• Auf dem 2. Verbandstag des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes stimmten Sparkassen- und Kommunalvertreter erstmals gemeinsam ab. Im Präsidium saßen von links nach rechts: Peter Krakow, Dr. Volkhard Spielhagen, Michael Czupalla und Dr. Wolfgang Hemmen. (Bestand: Historisches Archiv des OSV)

Ein turbulenter Verbandstag vor 30 Jahren

Am 20. März 1990 wurde der Sparkassenverband der DDR als Vorläufer unseres Ostdeutschen Sparkassenverbandes gegründet. Aber erst am 17. September 1991 erhielten auf dem 1. Verbandstag im großen Saal des Hotels Branitz – Lausitzer Kongresszentrum in Cottbus die kommunalen Gewährträger der Sparkassen satzungsrechtlich in vollem Umfang die ihnen zustehenden Rechte und konnten die Belange des Verbandes mitentscheiden. Nur 10 Minuten dauerte diese Versammlung. Die anwesenden Vertreter von 160 der 191 Mitgliedssparkassen beschlossen einstimmig eine Änderung von § 4 Absatz 1 der Satzung vom 20. März 1990.* Damit wurden die bereits als Gäste anwesenden Landräte und Oberbürgermeister gleichberechtigte Teilnehmer beim 2. Verbandstag. An dieser anschließenden Veranstaltung nahmen 176 Vorstandsvorsitzende und 162 Verwaltungsratsvorsitzende teil.

Verschiedene Punkte standen auf der Tagesordnung. Zunächst wurde der Verbandshaushalt einstimmig bestätigt. Dann sollte die Satzung umfassend geändert werden. Damit wurde den gesellschaftlichen, politischen und strukturellen Entwicklungen seit der Verbandsgründung Rechnung getragen. Den Auftrag zur Neugestaltung der Satzung hatte Präsident Rainer Voigt auf dem außerordentlichen Verbandstag am 20. September 1990 bekommen, bei dem auch die Umbenennung in Ostdeutscher Sparkassen- und Giroverband (OSGV) erfolgt war. Eine Satzungskommission aus Vertretern der Gewährträger und Sparkassen hatte sich danach an die Arbeit gemacht. Auch die Regierungen der Bundesländer des Verbandsgebiets waren eingebunden. Am 26. März 1991 lag ein Entwurf vor, der in überarbeiteter Form am 15. August 1991 von den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände der Bundesländer und den Obmännern der Arbeitsgemeinschaften der Sparkassenvorstände verabschiedet wurde. Die Satzung war an die in der Bundesrepublik Deutschland üblichen Verbandsstrukturen und Gremien der Sparkassenorganisation angepasst. Gewährträger und Sparkassen waren gleichberechtigte Mitglieder des Verbandes. Festgeschrieben war eine den föderalen Grundsätzen entsprechende Verbandsstruktur. Die Satzung garantierte über die Arbeitsgemeinschaften der Sparkassenvorstände, die Regionalbeiräte, den Verbandsobmännerausschuss bis hin zum Verbandsvorstand eine demokratische Willensbildung unter der Berücksichtigung der Interessen der Sparkassen, ihrer Gewährträger sowie der Länder.**

Im Satzungsentwurf waren unter § 25 a auch Sonderregelungen enthalten, welche das Erlöschen der Mitgliedschaft der Mitglieder aus Thüringen betrafen. Die Einzelheiten des Ausscheidens sollten zwischen dem OSGV und dem für die Sparkassen Thüringens zuständigen Verband geregelt werden. Der Prozess des Austritts aus dem Fünfländerverband war in vollem Gange. Die Landesregierung in Erfurt hatte sich bereits im Frühjahr 1991 für eine Zusammenarbeit mit Hessen entschieden und der Hessische Sparkassen- und Giroverband einen Grundsatzbeschluss für einem Zweiländerverband gefasst. Die Vertreter aus Thüringen stellten beim 2. Verbandstag in Cottbus zwei Anträge. Der eine betraf die Beschränkung des Geschäftsgebiets der LBS Ost auf die anderen vier Bundesländer beim Ausscheiden Thüringens. Außerdem sollte § 25 a geändert werden, um Regelungen zur Vermögensauseinandersetzung festzulegen. Die vom Vorstandsvorsitzenden der Stadt- und Kreissparkasse Erfurt und vom Verwaltungsratsvorsitzenden der Kreissparkasse Gotha erläuterten Anträge wurden nach einer Diskussion mehrheitlich vom Verbandstag abgelehnt.***

