Die Schrift
Die Sparkasse RG. Erstmals bekommt die Sparkassenorganisation eine eigens für sie entwickelte Hausschrift. Doch sie kam ab dem 1. Januar 2004 nicht allein, sondern wurde im Rahmen eines modifizierten Erscheinungsbildes der Marke Sparkasse eingeführt. Alles sollte wie „aus einem Guss“ wirken. So lautete der Auftrag des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes an die Agentur Interbrand Zintzmeyer & Lux in Köln. Der Agenturname verweist auf das erfolgreiche Designer-Duo Jörg Zintzmeyer und Peter G. C. Lux, die zum Beispiel auch für Marken wie BMW, Lindt oder die Deutsche Telekom gearbeitet haben.
Was sollte getan werden? Neben der Schrift galt es, das Sparkassen-S zu optimieren. Außerdem waren ein Schutzraum um die Marke und einfache Ordnungsprinzipien für das Markenzeichen (S) und den Markennamen (Sparkasse) zu definieren. Schließlich musste entschieden werden, ob es beim leuchtenden Rot HKS 13 bleiben sollte.
Die Entwicklung der Sparkassen-Schrift erfolgte schließlich in Kooperation mit dem Schweizer Bruno Maag. Dieser hatte bereits 1991 das Unternehmen Dalton Maag in London gegründet und war auf maßgeschneiderte Schriftfonts spezialisiert. Für die Sparkassenorganisation entwarf er eine moderne Schrift, „eine humanistische Sans Serif, die freundlich und gleichzeitig warm wirkt und besser lesbar ist als eine Grotesk“.(1) Und er gab dieser neuen Hausschrift verschiedene Merkmale mit, die sie von Standardschriften abgrenzt. So erhielt sie durch leicht gewölbte Diagonalen einen weichen Zug. Der Buchstabe B erinnert durch den weichen Kurveneinlauf auf der Mittellänge und dem harten auf der Schriftlinie an kalligraphische Zeichen. Die Buchstaben M, W und w weisen Wölbungen der Außendiagonalen auf, die im Kontrast zu geraden Innendiagonalen stehen. Um nur einige Beispiele zu nennen. Die neue Sparkassen-Schrift sollte sich optisch nicht allzu sehr von der bisherigen Hausschrift der Sparkassenorganisation, der Helvetica, unterscheiden. Diese war seit 1972 verwendet worden.
Die Helvetica
Bereits in den 1970er-Jahren war die Helvetica eine geläufige und weit verbreitete Gebrauchsschrift. Fast jede Setzerei hatte sie im Bestand – ein großer Vorteil. Hinzu kam, dass ihr Schriftbild ruhig und geschlossen wirkte. Das Auge wurde beim Lesen geführt. Der Helvetica, die zu den serifenlosen Linear-Antiqua- bzw. Groteskschriften gehört, wird ein schlichter Formcharakter nachgesagt. Ihr werden Begriffe wie Fortschritt, Frische oder Strenge zugeordnet. Nutzt man die Schrift in Halbfett, so bekommt sie einen ernsten und strengen Charakter. Der magere Schnitt hingegen, der im Normalfall für den Schriftzug „Sparkasse“ und das Sparkassen-S vorgesehen war, wirkte eleganter, großzügiger und auch harmonischer. Als die Drucktechnik sich weiterentwickelt hatte, kam zur „Helvetica leicht“ noch die „Helvetica mager“ hinzu. Sie sollte als noble Variante den Schriftkatalog ergänzen und insbesondere für Geschäftsvordrucke eingesetzt werden.
Die Entscheidung
Otl Aicher schlug gleich im ersten Konzeptentwurf für das einheitliche Erscheinungsbild der Sparkassenorganisation die Helvetica als Hausschrift vor. Doch beim Deutschen Sparkassenverlag war man sich 1970 noch unsicher: „Wir haben […] noch einige Bedenken bezüglich der Schrift. Ich möchte Sie bitten, doch noch einmal Alternativen zu der ‚halbfetten Helvetica‘ zu entwickeln. […] Ob die ‚magere Univers‘ nicht auch uns sehr gut zu Gesicht stünde?“(2) Aicher entsprach dem Wunsch des Verlages und prüfte mit Unterstützung einer Druckerei die Eignung der Univers und der Helvetica für Drucksachen. Daneben wurde eine weitere Schrift, die Akzidenz-Grotesk, in das Auswahlverfahren miteinbezogen. Er verglich alle drei Schriften in den Varianten Normal und Halbfett. Eine Antiqua sollte die Standardschrift für umfangreichere Werke werden. Zur Auswahl standen die Garamond und die Baskerville. Aicher bevorzugte letztere, da sie ein größeres Bild und eine ähnliche Architektur wie die Helvetica hatte. Das Format für alle Drucksachen sollte aus der DIN-A-Reihe stammen.
Der Designer verwies in einem Gespräch beim Deutschen Sparkassenverlag auf die unbedingte Notwendigkeit einer strengen Anwendung des Schriftenregelwerks. Durch eine falsche Schriftmischung würde das gesamte Erscheinungsbild seine Prägnanz verlieren.(3) Die Basislösungen für die zu wählende Schrift sollte es in Halbfett, Mager und Leicht geben. Wobei das Wort „Sparkasse“ üblicherweise in Mager zu setzen war. Aber vor allem sollte es „mehr auslösen als nur den Gedanken an Geld; es sollte immer an freundliche, friedliche Begegnungen erinnern.“(4) Die Abschlusspräsentation Aichers 1971 unterstrich die Bedeutung der Wahl der zukünftigen Hausschrift. Denn die bis dahin eingesetzte schien „nicht mehr angemessen“ zu sein. Otl Aicher konstatierte: „nur noch ehrenmale des krieges haben die betonbuchstaben Ihres gegenwärtigen schriftzuges.“(5)
Noch heute trifft sicherlich zu, was das Grundlagenwerk zu den „Gestaltungsregeln für das einheitliche Erscheinungsbild“ in 2. Auflage 1989 zum Thema „Schrift“ zusammenfasst: Die visuelle Durchgängigkeit und damit die mentale Haltung eines Unternehmens kommt besonders in der Schrift zum Ausdruck.
Nachweise:
(1) Sparkassen-Schrift. In: Page. 2003, Nr. 3, S. 54-57
(2) Brief von Dr. Horst Ulbrich (DSV) an Otl Aicher vom 20.10.1970, HfG-Archiv Ulm, „Nachlaß Otl Aicher“ AiAz 1297_46
(3) Aicher, Otl: Gesprächsnotiz „betr.: Besprechung über Typografie des Verlages im Allgemeinen und die HA Schrifttum im Besonderen“ vom 13.7.1971, HfG-Archiv Ulm, „Nachlaß Otl Aicher“ AiAz 1296_5
(4) Woran man uns erkennt. Hrsg. Deutscher Sparkassen- und Giroverband. Konzeption Otl Aicher. DSGV, [1988-1989], S. 25, HfG-Archiv Ulm, „Nachlaß Otl Aicher“ AiBr 455
(5) Aicher, Otl: Präsentationtext „das visuelle erscheinungsbild der deutschen Sparkassen“ [1971], HfG-Archiv Ulm, „Nachlaß Otl Aicher“ AiAz 1297_7, Bl. 8-9