Blogserie, Teil 16
Am 6. März 1990 tagt der Arbeitsausschuss des Zentralen Werbeausschusses in Stuttgart. Auf der Tagesordnung steht ein vom Deutschen Sparkassenverlag verfasstes Papier zu „Ideen für Kommunikationskonzepte in der DDR“.* Zu Gast sind auch Vertreter der DDR-Sparkassen. Das ist für alle Beteiligten von Vorteil. Denn gemeinsam lassen sich auf diese Weise schnell und unkompliziert „grundlegende Weichen zur Marktkommunikation der Sparkassen in der DDR“ stellen.**
Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Festlegung von ersten geeigneten Maßnahmen, die „auf den jeweiligen Bedarf“ der einzelnen Sparkasse noch zugeschnitten werden können. Außerdem wird die mögliche kommunikative Unterstützung erörtert. Warum diese frühzeitige Befassung mit dem Thema – verbunden mit einem Imagetransfer von West nach Ost – so wichtig ist, zeigt sich in der Analyse der Situation:
Zur Aufgabe***
Die Neuorientierung in der DDR wird auch zu Wettbewerb unter den Kreditinstituten führen. Die Sparkassen in der DDR werden sich diesem Wettbewerb stellen müssen. Dies wird besondere Anstrengungen erfordern, vor allem weil westliche Finanzinstitute mit hohem technischen und organisatorischen Standard in den DDR-Markt dringen.****
Ziel muß deshalb für die DDR-Sparkassen sein, die eigene Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen und die vorhandene Kundenbasis mit geldwirtschaftlichen Leistungen gut zu versorgen […]
Vorbemerkung
Die Sparkassen der DDR werden sich in dem bevorstehenden neuen Markt neu positionieren müssen. Dafür wird der Aufbau einer eigenen unverwechselbaren Identität erforderlich sein. Unabdingbare Voraussetzung dafür sind in der Kreditwirtschaft Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Beides sind Positionen, die nur sehr langfristig – üblicherweise durch konkretes Handeln über Jahre – aufgebaut werden können […]
Die Sparkassen in der Bundesrepublik haben sich über Jahre und Jahrzehnte durch ihr Handeln vor Ort und generelle vertrauensbildende Maßnahmen ein erhebliches Vertrauenspotential aufbauen können. Heute bestätigen Untersuchungen, daß das Vertrauen in die Sparkassen höher ist als bei allen anderen Kreditinstituten […]
Mit der Verwendung von Corporate design und Kampagnenauftritt können die DDR-Sparkassen folgendes erreichen:
- hohe Markenbekanntheit in kurzer Zeit
- keine hohen Positionierungskosten im Markt
- Imagetransfer von West- auf Ostsparkassen als leistungsfähige Institute
- glaubwürdigen und aufmerksamkeitsstarken Auftritt in der Kommunikation
- durch ähnliche Struktur Übernahme des Arguments der regionalen Verwurzelung und lokalen Präsenz als Wettbewerbsvorteil
Die Neuausrichtung soll in mehreren Etappen vollzogen werden. Sofortmaßnahmen, die bereits an diesem Tag beschlossen werden, umfassen 10 Punkte, für die aus dem „laufenden Werbeetat des Fonds für zentrale Gemeinschaftswerbung“ Mittel in Höhe von 2,145 Mio. DM zur Verfügung gestellt werden. Zu den wichtigsten und öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen gehören: das Bekleben der DDR-Sparkassenfenster mit roten Streifen und dem Sparkassen-S, wobei die Sparkasse Suhl als Testsparkasse fungiert, sowie die Verwendung des Plakats „Nähe ist bei uns kein Zufall, sondern Absicht – Gemeinsam in Ost und West: Die Sparkassen“.