Auf Bitte der Mitglieder aus Thüringen, die sich besprechen wollten, erfolgte eine viertelstündige Unterbrechung. In dieser Zeit gab es Anfragen aus dem Kreis der Verbliebenen, ob denn der Verbandstag auch ohne diese beschlussfähig sei. Das bejahte der Präsident. 285 Stimmen waren notwendig. 299 waren anwesend. Die Sitzung wurde nach 15 Minuten fortgesetzt, obwohl die Thüringer noch nicht zurück waren. Der Vorstandsvorsitzende der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig, Peter Krakow, der als Verbandsobmann fungierte, brachte den Antrag ein, zwei Stellvertreter zu wählen. Mit dieser Änderung wurde die Satzung bei Nichtteilnahme der thüringischen Vertreter einstimmig angenommen.**** Nun kamen diese wieder in den Saal, um ihn auch gleich wieder zu verlassen. Da man die Mindestregeln für ihr Ausscheiden nicht angenommen hatte, wollten sie nicht an weiteren Abstimmungen teilnehmen. Mitglieder waren sie trotzdem im Sparkassen- und Giroverband für die Sparkassen in den Ländern Brandenburg, Freistaat Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Erst am 1. Juli 1992 trat der Staatsvertrag zwischen Hessen und Thüringen über den gemeinsamen Verband in Kraft, womit sie den OSGV verließen.

Die nächste Abstimmung am 17. September 1991 betraf die Wahl des Vorsitzenden der Verbandsversammlung. Nach der neuen Satzung stellte die kommunale Seite stets diesen Präsidenten. Der sächsische Landkreistag schlug den Landrat des Kreises Delitzsch, Michael Czupalla, vor. Bei 13 Enthaltungen wurde er zum Vorsitzenden der Verbandsversammlung und damit zum Vorsitzenden des Verbandsvorstandes gewählt. Er setzte sich ins Präsidium und übernahm die Leitung der Sitzung. Neben ihm nahm Verbandsobmann Krakow Platz. Dann erfolgte die Wahl seines Stellvertreters. Der Verbandsobmännerausschuss schlug den Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Luckenwalde, Dr. Volkhard Spielhagen, vor, welcher bei 13 Enthaltungen gewählt wurde und ins Präsidium kam.***** Die Wahl der Mitglieder des Verbandsvorstandes schloss sich an. Das waren Obmänner, Vertreter der kommunalen Gewährträger und Spitzenverbände. Dann wurde eine Pause eingelegt, derweil die konstituierende Sitzung des Vorstandes stattfand. Er beschloss einstimmig, dem Verbandstag Rainer Voigt als Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, also als Geschäftsführenden Präsidenten, vorzuschlagen. Dem stimmten die Anwesenden bei zwei Enthaltungen zu. Informiert wurden sie über den Vorstandsbeschluss der Bestellung des Verbandsgeschäftsführers Hans E. Giese und des Prüfungsstellenleiters Claus Friedrich Holtman.

* Ergebnisniederschrift über den 1. Verbandstag 1991 des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes am 17. September 1991 in Cottbus, S. 6; in: Historisches Archiv des OSV HAP-E 691/2010

** Jahresbericht 1990/1991 des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes, S. 11

*** Ergebnisniederschrift über den 2. Verbandstag 1991 des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes am 17. September 1991 in Cottbus, S. 7, 9; in: Historisches Archiv des OSV HAP-E 691/2010

**** ebd., S. 10

***** Das Foto zeigt im Präsidium sitzend von links nach rechts Peter Krakow, Dr. Volkhard Spielhagen, Michael Czupalla und Dr. Wolfgang Hemmen, den heutigen Leiter der Abteilungen Grundsatzfragen im OSV.

