Ein turbulenter Verbandstag vor 30 Jahren
Am 20. März 1990 wurde der Sparkassenverband der DDR als Vorläufer unseres Ostdeutschen Sparkassenverbandes gegründet. Aber erst am 17. September 1991 erhielten auf dem 1. Verbandstag im großen Saal des Hotels Branitz – Lausitzer Kongresszentrum in Cottbus die kommunalen Gewährträger der Sparkassen satzungsrechtlich in vollem Umfang die ihnen zustehenden Rechte und konnten die Belange des Verbandes mitentscheiden. Nur 10 Minuten dauerte diese Versammlung. Die anwesenden Vertreter von 160 der 191 Mitgliedssparkassen beschlossen einstimmig eine Änderung von § 4 Absatz 1 der Satzung vom 20. März 1990.* Damit wurden die bereits als Gäste anwesenden Landräte und Oberbürgermeister gleichberechtigte Teilnehmer beim 2. Verbandstag. An dieser anschließenden Veranstaltung nahmen 176 Vorstandsvorsitzende und 162 Verwaltungsratsvorsitzende teil.
Verschiedene Punkte standen auf der Tagesordnung. Zunächst wurde der Verbandshaushalt einstimmig bestätigt. Dann sollte die Satzung umfassend geändert werden. Damit wurde den gesellschaftlichen, politischen und strukturellen Entwicklungen seit der Verbandsgründung Rechnung getragen. Den Auftrag zur Neugestaltung der Satzung hatte Präsident Rainer Voigt auf dem außerordentlichen Verbandstag am 20. September 1990 bekommen, bei dem auch die Umbenennung in Ostdeutscher Sparkassen- und Giroverband (OSGV) erfolgt war. Eine Satzungskommission aus Vertretern der Gewährträger und Sparkassen hatte sich danach an die Arbeit gemacht. Auch die Regierungen der Bundesländer des Verbandsgebiets waren eingebunden. Am 26. März 1991 lag ein Entwurf vor, der in überarbeiteter Form am 15. August 1991 von den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände der Bundesländer und den Obmännern der Arbeitsgemeinschaften der Sparkassenvorstände verabschiedet wurde. Die Satzung war an die in der Bundesrepublik Deutschland üblichen Verbandsstrukturen und Gremien der Sparkassenorganisation angepasst. Gewährträger und Sparkassen waren gleichberechtigte Mitglieder des Verbandes. Festgeschrieben war eine den föderalen Grundsätzen entsprechende Verbandsstruktur. Die Satzung garantierte über die Arbeitsgemeinschaften der Sparkassenvorstände, die Regionalbeiräte, den Verbandsobmännerausschuss bis hin zum Verbandsvorstand eine demokratische Willensbildung unter der Berücksichtigung der Interessen der Sparkassen, ihrer Gewährträger sowie der Länder.**
Im Satzungsentwurf waren unter § 25 a auch Sonderregelungen enthalten, welche das Erlöschen der Mitgliedschaft der Mitglieder aus Thüringen betrafen. Die Einzelheiten des Ausscheidens sollten zwischen dem OSGV und dem für die Sparkassen Thüringens zuständigen Verband geregelt werden. Der Prozess des Austritts aus dem Fünfländerverband war in vollem Gange. Die Landesregierung in Erfurt hatte sich bereits im Frühjahr 1991 für eine Zusammenarbeit mit Hessen entschieden und der Hessische Sparkassen- und Giroverband einen Grundsatzbeschluss für einem Zweiländerverband gefasst. Die Vertreter aus Thüringen stellten beim 2. Verbandstag in Cottbus zwei Anträge. Der eine betraf die Beschränkung des Geschäftsgebiets der LBS Ost auf die anderen vier Bundesländer beim Ausscheiden Thüringens. Außerdem sollte § 25 a geändert werden, um Regelungen zur Vermögensauseinandersetzung festzulegen. Die vom Vorstandsvorsitzenden der Stadt- und Kreissparkasse Erfurt und vom Verwaltungsratsvorsitzenden der Kreissparkasse Gotha erläuterten Anträge wurden nach einer Diskussion mehrheitlich vom Verbandstag abgelehnt.***
