30. November 1921 schrieb. Die Vorortsparkassen hatten daran mit rund 780 000 Sparbüchern und 772 Millionen Mark Spareinlagen einen Anteil von 41 Prozent. Fast 200 000 Sparbücher kamen von der größten Vorortsparkasse, der Sparkasse Charlottenburg, und nur 1 356 Sparbücher von der erst am 1. Oktober 1919 gegründeten Sparkasse Treptow.
Klaus-Dieter
Marten
Historisches
Archiv der Berliner Sparkasse