  • Präsident Rainer Voigt thematisierte in seiner Rede unter anderem den Beitrag der Sparkassen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland. : © Foto Hesse GmbH/ Historisches Archiv des OSV

Ein außerordentlicher Verbandstag

Blogserie, Teil 52

176 Direktorinnen und Direktoren folgten der Einladung des Präsidenten des Sparkassenverbandes der DDR vom 3. September 1990 und kamen vor 30 Jahren ins Hotel Inter-Continental in der Budapester Straße im Westteil Berlins. Weil in Anbetracht des Vereinigungsprozesses eine Änderung der Satzung notwendig war, fand dort ein außerordentlicher Verbandstag statt.* Am 14. September hatte der Vorläufige Verbandsrat eine wichtige Vorlage für die Versammlung ausgearbeitet, welche dann als Beschluss Nr. 8/1990 realisiert wurde. Sie betraf auch eine Namensänderung.

„1. Der Sparkassenverband der DDR erhält folgende Bezeichnung: Sparkassen- und Giroverband für die Sparkassen der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (Ostdeutscher Sparkassen- und Giroverband).

2. Der Präsident des Verbandes wird beauftragt, die Satzung des Sparkassenverbandes entsprechend den politischen und strukturellen Veränderungen zu überarbeiten und dem Verbandstag zur Beschlussfassung vorzulegen.“**

Die Entscheidung der Umbenennung erfolgte einstimmig durch die Mitglieder des Verbandstages, zu denen auch die Direktoren der 14 Bezirksgeschäftsstellen des Sparkassenverbandes der DDR gehörten. Die DDR und die 1952 geschaffenen Bezirke sollte es bald nicht mehr geben. Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990, den die Volkskammer und der Deutsche Bundestag am 20. September ratifizierten, sah vor, dass die DDR der Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober beitrat und zugleich fünf neue Bundesländer entstanden.*** Die Zuständigkeit des Sparkassenverbandes für die Länder wurde in der neuen Bezeichnung verankert. Die Sparkassen sprachen sich beim Verbandstag auch für ein künftiges Zusammenbleiben in einem Mehrländerverband aus.****

Die Satzungsfragen waren aber nicht das einzige Thema. Beschluss Nr. 7 betraf den Beitritt zum Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Die Vorlage, welche Rainer Voigt den Auftrag erteilte, die ordentliche Mitgliedschaft im DSGV mit Wirkung zum 3. Oktober 1990 zu beantragen, hatte der Vorläufige Verbandsrat ebenfalls am 14. September abgesegnet. Noch am 20. September bat Voigt den DSGV-Präsidenten um die wohlwollende Unterstützung des Antrages und drückte seine Hoffnung auf die einhellige Zustimmung der Mitgliedsverbände aus.***** Die Aufnahme sollte dann auf der Mitgliederversammlung am 13. Dezember erfolgen. Damit wurde eine historische Organisationsstruktur wiederhergestellt. Bereits 100 Jahre zuvor war festgelegt worden, dass die regionalen Sparkassenverbände in Deutschland einem Dachverband angehörten.

Die Deutsche Einheit stellte natürlich ein wichtiges Thema in den Reden der beiden Präsidenten dar. Rainer Voigt erklärte, „es komme nunmehr für die Sparkassen darauf an, die Mitwirkung am wirtschaftlichen Gesundungsprozess vor Ort engagiert wahrzunehmen. In Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags seien die Sparkassen verpflichtet, als zuverlässige Partner ihrer Kunden und insbesondere des Mittelstandes wirtschaftliches Wachstum und sozialen Wohlstand zu fördern“.****** Dr. h.c. Helmut Geiger versicherte, „dass nunmehr im vereinten Deutschland die Sparkassen und ihre Verbundpartner in der Sparkassen-Finanzgruppe als größte und fächendeckende Institution unter den Kreditanstalten in Deutschland ihre gesamte Leistungskraft in den Dienst des wirtschaftlichen Erblühens ihrer Geschäftsgebiete stellen werden“.*******