Auf Bitte der Mitglieder aus Thüringen, die sich besprechen wollten, erfolgte eine viertelstündige Unterbrechung. In dieser Zeit gab es Anfragen aus dem Kreis der Verbliebenen, ob denn der Verbandstag auch ohne diese beschlussfähig sei. Das bejahte der Präsident. 285 Stimmen waren notwendig. 299 waren anwesend. Die Sitzung wurde nach 15 Minuten fortgesetzt, obwohl die Thüringer noch nicht zurück waren. Der Vorstandsvorsitzende der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig, Peter Krakow, der als Verbandsobmann fungierte, brachte den Antrag ein, zwei Stellvertreter zu wählen. Mit dieser Änderung wurde die Satzung bei Nichtteilnahme der thüringischen Vertreter einstimmig angenommen.**** Nun kamen diese wieder in den Saal, um ihn auch gleich wieder zu verlassen. Da man die Mindestregeln für ihr Ausscheiden nicht angenommen hatte, wollten sie nicht an weiteren Abstimmungen teilnehmen. Mitglieder waren sie trotzdem im Sparkassen- und Giroverband für die Sparkassen in den Ländern Brandenburg, Freistaat Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Erst am 1. Juli 1992 trat der Staatsvertrag zwischen Hessen und Thüringen über den gemeinsamen Verband in Kraft, womit sie den OSGV verließen.
Die nächste Abstimmung am 17. September 1991 betraf die Wahl des Vorsitzenden der Verbandsversammlung. Nach der neuen Satzung stellte die kommunale Seite stets diesen Präsidenten. Der sächsische Landkreistag schlug den Landrat des Kreises Delitzsch, Michael Czupalla, vor. Bei 13 Enthaltungen wurde er zum Vorsitzenden der Verbandsversammlung und damit zum Vorsitzenden des Verbandsvorstandes gewählt. Er setzte sich ins Präsidium und übernahm die Leitung der Sitzung. Neben ihm nahm Verbandsobmann Krakow Platz. Dann erfolgte die Wahl seines Stellvertreters. Der Verbandsobmännerausschuss schlug den Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Luckenwalde, Dr. Volkhard Spielhagen, vor, welcher bei 13 Enthaltungen gewählt wurde und ins Präsidium kam.***** Die Wahl der Mitglieder des Verbandsvorstandes schloss sich an. Das waren Obmänner, Vertreter der kommunalen Gewährträger und Spitzenverbände. Dann wurde eine Pause eingelegt, derweil die konstituierende Sitzung des Vorstandes stattfand. Er beschloss einstimmig, dem Verbandstag Rainer Voigt als Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, also als Geschäftsführenden Präsidenten, vorzuschlagen. Dem stimmten die Anwesenden bei zwei Enthaltungen zu. Informiert wurden sie über den Vorstandsbeschluss der Bestellung des Verbandsgeschäftsführers Hans E. Giese und des Prüfungsstellenleiters Claus Friedrich Holtman.
* Ergebnisniederschrift über den 1. Verbandstag 1991 des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes am 17. September 1991 in Cottbus, S. 6; in: Historisches Archiv des OSV HAP-E 691/2010
** Jahresbericht 1990/1991 des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes, S. 11
*** Ergebnisniederschrift über den 2. Verbandstag 1991 des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes am 17. September 1991 in Cottbus, S. 7, 9; in: Historisches Archiv des OSV HAP-E 691/2010
**** ebd., S. 10
***** Das Foto zeigt im Präsidium sitzend von links nach rechts Peter Krakow, Dr. Volkhard Spielhagen, Michael Czupalla und Dr. Wolfgang Hemmen, den heutigen Leiter der Abteilungen Grundsatzfragen im OSV.