Weitere Werbemaßnahmen für 1990 sind: Zeitungsbeileger, u. a. mit konkreten neuen Produkten, Kino- und Hörfunkwerbung, Prospekte und Anzeigen zum ERP-Kredit sowie 30.000 Broschüren zur Existenzgründung, ein Mitarbeiter-Wettbewerb im Herbst des Jahres sowie sogenannte „Streuartikel“. Letztere sollen als Werbegeschenke an Firmenkunden, Vereine sowie Privatkunden ausgegeben werden und durch ihre tägliche Verwendung an die örtliche Sparkasse erinnern. Der Verlag schlägt vor, das rote Sparkassen-S mit:
- 2.500 Aschern
- 5.000 Notizklötzen
- 10.000 Spardosen
- 20.000 Zahltellern
- 20.000 Einwegfeuerzeugen und
- 1.000.000 Kugelschreibern
bei den Sparkassenkunden der DDR bekannt und vertraut zu machen.*****
Wenn Sie noch Utensilien von 1990 haben sollten, sich an Ihr erstes Werbegeschenk oder an die erste Begegnung mit dem roten Sparkassen-S in Ihrer Sparkasse erinnern, dann erzählen Sie uns gern davon. Wir freuen uns über jede Geschichte aus dieser Zeit des Umbruchs und Neuanfangs.
Fortsetzung am 08.03.2020
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*1924 wird mit der Schaffung des Zentralen Werbeausschusses der Grundstein für eine einheitliche, überregionale Sparkassenwerbung gelegt. Seitdem gibt es eine zentrale Gemeinschaftswerbung der deutschen Sparkassenorganisation, die über Jahrzehnte Zeichen setzt. 1990 hat der Markenauftritt der westdeutschen Sparkassen zu einem Bekanntheitsgrad von über 90 % geführt: „kaum mehr steigerbar“ nennt der Deutsche Sparkassenverlag diesen Erfolg. Zitat: Ideen für Kommunikationskonzepte in der DDR, Vorlage zur Sitzung des AA ZWA am 6.3.1990, Deutscher Sparkassenverlag GmbH, Stuttgart, 27.02.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAP E 632, Bd. 2.
**Gemeinsam in Ost und West: Die Sparkassen. In: Sparkassen-Werbedienst, 1990, Nr. 4, S. 75.
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Ideen für Kommunikationskonzepte in der DDR, Vorlage zur Sitzung des AA ZWA am
6.3.1990, Deutscher Sparkassenverlag GmbH, Stuttgart, 27.02.1990; Bestand: Historisches
Archiv des OSV, HAP E 632, Bd. 2.
****In
demselben Papier heißt es im Abschnitt, der sich mit der kommunikativen Unterstützung
befasst: „Die Großbanken sind bereits mit Repräsentanzen in der DDR vertreten
und werden mit Sicherheit Beratungsstellen aufbauen.“ Die Konsequenz der Sparkassenorganisation
liege also darin, „Beratungscentren nach westdeutschem Modell einzurichten.
Parallel dazu sollen die DDR-Sparkassen auf westliches Beratungs- und Ausstattungsniveau
gebracht werden.“ Bestand: Historisches
Archiv des OSV, HAP E 632, Bd. 2.
***** Die 196 Vertreter aus den DDR-Sparkassen beschließen auf der Versammlung zur Gründung des Sparkassenverbandes am 20. März 1990 einstimmig, „das gemeinsam genutzte Sparkassensignet [Sparkassen-S] der Sparkassenorganisation der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich und des Königreiches Niederlande auch für die Sparkassen der DDR anzuwenden.“ Der kurz zuvor gewählte Präsident des Sparkassenverbandes der DDR erhielt gleichzeitig den Auftrag, sich um die notwendigen rechtlichen Schritte zu kümmern. Zitat: Beschluss Nr. 3/1990 des Verbandstages vom 20.3.1990, Sparkassenverband der DDR; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAP E 709.
Quelle Titelbild: Sparkassen-Werbedienst Nr. 7, 1990, S. 167.