Geiger und Voigt saßen nebeneinander auf dem Podium, flankiert vom Vorsitzenden des Vorläufigen Verbandsrates und dem Stellvertreter des DDR-Sparkassenverbandspräsidenten. Die vakante Stelle des zweiten Stellvertreters wurde nun besetzt. Die Wahl fiel mit überwältigender Mehrheit auf den Geschäftsführer des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes, Heinrich Zumkley. Er hatte sich am 14. September beim Verbandsrat vorgestellt, der übereinstimmend empfahl, ihn als Kandidaten vorzuschlagen.******* Ein weiterer Programmpunkt war die Verabschiedung einer Erklärung an die Regierungen in Ost und West bezüglich vormals vom SED-Staat bezuschusster, also zinsloser beziehungsweise niedrig verzinster, Kredite. Die Sparkassen konnten diese Subventionen nicht leisten. Die Anpassung der Zinsen an die Marktverhältnisse war damals ein schwieriges Unterfangen.*********

Aber nicht nur Vertreter der Sparkassen und Verbände, sondern auch aus der Kommunalpolitik nahmen am Verbandstag teil. Ostdeutsche Landräte und Oberbürgermeister waren als Gäste geladen. Mit ihnen erörterten Geiger, Voigt und weitere Repräsentanten des DDR-Verbandes im Anschluss das Vorgehen zur Einbindung der kommunalen Gewährträger in den Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband (OSGV). So sollten etwa die Präsidenten der Landkreistage sowie Städte- und Gemeindetage Vertreter für eine Satzungsdiskussion benennen. Schnellstmöglich sollten diese zusammen mit Vertretern der Sparkassen einen Ausschuss bilden, um eine neue Verbandssatzung zu erarbeiten.********** Im Frühjahr des Folgejahres lag als Ergebnis ein Entwurf vor, der von den Regierungen vier ostdeutscher Bundesländer mitgetragen wurde. Auf dem 2. Verbandstag in Cottbus am 17. September 1991 gaben die Vorsitzenden der Verwaltungsräte und die Sparkassenvorstände aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt ihrem Verband schließlich eine neue Satzung.

Fortsetzung am 21.09.2020

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* Danach erwartete die Teilnehmenden die erste marktpolitische Tagung des Verbandes. Vgl. Sparkassenverband der DDR – der Präsident an die Damen und Herren Direktoren der Sparkassen und Direktoren der Geschäftsstellen: Einladung zum Außerordentlichen Verbandstag und zur 1. Marktpolitischen Tagung des Verbandes, 03.09.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAE – Pötzl 6/2004

** Sparkassenverband der DDR – Vorläufiger Verbandsrat: Beschluss Nr. 31/90 – Satzungsfragen, 14.09.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAE – Pötzl 6/2004

*** Auch Berlin wurde wiedervereinigt. Die 23 Stadtbezirke bildeten das Land Berlin. Die beiden Sparkassen in der Stadt wurden noch 1990 auf die Landesbank Berlin – Girozentrale überführt. Sie war als Sparkassenverband für Berlin zuständig. Vgl. Landesbank Berlin – Girozentrale: Jahrespressekonferenz am 24.04.1991, Berichterstatter Hubertus Moser – Vorsitzender des Vorstandes, S. 1; Bestand: Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

**** Vgl. Ostdeutscher Sparkassen- und Giroverband: Jahresbericht 1990/1991, S. 8

***** Vgl. Sparkassenverband der DDR – der Präsident an den Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes e.V., Herrn Dr. h.c. Helmut Geiger, 20.09.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAP – E 718 (Bd. 1)

****** zitiert im Artikel Ostdeutscher Sparkassenverband beantragt DSGV-Mitgliedschaft, in: Deutsche Sparkassenzeitung, Nr. 75, 28.09.1990, S. 2

******* ebd.

******** Vgl. Sparkassenverband der DDR – Vorläufiger Verbandsrat: Protokoll der Beratung des Vorläufigen Verbandsrates des Sparkassenverbandes am 14. September 1990, 18.09.1990, S. 1; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAE – Pötzl 6/2004

********** Vgl. Geiger, Walter/ Günther, Hans-Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 146 ff.

*********** Vgl. Vermerk Rainer Voigts über ein Gespräch mit den zum außerordentlichen Verbandstag anwesenden Oberbürgermeistern und Landräten am 20.09.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAP – E 718 (Bd. 1)

  • Der Präsident des Sparkassenverbandes der DDR, Rainer Voigt, wird zu seiner Wahl beglückwünscht. : © Fotograf: Klaus-Peter Matte

Endlich wieder ein Sparkassenverband!

Blogserie, Teil 19

1952 waren die Länder und die regionalen Sparkassenverbände in der DDR abgeschafft worden. Erst vor 30 Jahren konnten die ostdeutschen Sparkassen sich aus der Abhängigkeit von der Staatsbank lösen und eine unabhängige Interessenvertretung ins Leben rufen. Am 20. März 1990 fand die Gründungsversammlung des Sparkassenverbandes der DDR statt. Eingeladen waren die 196 Direktoren und Direktorinnen* der Sparkassen ins Tagungszentrum des Ministeriums für Nationale Verteidigung im Norden Strausbergs bei Berlin. Auch der für die Sparkassenaufsicht zuständige Präsident der Staatsbank, Horst Kaminsky, war anwesend. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Dr. h. c. Helmut Geiger, der die Gründung des Sparkassenverbandes im Osten Deutschlands tatkräftig unterstützte, war Ehrengast.

Die Einladungskarte sowie ein Begleitschreiben, dem die Tagesordnung, die Satzung und Beschlussentwürfe beilagen, hatten der Direktor Heinz Oswald von der Stadtsparkasse Frankfurt (Oder) und die Direktorin Eva Borchert von der Kreissparkasse Wernigerode im Namen des Vorbereitungskomitees versendet. Damit auch niemand zu spät kam, gab es Hinweise zur Anreise, etwa mit der S-Bahn.** Zehn Minuten vor Beginn der Veranstaltung um 10:00 Uhr sollten bitte die Plätze eingenommen sein. Der Direktor der Sparkasse der Stadt Berlin, Siegfried Zausch, war Versammlungsleiter. Ihm konnten möglichst vorher Wortmeldungen und Änderungsvorschläge zu den verschickten Dokumenten übergeben werden.

Bei der Veranstaltung waren sämtliche Sparkassen vertreten, von A bis Z. Direktor der Kreissparkasse Altenburg im Bezirk Leipzig war zum Beispiel Direktor Günter Hiller. Die Stadt- und Kreissparkasse Zwickau im Bezirk Karl-Marx-Stadt leitete Ekkehard Behr.*** Er wurde vertreten. Die bilanzmäßig größte Sparkasse im heutigen Gebiet des OSV war die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. Hier war Gerhard Krüger Direktor. Die kleinste Sparkasse war die Kreissparkasse Röbel/Müritz. Der Direktor hieß Heinz Berner. Auch Rainer Voigt, der Leiter der Abteilung Sparkassen der Staatsbank, hatte als Sparkassendirektor gewirkt, bis 1987 bei der Kreissparkasse Angermünde in der Uckermark.

Nachdem die Tagesordnung bestätigt worden war, referierte Voigt zum Sparkassenwesen in der DDR und ging auch auf die systembedingten Missstände ein, welche die Versammelten aus dem Arbeitsalltag kannten. Aber es galt, nicht zurückzublicken, sondern nach vorn zu schauen. Die Sparkassen standen bekanntlich am Beginn einer geschäftspolitischen Neuorientierung, dem Übergang von der Planwirtschaft zur freien Marktwirtschaft. Schwierige Aufgaben waren rasch zu bewältigen. Veränderungswille war gefragt. Die ostdeutschen Sparkassen hatten Vorteile im nun beginnenden harten Wettbewerb. Kundennähe und Kundenvertrauen seien hier beispielhaft genannt.**** Ein Nachteil war die technische Rückständigkeit. Aber bald sollte es solidarische Hilfe des DSGV, der westdeutschen Regionalverbände und Sparkassen geben, wofür Voigt im Namen der Sparkassenvertreter dankte.

Es galt, die traditionell enge Bindung an die Kommunen wiederherzustellen und Verwaltungsräte einzusetzen. Den rechtlichen Rahmen sollte ein neues Sparkassenstatut bilden, das der Verband im Auftrag der Mitgliedsinstitute erarbeiten wollte. Dabei waren die Rechtsverhältnisse der Sparkassen in der Bundesrepublik zu beachten. Nicht nur diese Aufgabe wurde dem Verband vor 30 Jahren übertragen. Die grundlegende Bedeutung eines Verbandes machte Rainer Voigt in seiner Rede klar. Um die Interessen aller Sparkassen gemeinsam durchzusetzen und sich gegenüber der Konkurrenz der privaten Banken zu behaupten, wurde er gebraucht. Ein einheitliches Auftreten der ostdeutschen Sparkassen war wichtig.

„Der Sparkassenverband ist ein Spitzenverband der Sparkassen, der ihre Interessen vertritt, sich für die Lösung ihrer Probleme engagiert und der über die notwendigen demokratischen Organe verfügt, die die echte Interessenvertretung auch sichern. Der Sparkassenverband ist kein Verband, der administrativ nach stalinistischem Strickmuster Dinge durchsetzen will, die die Selbstständigkeit der kommunal eingebundenen Sparkassen beeinträchtigen.“

Auch die Beschlussvorlagen thematisierte Voigt, zum Beispiel die Einführung des bundesdeutschen Sparkassenlogos, welches in der Öffentlichkeit für soliden und vorbildlichen Service stehe. Um hinsichtlich der anderen Wettbewerber keinen Boden zu verlieren, sollte eine Bausparkasse als erste gemeinschaftliche Einrichtung der ostdeutschen Sparkassen gegründet werden und ihre Produkte schnell auf den Markt bringen. Auch die anderen marktwirtschaftlich erforderlichen Dienstleistungen, etwa Kredite für den Mittelstand, sprach er an. Das Kreditgeschäft sah Voigt als Hauptgeschäft der Sparkassen. Die Rede schloss mit folgenden aufmunterndem Worten:

„Uns allen steht ein riesiger Berg an Arbeit bevor, den wir mit gemeinsamer Kraft bewältigen müssen und können. Ich wünsche uns dafür Erfolg, Tatkraft, eine gute Gesundheit und eine Portion Glück.“

Erinnert hatte er eingangs an die ersten demokratischen Parlamentswahlen in der DDR zwei Tage zuvor. Auch am 20. März standen freie und geheime Wahlen an. Eine Wahlkommission wurde zusammengestellt. Die Auszählung der Stimmergebnisse erfolgte öffentlich. Es gab Raum für Diskussionen. Als mögliche Verbandspräsidenten wurden von Sparkassenvertretern Rainer Voigt und Helmut Weiß, Direktor der Stadtsparkasse Magdeburg, vorgeschlagen. Für den ersten Kandidaten entschieden sich 183 Stimmberechtigte. Auch sein Stellvertreter, Hans-Georg Günther, wurde mit überwältigender Mehrheit gewählt.*****

Die grundlegende Verbandssatzung, die bereits basisdemokratisch mit den Direktoren und Direktorinnen der Sparkassen abgestimmt war, wurde nach kurzer Besprechung mit allen 196 Stimmen angenommen. Die Gründungsversammlung widmete sich, wie erwähnt, mehreren wichtigen Beschlussvorlagen. So wurde der Präsident beauftragt, sich um die Bildung der satzungsmäßigen Verbandsorgane zu kümmern. Und weil ein Verband letztlich auch finanziert werden muss, wurden Umlagen beschlossen.

Fortsetzung am 01.04.2020

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* Laut Wysocki, Josef/ Günther, Hans-Georg: Geschichte der Sparkassen in der DDR 1945 bis 1995, 1995, S. 245 waren immerhin 38 % der Direktoren weiblich.

** Vgl. Schreiben des Vorbereitungskomitees zur Gründung des Sparkassenverbandes der DDR an die Sparkassendirektoren zur Ergänzung der Einladung und zum organisatorischen Ablauf; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 69/2004 Bd. 1

*** Vgl. Anwesenheitsliste der Sparkassendirektoren zum Gründungsverbandstag 20.3.90; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 69/2004 Bd. 1

**** Vgl. Rede zum Verbandstag, S. 4; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 69/2004 Bd. 1

***** Vgl. Geiger, Walter/Günther, Hans-Georg: Die Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, 1998, S. 65